Sands Vampir zu verschenken
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8025-8950-8
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 13, 350 Seiten
Reihe: Argeneau
ISBN: 978-3-8025-8950-8
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die kanadische Autorin Lynsay Sands hat zahlreiche zeitgenössische und historische Romane verfasst. Sie studierte Psychologie, liest gern Horror und Liebesromane und ist der Ansicht, dass ein wenig Humor "in allen Lebenslagen hilft". Mit der Argeneau-Serie gelang ihr der große internationale Durchbruch.
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2 Ein Fluch aus Richtung Flur ließ Eshe ihren Kopf in diese Richtung drehen. Und so erblickte sie Armand, der in der Tür stand und eine wütende Miene aufgesetzt hatte, die jedoch im nächsten Moment zermürbter Resignation wich. »Was ist passiert?«, fragte er frustriert. »Dein Haus ist nicht so leer, wie du behauptet hast«, antwortete Lucian grimmig. Leicht verärgert erklärte Armand: »Das ist Paul Williams, der sich tagsüber um die Farm kümmert. Ich bin davon ausgegangen, dass er nach dem Anruf gleich wieder in die Scheune zurückgehen würde. Aber offenbar hat er sich hier hingesetzt und auf mich gewartet. Dummerweise bin ich direkt zur Scheune gefahren. Nachdem ich jedoch festgestellt hatte, dass er dort nicht war, bin ich sofort hergekommen – und da bin ich nun.« Er hielt inne und musterte den Mann. »Aber warum hat er euch angegriffen?« »Wir haben nicht bemerkt, dass er am Tisch saß. Ich wollte die Blutbeutel in den Kühlschrank räumen, Eshe hat ihre Fangzähne ausgefahren und einen Beutel getrunken, und in dem Moment hat er sie pfählen wollen«, berichtete Lucian. »Obwohl er genau genommen keinen Pflock zur Hand hatte, weshalb er zu einem Messer greifen musste«, fügte er korrigierend hinzu. Eshe machte einen Schritt zur Seite, damit sie sich den Sterblichen genauer ansehen konnte, der sie hatte angreifen wollen. Sie zog den leeren Blutbeutel von ihren Zähnen und betrachtete interessiert das große Fleischermesser in seiner rechten Hand. Damit hätte er sie zwar nicht töten können, aber wäre es ihm gelungen, auf sie einzustechen, bevor Lucian ihn aufhalten konnte, dann wäre das zumindest eine schmerzhafte Angelegenheit geworden. »Sympathischer Typ«, meinte sie. Armands Blick wanderte von der langen Klinge zu Lucian. »Du hast ihn nicht bemerkt?«, fragte er ungläubig. »Wie zum Teufel war das möglich?« »Das Licht ist aus«, machte Lucian ihm gereizt klar. »Sterbliche sitzen für gewöhnlich nicht im Dunkeln herum, also bin ich davon ausgegangen, dass sich niemand hier aufhält. Deshalb habe ich auch nicht zum Tisch gesehen, und außerdem war ich mit Eshe in eine Unterhaltung vertieft.« Mit finsterem Blick schüttelte er den Kopf. Dann konzentrierte er sich auf den Sterblichen, der noch immer in seinem Griff hing. »Er ist seit Anfang des Sommers hier, und du hast ihm nichts von uns gesagt?«, fragte er stirnrunzelnd. »Natürlich nicht. Er ist ein guter Arbeiter«, entgegnete Armand aufgebracht und fuhr sich durchs Haar. Als Lucian ihn weiter nur fragend ansah, stöhnte er leise auf. »Hast du jemals auch nur versucht, einen Sterblichen in unsere Welt einzuweihen?« Er ließ Lucian keine Gelegenheit für eine Antwort, sondern schnalzte wütend mit der Zunge. »Natürlich nicht, denn du umgibst dich ja nur mit deinesgleichen.« »Das macht das Leben einfacher«, rechtfertigte sich Lucian mit einem Schulterzucken. »Mag sein, aber einige von uns benötigen Sterbliche, die für uns bei Sonnenschein aus dem Haus gehen können, ohne dass wir die doppelte Menge Blutkonserven dafür verbrauchen müssen. Lass dir eins gesagt sein: Es ist nicht leicht, Sterblichen etwas über uns zu erzählen. In neun von zehn Fällen nehmen sie es nicht besonders gut auf, und dann bin ich gezwungen, ihre Erinnerung zu verändern und sie wegzuschicken.« Er stieß aufgebracht den Atem aus. »Es ist einfach nervtötend. Du sagst ihnen, du bist ein Vampir, und sie meinen, du machst Witze. Du zeigst ihnen die Fangzähne, damit sie es glauben, und sie machen sich vor Angst in die Hose oder greifen nach irgendwas, das sie als Waffe benutzen können. Du nimmst ihnen die Waffe weg und erklärst ihnen, dass es nicht so ist, wie sie glauben. Wir sind keine seelenlosen Toten, unser Vampirismus hat wissenschaftlichen Charakter. Unsere Vorfahren kamen aus Atlantis, und sie waren noch höher entwickelt, als es der Mythos besagt. Sie entwickelten Nanos, die in den Körper injiziert werden, um Verletzungen zu heilen und Krankheiten zu bekämpfen, nur dass mehr Blut benötigt wird, als der eigene Körper produzieren kann, also muss zusätzlich Blut von außen zugeführt werden.« Schnaubend fügte er hinzu: »Und nicht zu vergessen, die Nanos sehen das Altern auch als eine Krankheit an, die bekämpft werden muss, was wiederum zur Folge hat, dass ihre Wirtskörper jung und knackig bleiben … bis in alle Ewigkeit.« Er verzog den Mund. »Wie gesagt, in neun von zehn Fällen nehmen sie es nicht gut auf, und ich muss ihre Erinnerung an meine Ausführungen löschen und sie wegschicken.« Sein Blick kehrte zu dem Mann zurück, der von Lucian noch immer in der Luft gehalten wurde. »Paul kann gut anpacken, und er ist ein exzellenter Verwalter. Aber er ist von Natur aus eher autoritär, was mich vermuten lässt, dass er zu den neun Normalfällen gehört, aber nicht die eine Ausnahme darstellt. Ich will keinen anderen Verwalter, darum habe ich es bislang immer vor mir hergeschoben, ihm die Wahrheit zu sagen.« »Dein Instinkt trügt dich nicht«, stellte Lucian fest, während er dem Sterblichen das Messer aus der Hand nahm. »Gemessen an dem, was ich bislang in seinen Gedanken gefunden habe, wirst du Mr Williams’ Erinnerung löschen und ihn wegschicken müssen.« »Das habe ich befürchtet«, grummelte Armand verärgert. »Und ich schätze, das muss jetzt sofort geschehen.« Hierzu äußerte sich Lucian nicht, aber offenbar war das auch gar nicht nötig, wie Eshe vermutete. Das Ausmaß an Angst, das der Mann durchlebt haben musste, dass er keine andere Lösung sah, als mit einem Messer auf sie loszugehen, obwohl sie ihm gar nichts getan hatte, sprach eine deutliche Sprache. Pauls Erinnerung musste gelöscht werden und auf immer gelöscht bleiben, und er durfte weder sie noch Lucian jemals wiedersehen. Vermutlich würde allein der Anblick dieser Küche genügen, um seine Erinnerung wieder an die Oberfläche kommen zu lassen. Unter Umständen reichte es dafür sogar schon, wenn er Armand so wie jetzt in einer offenen Tür stehen sah. Nein, Paul Williams musste diese Farm verlassen, damit die Erinnerung an das Erlebte niemals wieder geweckt werden konnte. »Ich kümmere mich um Mr Williams«, erklärte Lucian. »Du hast genug mit deiner kalbenden Kuh zu tun.« Armand zögerte, dann nickte er finster. »Paul hat in dem kleinen Gästehaus hinter dem Hauptgebäude sein Quartier gehabt. Die Möbel bleiben hier, alles andere gehört ihm und muss auf seinen Pick-up geladen werden. Ich werde ihm einen Scheck über eine großzügige Abfindung ausstellen und ihn auf dem Weg zur Scheune zum Gästehaus bringen.« »Räum das restliche Blut weg«, sagte Lucian zu Eshe. »Danach kommst du rüber zum Gästehaus.« Eshe nickte, blieb jedoch reglos stehen und sah zu, wie Armand sich umwandte und durch den Flur davonging. Kaum war er weg, wandte sich Lucian wieder an sie: »Wenn er zurückkommt, will ich, dass du versuchst ihn zu lesen.« Eshe legte die Stirn in Falten, doch Lucian verließ ohne ein weiteres Wort zusammen mit dem nunmehrigen Ex-Verwalter die Küche. Sie ging um die Kücheninsel herum und führte die Arbeit zu Ende, die Lucian begonnen hatte, indem sie die Blutkonserven aus der Kühlbox in den fast leeren Kühlschrank umräumte. Sie erledigte diese Aufgabe zügig, da sie zum Gästehaus wollte, um den Verwalter so schnell wie möglich wegzuschicken und sich dann ihrem eigentlichen Job zu widmen. Eshe war bereits seit einer Weile als Vollstreckerin tätig, sie jagte abtrünnige Vampire, spürte deren Nester auf und hob sie aus, um dann die Gefangenen zur Urteilssprechung vor den Rat zu bringen. Allerdings gab es auch schon mal den ein oder anderen Fall, dass ein Abtrünniger bereits verurteilt worden war und sich niemand die Mühe machen musste, ihn erst noch vor den Rat zu bringen – ob tot oder lebendig. Diese Jobs liefen in der Regel mit geringem Zeitaufwand und großer Brutalität ab. Aber das hier war eine ganz andere Sache. Hier war Köpfchen gefragt, nicht so sehr Muskelkraft. Sie musste sich Zeit nehmen, die richtigen Fragen stellen und den richtigen Fährten folgen. Dabei hoffte sie, die Antworten zu finden, die für alle Beteiligten die geringsten Schmerzen nach sich zogen. Andererseits wollte sie aber auch nicht versagen, indem sie keinerlei Antworten fand oder aber solche, die niemand hören wollte und die die Hinrichtung von Nicholas Argeneau nach sich ziehen würden. Armand gab der Kuh einen aufmunternden Klaps auf die Seite, während sie damit beschäftigt war, ihr Junges sauber zu lecken. Es überraschte ihn, dass sie die Energie dafür aufbrachte, hatte sie doch gerade erst eine anstrengende Geburt hinter sich gebracht. Das Kalb hatte sich im Mutterleib gedreht und sich dabei in der Nabelschnur verheddert. Eine Weile war er fest davon überzeugt gewesen, nicht mehr zeitig eingreifen zu können, um das Kalb zu retten, und zwischendurch hatte es Augenblicke gegeben, da sah es so aus, als würde das Muttertier ebenfalls nicht überleben, doch am Ende war alles doch noch gut ausgegangen. Er richtete sich auf und zog die Gummihandschuhe aus, die er getragen hatte, um das Jungtier in die richtige Position zu bringen. Beim Blick auf die Armbanduhr stellte er fest, dass es erst kurz nach Mitternacht war. Seit seiner Rückkehr in die Scheune waren vielleicht zwei Stunden vergangen, doch er hatte das Gefühl, mindestens doppelt so lange bei der kalbenden Kuh ausgeharrt zu haben. Eigentlich hatte er fest damit gerechnet, beim Verlassen der Scheune bereits die beginnende Morgenröte zu sehen. Stattdessen begrüßte ihn der nächtliche Sternenhimmel. Sein Blick wanderte als...