Sandow / Darius Silvia-Duett - Folge 14
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7325-1640-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Wiedergefunden/Schatz, wann lassen wir uns scheiden?
E-Book, Deutsch, Band 14, 112 Seiten
Reihe: Silvia-Duett
ISBN: 978-3-7325-1640-7
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Wiedergefunden.
Vier Jahre hat die Trauer alles überschattet, auch wenn Laura versucht hat, ihr Leben in eine Zukunft ohne Thomas zu retten. Damals hat ihr Schatz sie gebeten, seine Frau zu werden, dann ist er mit unbekanntem Ziel verreist und nie mehr wiedergekommen. Irgendwann hat eine fremde Frauenstimme am Telefon geflüstert: 'Thomas ist tot!'
Laura hat es glauben müssen, weil ein Verrat von Thomas an ihrer Liebe jenseits all ihrer Vorstellungskraft lag. Und doch muss er ein schändliches Spiel mit ihr getrieben haben, denn ausgerechnet an dem Tag, an dem Laura versucht, ein neues Leben mit einem anderen Mann zu beginnen, sieht sie Thomas im Fernsehen ...
Schatz, wann lassen wir uns scheiden?
Heute ist Komtess Antonias Hochzeitstag! Der schönste Tag ihres Lebens? Von wegen! Was hat sie bloß dazu gebracht, dem Drängen ihres Vaters nachzugeben und diesen Nikolaus Brandenburg zu heiraten? Dass das Geld in ihrer Familie immer knapp war, hat sie nie gestört. Aber jetzt ist es offenbar ernst: Gut Zweitürme steht auf dem Spiel. Da braucht man einen reichen Mann wie diesen Nikolaus! Wie hat er so schön gesagt? 'Ich sehe das Ganze als eine Transaktion. Sie wollen mein Geld, und ich will Ihren Titel.' Was für eine Unverschämtheit! Aber Antonia wird diesem arroganten Kerl schon zeigen, was es heißt, eine Gratkowsky zu heiraten!
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Manchmal, ganz früh am Morgen, verwandelte sich das Tegernseer Tal in eine Traumlandschaft. Nebel lag wie ein feiner Schleier über den Feldern und den Bäumen, und der Tau glänzte auf Gräsern und Blättern wie vergessene Diamanten.
Auch an diesem Morgen schienen die Wolken den Boden zu berühren. Nur die Konturen des Jägerstandes, der jungen Apfelbäume und eines weitläufigen Gebäudes waren zu sehen. Die Türmchen des Gebäudes ragten allerdings in einen Himmel, den die Sonne schon mit ihren Strahlen freifegte. Die roten Dachziegel der Türmchen hoben sich bereits deutlich von dem eintönigen Weiß ab.
Ein Mann löste sich aus dem Nebel und ging langsam auf den Gutshof zu. Seine Haltung war aus zweierlei Gründen gebückt. Erstens drückte sich auf diese Weise sein schlechtes Gewissen aus, und zweitens trug er etwas auf dem Arm, das um keinen Preis der Welt auf seinem Arm bleiben wollte: ein noch sehr junges Prachtexemplar der Gattung Pan Paniscus.
André von Gratkowsky verschanzte sich hinter dem wissenschaftlich fundiert und seriös klingenden Namen wie hinter einem Schutzschild. »Pan Paniscus« sollte ihn vor Wastl, seinem strengen Verwalter, und vor der Tatsache, dass »Pan Paniscus« ein junger Zwergschimpanse war, schützen, der theoretisch auf den Namen Columbus hören sollte. Praktisch hörte er jedoch auf keinen Namen, so liebevoll oder bedrohlich er auch klang.
Eigentlich wusste André von Gratkowsky noch gar nicht so recht, wie er an Columbus geraten war. Er hatte nur im verrauchten Hinterzimmer eines Gasthauses gepokert, ein paar Bierchen getrunken und zu seiner Überraschung gewonnen.
Niemand hatte ihm gesagt, mit wem er da spielte. Rudolfo Stancato hieß einer der Mitspieler, allein der Name hätte André alarmieren sollen. Rudolfo Stancato war der stolze Direktor eines weniger stolzen Wanderzirkus. Doch mit solchen Karten in der Hand stellte André von Gratkowsky keine Fragen. Selten genug gehörte er beim Glücksspiel zu den Gewinnern. Eigentlich bewegte er sich sonst immer zwischen Gewinn und Verlust hin und her wie das Pendel einer alten Uhr, deren Zeiger nie weiterrücken.
Am meisten wunderte ihn jedoch, dass er seine Schulden immer mit Geld begleichen musste, wenn er verlor. Wenn er hingegen gewann, brachte er meist etwas nach Hause, das ihn auch noch Geld kostete. Zum Leidwesen seines Verwalters Wastl, der den lieben langen Tag nichts anderes zu tun hatte, als das Geld, das sein Chef verlor, wieder hereinzuwirtschaften. Wie das aber mit Verlorenem so ist, findet man selten mehr als einen Bruchteil wieder.
Die riesige Bernhardinerhündin Penelope, die beiden Ponys Max und Moritz, die Araberstute Bella, der Papagei Gustav und der Hahn Jeremias, der jetzt mit Begleitung der Kirchenglocken zu krähen anfing, waren durch das Spiel in den Besitz von André von Gratkowsky gekommen.
»Psst!«, machte André und warf Jeremias einen strengen Blick zu. »Halt den Schnabel, sonst sieht mich Wastl noch!«
Obwohl André von Gratkowsky offiziell der Herr von Gut Zweitürme war, hatte Wastl das Zepter schon längst an sich gerissen und war auch nicht gewillt, es loszuwerden, solange André sein Vermögen am Spieltisch ließ und seine Tochter Antonia sich mit der »Heit-so-tu-i-nix« an der Côte d’Azur herumtrieb.
»Heit-so-tu-i-nix«, war die bayerische, von Wastl konzipierte, Ableitung des Wortes »High Society« und bedeutete im übertragenen Sinn: »Heute bin ich faul.« Für Wastl war die High Society so überflüssig wie der gute alte Kropf.
Doch André und Antonia von Gratkowsky hörten auf Wastl genauso wenig, wie der Hahn Jeremias – und jetzt auch Columbus – auf André hörten. Interessiert fing der Zwergschimpanse an, auf dem Kopf seines neuen Besitzers nach Läusen zu suchen und schnatterte dabei so aufgeregt, als sei er entsetzt über die harte Arbeit, die vor ihm lag. Schließlich hatte dieser arme Mensch bisher keinen Columbus gehabt, der ihn gepflegt hatte.
»Psst« ‚ versuchte André, den Schimpansen zu beruhigen. »Psst, Wastl wacht sonst noch auf. Sei still!«
Auf Zehenspitzen schlich er die Treppe hinauf, und mit jeder Stufe hakte er ein weiteres Versteck, das er für Columbus ausgesucht hatte, als ungeeignet ab.
»Du liebe Güte, wie soll ich dich vor Wastl nur verheimlichen?«, fragte er den immer noch eifrig schnatternden Columbus. André sah jetzt aus wie ein überalterter Schuljunge, das graue Haar vom Läusesuchen zerwühlt, die Augen groß und ein wenig ängstlich. Die Brille hing ihm auf der Nasenspitze. Columbus hatte sie entdeckt und schob sie aufgeregt auf Andrés Nasenrücken hin und her.
Dann ging alles sehr schnell. Des Spielens müde riss Columbus die Brille an sich, schwang sich triumphierend auf das Treppengeländer, zeigte sein Prachtgebiss und schien André auszulachen. André – ohne Brille blind wie ein Maulwurf bei Tageslicht – stolperte, rutschte aus und kugelte die fünf Stufen, die er mühevoll erklommen hatte, wieder hinunter.
Columbus war außer sich vor Begeisterung. Allmählich wurde ihm sein neuer Leibeigener sympathisch. Laut triumphierend schwang er die Brille hin und her, setzte sie probeweise auf die Nase, nahm sie dann in die Hand und übte mit der anderen Handstand.
Es dauerte nicht lange – André hatte nicht einmal mehr Zeit aufzustehen – da erschien Wastl auf der Bildfläche. Klein und drahtig, mit abstehenden Ohren und leicht offen stehendem Mund baute er sich vor André auf.
»Was ist denn das?« Fassungslos zeigte er auf Columbus.
Ein auf dem Boden liegender Arbeitgeber hatte weder Autorität, noch konnte er Respekt erwarten. Deshalb sprang André behände auf. Wie durch ein Wunder reichte ihm Columbus großmütig die Brille, und André bedankte sich.
»Das ist ein Pan Paniscus«, erklärte er hoheitsvoll und suggerierte Wastl mit den Augen: ein wertvolles Tier. Wenn wir es verkaufen, können wir davon die brüchige Installation instand setzen lassen.
»Das ist ein Viech«, widersprach Wastl streng. »Ein Affe, kein Peter Pan, nehmen Sie mich nicht auf den Arm, Chef!«
»Pan Paniscus ist der lateinische Ausdruck für einen Zwergschimpansen«, zitierte André aus dem Lexikon, um Wastl von dem eigentlichen Corpus Delicti abzulenken. Nebenbei rückte er die schiefe Krawatte und seine Anzugjacke zurecht und fuhr sich durch das Haar, das nach Columbus’ Bemühen jetzt zumindest frei von Läusen war. »Der Zwergschimpanse wird auch Bonobo genannt und ist so intelligent, dass er, um eine hoch hängende Banane zu ergattern, sogar drei Kisten aufeinander türmt. So intelligent ist er, jawohl.«
Columbus turnte immer noch auf dem Treppengeländer herum. Inzwischen hatte sich ein weiteres Mitglied der Familie Gratkowsky hinzugesellt. Die Hündin Penelope von Gratkowsky, ebenfalls blaublütig. Sonst oft mit Wastl in Widerstreit, vor allem wenn er sie nicht an den Kühlschrank ließ, stimmte sie diesmal mit ihm überein. Wastl schimpfte leise, Penny laut.
Was war denn das für ein kleines, hüpfendes, braunes Ding, das noch mehr Krach machte als sie? Eine Frechheit war das! Pennys Fell sträubte sich, und das braune Haar über der Stirn stand steil in die Höhe.
»Und wo haben Sie den Peter Pan aufgegabelt? Haben Sie den beim Kartenspielen gewonnen, oder was?« Wastls Stimme ähnelte jetzt auffallend dem Donnergrollen, das ein Gewitter ankündigte. »So was können wir hier nicht brauchen. Frisst uns nur die Haare vom Kopf …«
Haare! Haare! Aufgeregt schnatternd schwang sich Columbus vom Treppengeländer auf Wastls Schultern und begann, bei ihm nach Läusen zu suchen.
»Das Viech muss weg!«, schimpfte Wastl und schlug so heftig um sich, dass Columbus eilig die Flucht ergriff.
Obwohl André gerade noch selbst überlegt hatte, wie er den Schimpansen wieder loswerden konnte, regte sich jetzt sein Widerspruchsgeist in ihm. Wer war der Herr im Haus? Er oder Wastl?
»Columbus bleibt hier!«, trumpfte er auf.
»Dann geh ich!«, kam es entschlossen zurück.
***
Während es auf Gut Zweitürme wieder einmal drunter und drüber ging, und zwischen André und Wastl, Penny und Columbus der Kampf um die künftige Vorherrschaft ausgetragen wurde, aalte sich Antonia von Gratkowsky in der Sonne.
»Darling, soll ich dir noch etwas bringen?« Der junge Mann, der sich jetzt über sie beugte, sah ausgesprochen gut aus. Vielleicht waren Mund und Kinn etwas zu weich, aber das störte Antonia nicht. Sie wollte Daniel ja nicht heiraten. Sie wollte überhaupt nicht heiraten.
»Aber ja, Darling. Einen Campari Orange bitte!«
»In Ordnung, Liebste.« Behände sprang der junge Mann auf und lief zur Bar.
Antonia stützte sich auf die Ellenbogen, warf das lange, dunkelblonde Haar nach hinten und sah Daniel gelangweilt nach. Einmal nur wollte sie einen Mann erleben, der ihr nicht jeden Wunsch von den Augen ablas. Der nicht hinter einem hertrottete wie Penny daheim, wenn man ein Würstchen in der Hand hatte. Allmählich langweilten Antonia die Sonne, die Hitze und die schönen Männer mit ihren muskelgestählten Körpern.
Sie rekelte sich träge wie eine satte Katze, die der Mäuse überdrüssig war, die sich gar so leicht einfangen ließen. Sie wollte nach Hause. Der Tegernsee im Herbst … Sie fühlte förmlich den kühlen Wind im Gesicht. Das Laub roch nach Regen, und die Oktobernebel legten sich wie Schleier über die Landschaft. Außerdem, und diese Überlegung war wesentlich realistischer, hatte sie kein Geld mehr.
Wo das Geld bloß immer blieb? Kaum...




