E-Book, Deutsch, Band 1469, 64 Seiten
Reihe: Notärztin Andrea Bergen
Sandow Notärztin Andrea Bergen 1469
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7517-4046-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eine Schwester dreht durch
E-Book, Deutsch, Band 1469, 64 Seiten
Reihe: Notärztin Andrea Bergen
ISBN: 978-3-7517-4046-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ihre gemeinsame Kindheit war geprägt von Lieblosigkeit und Gewalt. Als die Schwestern Katrin und Valerie erwachsen sind, kann Katrin die Jüngere nicht loslassen. Der Wunsch, sie zu beschützen und zu kontrollieren, ist längst zu einem Wahn geworden.
Doch dann lernt Valerie den gut aussehenden Mediziner David kennen und verliebt sich in ihn. Katrin fürchtet, die Schwester zu verlieren, und dreht plötzlich durch ...
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Eine Schwester dreht durch
Meine Kollegen und ich fühlen uns im Elisabeth-Krankenhaus nicht mehr sicher! Seit Schwester Lena eine hohe Treppe hinuntergestürzt ist und dies nur durch ein Wunder überlebt hat, schaue ich mich jedes Mal ängstlich über die Schulter um, wenn ich das Treppenhaus betrete. Schwester Lena ist sich nämlich sicher, dass sie den Stoß zweier kräftiger Hände im Rücken spürte, bevor sie fiel. Das ist ungeheuerlich! Seither beäugen wir Kollegen uns untereinander argwöhnisch, und auch unter dem Pflegepersonal macht sich Misstrauen breit. Wer könnte der Täter oder die Täterin sein?
Ich weiß es auch nicht, aber eines weiß ich: Eine neue Krankenschwester ist mir mehr als unheimlich: Katrin Eidinger, die erst kürzlich gemeinsam mit ihrer Schwester bei uns angefangen hat. Ständig taucht Katrin beinahe lautlos hinter einem auf und starrt einen so seltsam an! Richtig gruselig ist das! Deshalb habe ich mir vorgenommen, sie von nun an genau im Auge zu behalten. Und bei dem kleinsten Anzeichen dafür, dass ich recht habe, werde ich es melden ...
»Ist das nicht toll?« Katrin Eidinger breitete die Arme aus und drehte sich um sich selbst. »Schau nur, die riesige Fensterfront. Außerdem ist die Wohnung komplett renoviert.«
»Ja.« Valerie nickte. Sie schaute sich um, empfand aber nichts dabei. Diese Wohnung hatte ihre Schwester ausgesucht. So wie Katrin auch entschieden hatte, dass sie in diese Stadt ziehen und ab Anfang der kommenden Woche im Elisabeth-Krankenhaus arbeiten würden.
Katrin bestimmte immer. Sie war ihre große Schwester. Die Ältere! Auch wenn dieser Altersunterschied gerade einmal zwei Jahre betrug.
Natürlich merkte Katrin ihr sofort die fehlende Begeisterung an. Ihre Augen wurden schmal, ihr Blick ungeduldig. »Hör endlich auf, an diesen Typen zu denken.«
»Ich habe doch gar nicht an Hendrik gedacht«, verteidigte sich Valerie. »Sondern an zu Hause.«
»Das hier ist jetzt unser Zuhause«, sagte Katrin grob.
»Ja.« Valerie wollte ihre Schwester nicht verärgern. Immerhin hatte Katrin all das nur ihretwegen arrangiert. Sie hatte die neue Wohnung gesucht, die Arbeitsstellen und nicht zuletzt den ganzen Umzug organisiert. Und das alles nur, damit sie, Valerie, Abstand von allem gewann. Vor allem vor dem Ende ihrer großen Liebe.
Sie spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Schnell wandte sie sich ab, damit Katrin das nicht bemerkte. Sie trat ans Fenster und sah hinaus.
Der Ausblick auf die befahrene Straße zwischen den grauen Hauswänden gefiel ihr nicht. Sie dachte an ihre alte Wohnung in Bremen am Deich. Dort hatten sie einen Blick über die Natur hinweg bis zum Mahndorfer See gehabt.
»Diese Wohnung hier ist viel größer«, stieß Katrin hervor, obwohl Valerie nichts gesagt hatte. »Und wir brauchen zu Fuß nur fünf Minuten bis zum Elisabeth-Krankenhaus.«
Auch jetzt sagte Valerie nichts, weil sie genau wusste, dass Katrin die Antwort, die ihr auf der Zunge lag, nicht gefallen würde: Ich habe Heimweh. Und ich habe Angst vor all dem Neuen, was vor uns liegt. Sie sprach es nicht aus. Stattdessen wandte sie sich wieder ihrer Schwester zu und bemühte sich um ein Lächeln. »Es ist alles gut«, behauptete sie. »Ich brauche nur eine Weile, um mich an all das Neue zu gewöhnen.«
Katrin wechselte übergangslos das Thema. »Ich bin gespannt auf die neuen Kolleginnen.«
Valerie war überrascht. In ihrem Krankenhaus in Bremen hatte Katrin sich so weit wie möglich von dem restlichen Personal abgesondert und sie, Valerie, angewiesen, es ebenso zu tun.
»Nur wir zwei«, hatte sie dabei immer betont. »Wir brauchen keine anderen Menschen.«
Valerie hatte stets zugestimmt. Nicht aus Überzeugung, sondern weil sie es nicht anders kannte. Ihre große Schwester, die nicht nur älter, sondern tatsächlich einen Kopf größer war, hatte sie seit ihrer frühesten Kindheit beschützt und sich dabei angewöhnt, über sie zu bestimmen. Je älter sie wurde, desto öfter störte es Valerie. Aber sie wagte es nicht, sich gegen ihre Schwester durchzusetzen. Nur das eine Mal, als sie sich verliebt hatte ...
Aber auch da hatte Katrin recht behalten. Hendrik hatte sie enttäuscht, so wie ihre Schwester es vorausgesagt hatte.
Und diesmal hatte Katrin ebenfalls recht, sie musste die Vergangenheit hinter sich lassen. Valerie nahm sich vor, damit auf der Stelle anzufangen. Sie lächelte Katrin an.
»Zeigst du mir jetzt mein Zimmer?«
Katrins Gesicht strahlte auf. »Klar! Du wirst überrascht sein.«
Valerie folgte ihrer Schwester, als sie das Wohnzimmer verließ. Sie ging bis zum Ende des Flures, legte die Hand auf die Türklinke, drehte sich dann aber noch einmal um.
»Ich habe das größere Zimmer«, sagte Katrin. »Aber ich habe das Zimmer hier aus einem ganz besonderen Grund für dich ausgewählt.« Damit öffnete sie die Tür und ließ Valerie eintreten.
Das Zimmer selbst war nichts Besonderes und wirklich nicht sehr groß. Valerie verstand aber sofort, was ihre Schwester gemeint hatte. Zielstrebig ging sie auf die Balkontür zu und öffnete sie. Auch der Balkon dahinter war winzig, aber von hier aus konnte sie über die Rheinwiesen bis zum Fluss schauen. Ein Ausflugsdampfer zog gemächlich vorbei. »Das ist traumhaft«, rief Valerie überwältigt aus.
Katrin wirkte zufrieden. »Ich wusste doch, dass es dir gefällt.«
»Ja«, bestätigte sie, und zum ersten Mal seit langer Zeit empfand sie wieder so etwas wie inneren Frieden. »Ich glaube, hier kann ich mich wohlfühlen ...«
***
Charlotte Mehring war so vertieft in ihre Akten, dass sie ihn nicht sofort bemerkte, als er die Treppe hochkam. Ihr gemeinsames Büro befand sich direkt auf der Empore des Hauses. Erst als David näher trat, hob sie den Kopf. Sie schlug die Akte zu. »Eine wirklich aufregende Aufgabe.«
»Ich beneide dich ein bisschen darum.« David lächelte und strich sich über den dunklen Vollbart. »Ein halbes Jahr Spanien, direkt am Meer. Und gleichzeitig begleitest du den Umbau eines Hotels in ein Luxus-Resort.«
»Ich werde nicht mit dir tauschen.« Charlotte grinste ihn an.
»Das geht ja leider auch nicht wegen der Projekte, die ich hier betreue. Außerdem bist du diejenigen von uns beiden, die fließend Spanisch spricht.« Charlottes Eltern waren bereits vor ihrer Geburt nach Spanien ausgewandert. Sie war dort aufgewachsen und erst während ihres Studiums nach Deutschland gekommen. Da hatten sie und David sich kennengelernt und ineinander verliebt. Damals ... In ihrer beider Leben hatte sich so viel getan, dass sich inzwischen alles geändert hatte.
»Wenn es die Zeit zulässt, kannst du mich zwischendurch mal ein Wochenende besuchen«, schlug Charlotte vor. »Meine Eltern würden sich bestimmt auch freuen, dich mal wiederzusehen.«
»Das mache ich bestimmt, wenn ich es einrichten kann.« David setzte sich auf die Kante ihres Schreibtisches. »Du wirst mir fehlen.«
Charlotte lächelte. »Du mir auch. Jedenfalls in den stillen Stunden zwischen Arbeit und Familie.«
»Also überhaupt nicht.« David grinste. »Ich fahre dich übrigens Samstag zum Flughafen.«
»Ich kann mir doch ein Taxi ...«
»Auf keinen Fall«, fiel David seiner Frau ins Wort. »Das sind unsere letzten gemeinsamen Momente für lange Zeit.«
»Du willst nur sicher sein, dass ich wirklich ins Flugzeug steige und verschwinde, damit du hier machen kannst, was du willst«, zog Charlotte ihn auf.
»Das hast du gut erkannt.« David lachte und stand wieder auf. Er trat auf seine Frau zu und zog sie in die Arme. »Ich bin sehr froh, dass wir alles so gut hinkriegen.«
»Es ist alles zwischen uns geklärt«, bestätigte Charlotte. Sie drückte sich fest an ihn, doch dann löste sie sich wieder aus seiner Umarmung. »Und jetzt lass mich weiterarbeiten. Ich muss alle Unterlagen zusammenstellen, die ich für Spanien benötige.«
»Alles, was dir fehlen sollte, scannen wir hier ein und mailen es dir dann zu.« David lächelte, obwohl ihm der bevorstehende Abschied zusetzte. Bis jetzt war noch nicht abzusehen, ob Charlotte wirklich nach einem halben Jahr zurückkehren würde. Wenn ihr Auftrag erfolgreich ausgeführt worden war, folgten möglicherweise weitere.
Es hatte sie nicht viel Mühe gekostet, den Investor von ihrem Gedanken an Nachhaltigkeit zu überzeugen. Keine Neubauten von Hotels, die weitere Eingriffe in die Natur erforderten, sondern die Sanierung und der Ausbau vorhandener Gebäude. Der Investor hatte ihnen bereits mitgeteilt, dass er kurz vor dem Kauf weiterer älterer Hotelgebäude stand. Sie beide ahnten also bereits jetzt, dass aus Charlottes Aufenthalt in Spanien eine sehr viel längere, unbestimmte Dauer werden konnte.
Für Charlotte bedeutete das Rückkehr in ihre Heimat. Sie freute sich sehr darauf.
Sie hatten viel darüber gesprochen. Auch darüber, dass...




