E-Book, Deutsch, 330 Seiten
Sandrino APOLLON und Mercury: Wahre Träume leben
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86361-381-5
Verlag: Himmelstürmer
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, 330 Seiten
ISBN: 978-3-86361-381-5
Verlag: Himmelstürmer
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Was, wenn Götter etwas vollkommen anderes sind, als man gängig annimmt? In Grindelwald stürzt etwas in die Eigernordwand. Seither schießen täglich gewaltigere Sonneneruptionen ins All und verändern das Klima weltweit. Es wird immer heißer.
Apollon Holmström ist ein eitler Schönling, der Sport liebt. Als sein Opa ihm zuflüstert, dass Talente in ihm schlummern, die den Tod hinausfordern, wird dem Achtzehnjährigen mulmig. Als dann Opa nur wenige Stunden danach stirbt, ändert sich alles. An der Beerdigung lernt Apollon Martin, seinen schwulen Bodybuilder Cousin kennen, der ihn für die Semesterferien zu sich nach Los Angeles einlädt. Kaum dort verliert Apollon eine Wette. Als Wettschuld trainiert ihn Martin, sich seines Namens bewusst zu werden. Das ist nicht ganz selbstlos, denn Martin leitet die NAWA, die Nudist at Work Agency und will Apollon engagieren. Was peinlich anfängt, wird bald immer suspekter. Täglich begegnet Apollon seltsamen Frauen, die ihn auf offener Straße auffordern für sie zu singen. Bei seinem ersten offiziellen Auftritt als Nudist at Work passen ihm fünf Frauen ab, die sich ihm als Musen vorstellen, was Apollon nur ein schiefes Grinsen entlockt – wären da nicht seine Träume.
Markku Moor, den jeder Mercury nennt, ist ein Diebe und Boxer mit Visionen und einer lebhaften Fantasie. Stetig kommt er mit der Polizei in Konflikt, so auch als er mit Andrey die Schule schwänzt. Seine Eltern verdonnern ihn zu Stubenarrest, statt Familienurlaub. Mercury nutzt die Freiheit, um mit Andrey nach Grindelwald abzuhauen, wo er aus einem versteckten Streitwagen ein goldiges Signet klaut. Weil die neue Hofbesitzerin am nächsten Tag eintrifft, müssen die Jungs raus. Kaum zuhause, träumt Mercury von Miami und trifft dort den alten Hermes, der ihn auffordert seinen Hintern hierher zu bewegen. Ein Simon werde ihm helfen. Er findet ihn. Simon leitet die Zweigstelle der NAWA in Florida. Heimlich und ohne Geld türmt Mercury nach Miami Beach. Kaum am Ziel, bedrängt ihn Hermes den jungen Sonnengott Apollon zu suchen, um mit ihm zur Insel des Helios zu reisen. Aber Mercury denkt nicht dran. Er hat andere Pläne, er will endlich Sex erleben. Seine Frechheit bringt ihn stetig in Schwierigkeiten. Hermes Auftrag nimmt er erst ernst, als Göttermächte in Aussicht stehen.
Autoren/Hrsg.
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Apollon: Schweiß, Tränen und Träume
Mein neuer Anzug sitzt nicht perfekt. Die Wolle kratzt am Hals. Ich hätte auf den dunkelblauen bestehen müssen; Trauerfarben stehen mir nicht. Zum hundertsten Mal richte ich meine schwarze Krawatte. Trotz der Hitze trage ich mein Jackett auch in der Kirche, nur in Hemd sieht einfach nicht chic aus. Ich schwitze. Es ist viel zu heiß für Anfang Juni. Selbst die Nächte bringen keine Kühlung. Sonderberichte warnen vor dem heißesten Sommer seit Menschengedenken. Seit den seltsamen Blitzen im April fällt kein Regen mehr. Sonnenstürme, Klimawandel, Erdachse Verschiebung, Gletscherschmelzung, Umweltverschmutzung und hundert andere Gründe werden als Ursache genannt, doch niemand weiß, was wirklich passiert, noch warum es nicht mehr regnet. Opa wüsste es, doch Opa ist tot. „… Nichts wird unseren Verlust mindern können. Nichts wird uns Trost spenden können, bis auf die Worte des Herrn, die da lauten…“ Bla-bla-bla. Seit einer halben Ewigkeit schwafelt der Priester vom jüngsten Tag. Was soll das bringen? Opa bestand darauf, dass der jüngste Tag jeder Tag sei, an dem man über sich selbst hinauswächst. Darin stimme ich Opa voll zu. Bei seinen letzten Worten an mich jedoch ganz und gar nicht. Erneut schaudert es mich bei der Erinnerung daran: Einige deiner Talente sind sehr gefährlich. Sie zu entfalten, fordert den Tod hinaus. Falls du der bist, für den ich dich halte, bleibt dir aber keine Wahl. Echt, wer will so etwas schon hören? Ich besuchte Opa und Oma vor zehn Tagen zum Mittagessen. Opa konnte unheimlich sein. Wen glaubte Opa, in mir zu erkennen? Würde Opa noch leben, wäre ich zum Dessert geblieben? Die Nachmittagsvorlesung fiel aus. Dennoch verdrückte ich mich wie ein Feigling, mit der Lüge, dass ich zurück zur Uni müsste. Erneut zupfe ich an meiner Krawatte. Diese verdammte Hitze! „… auch wenn ich schon wandelte im finsteren Tal …“ Bla-bla-bla. Opa wandelt bestimmt nicht in einem finsteren Tal. Er wird zusammen mit seiner geliebten Aphrodite die Elysischen Felder erkunden und jetzt ihr und den alten Göttern auf die Nerven fallen. Opa liebte die Götter der Antike. Bei unserer schwedischen Herkunft eigentlich verwunderlich. Aber Odin, Thor, die Wanen und die Asen ließen Opa kalt. Für ihn verkörperten die griechischen Götter die Stärken und die Schwächen der Menschheit. Sie repräsentierten für ihn den Anfang und das Ende von allem. Sie waren sein Sinnbild für die lebendige Wahrheit mit tausend Gesichtern. Schlummernde Talentpakete, war einer der Begriffe, den er oft für die Götter benutzte. Welche meiner Talente muss ich unbedingt unterdrücken? Tickt in mir eine archaische Zeitbombe? Opa war ein glücklicher Mensch. Verstohlen wische ich mir Tränen aus den Augen, was Dominique, einer meiner Cousins, der in der Kirche neben mir sitzt, sofort bemerkt und mich angafft. Für den Zwölfjährigen war Opa ein alter Kauz mit komischen Geschichten, das zumindest verriet mir Dominique bevor die Abdankung begann. Ich vermisse Opa. Seit ich denken kann, hing ich an seinen Lippen, wenn er von seinen Freunden und Kumpels auf dem Olymp erzählte. Als ich klein war, glaubte ich ihm jedes einzelne Wort, doch das ist heute natürlich anders. Immerhin bin ich jetzt achtzehn und weiß, wie die Welt funktioniert. Alte Götter spielen darin keine Rolle. Oma erzählte meinen Eltern, dass Opa nach meinem plötzlichen Aufbruch an jenem Tag, einen kurzen Mittagsschlaf hielt und danach mit einer fremden, dunkelhaarigen Frau, die beim Gartenzaun auftauchte, intensiv diskutierte. Als Oma ihn laut sprechen hörte, es klang bedrohlich, wollte sie nachsehen, doch da habe Opa schon wieder schallend gelacht. Er drehte sich Oma lachend zu, fiel um und war auf der Stelle tot. Einfach so. Erneut kullern mir Tränen über meine Wangen. Da mich Dominique beobachtet, tue ich so, als ob ich niesen müsste und wische mir mit meinen Händen das Gesicht trocken. Ich will nicht heulen – nicht vor Zeugen. Opa habe ich viel zu verdanken. Einiges davon macht mich stolz, anderes nicht so. Auch meinen Namen habe ich Opa zu verdanken. Ich sei genauso schön, so eingebildet und so eigenbrötlerisch wie mein Namensgeber, betonte er oft. Da ich auf den Tag neun Jahre jünger als meine ältere Schwester bin, überredete Opa meine Eltern dazu, mich nach dem Sonnengott der Antike zu benennen. Auch den echten Apollon trennten neun Tage – bei mir sind es allerdings neun Jahre! – von seiner Zwillingsschwester Artemis. Als Kind wurde ich wegen meinem Namen gehänselt. Natürlich nie im Zusammenhang mit einem geheimnisvollen Sonnengott, sondern immer wegen den Mondmissionen – von wegen hinter dem Mond und so! Ich gähne und strecke meine Arme so, dass ich mit den Ärmeln neue Tränen wegwischen kann. Warum beobachtet Dominique mich und nicht, wie alle anderen auch, den Priester hinter dem offenen Sarg? In einer Predigerpause bekommen wir Familienmitglieder und Opas Freunde die Gelegenheit ein paar Abschiedsworte zu sprechen. Oma ist zu schwach dazu, meine Eltern zu feige und ich habe nichts vorbereitet. Da erhebt sich als erster ein hellblonder Riese einige Reihen vor mir. Weil ich erneut mit allen möglichen Tricks beschäftigt bin, meine Trauer vor meinem Beobachter zu verbergen, sehe ich erst auf, als der Mann zu reden beginnt. „Opa nannte mich seinen Helden“, eröffnet der Typ seine Laudatio. „Wer ist das?“, flüstere ich zu Dominique. „Das?“, sieht er mich verwundert an. „Das ist der verrückte Martin aus Hollywood“, tuschelt er mit verdrehten Augen und tippt sich dabei, alles andere als verstohlen, mit seinem rechten Zeigefinger an die Schläfe. „Der tickt nicht ganz richtig! Den solltest du meiden! Echt, er ist der totale Versager!“ „Das ist Cousin Martin?“ Sofort fasziniert mich dieser Typ. Natürlich hörte ich schon Geschichten über ihn. Er ist der Exote der Familie. Martin wanderte mit achtzehn aus. Das war vor knapp zwölf Jahren. Er trägt einen Maßanzug. Alles an ihm wirkt elegant und strahlt diesen bescheidenen Luxus aus, den sich nur Leute leisten können, die Geschmack und Geld haben. Das soll ein Versager sein? Martin ist ein Riese. Vielleicht trägt Martin auch nur sein Haupt stolz dem Himmel zugewandt, statt sich zum Staub und der Asche hinunter zu beugen, von der der Priester predigte. Martin gefällt mir sofort. „Ohne Opa hätte ich niemals den Schritt über den Ozean gewagt, um meine Träume zu verwirklichen“, fährt Cousin Martin fort und sieht dabei so zärtlich auf Opas totes Gesicht, dass ich mich einmal mehr gähnend strecken muss. „Leider verpasste mir Opa keinen so exotischen Namen, wie einigen meiner jüngeren Cousins“, dabei sieht Martin erst mich an, dann die kleine Selene, ihre Schwester Eos und zum Schluss noch Helena. Wer denkt bei Selene schon an eine Mondgöttin, bei Eos an die Morgenröte oder bei Helena an die Frau, die den Trojanischen Krieg auslöste? „Für Opa war jeder ein Held, der nicht dem gängigen Durchschnitt entsprach oder Dinge tat, die nicht den üblichen Gepflogenheiten entsprachen“, fährt Cousin Martin fort. Da bei seinen Worten viele zu tuscheln beginnen, kickt mich auch Dominique an und wiederholt seine Geste von vorhin. „Junger Held, fingen meist Opas Geschichten an“, sieht sich Cousin Martin unter unseren Verwandten um. Ich folge seinen Blicken. Nur wenige nicken wissend. „Götter tauchen in Verkleidung auf! Das lehrte mich Opa. Aber Opa“, spricht Martin die letzten Worte mit Kinderstimme, „Götter sind doch nichts weiter als Fantasiegespinste.“ Martin lacht. „Dieser Trick funktionierte immer und Opa holte zu seinen Monologen über die Götter aus. Er war ein wanderndes Lexikon.“ Erneut nicken nur ganz wenige. Ich bin einer davon. „Fantasie ist unser größtes Göttergeschenk. Junger Held“, spricht Martin jetzt mit tieferer Stimme und mit starkem, schwedischen Akzent, um Opa zu mimen. „Deine eigenen Erfahrungen werden dich zu dem machen, was du sein könntest. Nutze deine Fantasie, um Weisheit zu finden. Benutze die Weisheit, um dir die Tore zur Liebe zu öffnen. Liebe lässt den Gott in dir erwachen. Opa ist immer der Liebe gefolgt. Jetzt ist er bei seinen Göttern. Gute Weiterreise, Opa!“ Damit beendet Cousin Martin seine Abschiedsworte. Zwei von Opas Freunden loben danach die Geselligkeit des Verstorbenen und sein ansteckendes Lachen. Immer wieder muss ich gähnen und würde gerne den Platz wechseln, weil Dominique einfach nicht aufhören kann, mich anzustarren. Die nächsten drei Laudatio sind langweilig, deshalb schließe ich meine Augen um zu träumen. Erst das Klackern von Stöckelschuhen weckt wieder meine Aufmerksamkeit. Drei Frauen, jede von ihnen in auffälliger Trauerkleidung, stolzieren nach vorne zum Sarg. Aller Blicke haften an ihnen. Jede der Frauen könnte Dreißig, Sechzig aber auch ohne weiteres tausend Jahre alt sein. Jede ist irgendwie vermummt. Die erste trägt eine Ledermaske, die nur...




