Scarrow Die Garde
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-641-07622-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 11, 544 Seiten
Reihe: Rom-Serie
ISBN: 978-3-641-07622-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Rom im Jahre 50 n. Chr.: Intrigen sind an der Tagesordnung, ein mysteriöser Geheimbund scheint alle Schaltzentralen der Macht unterwandert zu haben. Die Drahtzieher gehören offenbar zu den kampferprobten Prätorianern, der Leibgarde des Kaisers. Allein zwei mutigen Männern, die dem Imperium bis in den Tod treu ergeben sind, gelingt es, sich in die Prätorianergarde einzuschleusen: Präfekt Cato und Centurio Macro. Doch dann bringt sie ein alter Feind in Gefahr und die beiden müssen erneut zu den Waffen greifen.
Simon Scarrow wurde in Nigeria geboren und wuchs in England auf. Nach seinem Studium arbeitete er viele Jahre als Dozent für Geschichte an der Universität von Norfolk, eine Tätigkeit, die er aufgrund des großen Erfolgs seiner Romane nur widerwillig und aus Zeitgründen einstellen musste.
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kapitel 2
Ostia, Januar, 51 n. Chr.
Das aufgewühlte Meer war grau, außer an den Stellen, wo der heftige Wind weiße Gischtfetzen von den gegen die Küste anrollenden Wellenkämmen riss. Der Himmel war von niedrigen Wolken verhangen, die sich ohne Unterbrechung bis zum Horizont erstreckten. Ein kalter Nieselregen machte die Szene noch deprimierender, und Centurio Macro klebte das dunkle Haar nass am Kopf, als er den Blick über die Hafenstadt wandern ließ. Ostia hatte sich sehr verändert, seit er zum letzten Mal hier gewesen war, nämlich ein paar Jahre zuvor bei seiner Rückkehr vom Feldzug in Britannien. Damals war der Hafen eine ungeschützte Anlegestelle gewesen. Passagiere auf dem Weg nach Rom, das von der Mündung des Flusses Tiber aus zwanzig Meilen landeinwärts lag, hatten hier das Schiff gewechselt, und der Hafen war ein Umschlagplatz für allerlei Waren gewesen. Ein paar aus Holzbalken errichtete Piers hatten vom Ufer aus ins Wasser hineingeragt und Platz für das Entladen der Importe geboten, die aus allen Teilen des Reiches kamen. Ein etwas kleinerer Strom von Exporten verließ Italien in Richtung der von Rom regierten fernen Provinzen.
Jetzt wurden am Hafen gewaltige Umbaumaßnahmen durchgeführt, angeordnet vom Kaiser, der mit diesen und ähnlichen Mitteln den Handel fördern wollte. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger gab Claudius öffentliche Gelder lieber zum Wohle der Allgemeinheit als für absurden Luxus aus. Zwei lange Molen befanden sich im Bau und umfingen das Wasser des neuen Hafens wie mit Titanenarmen. Die Arbeiten gingen ohne Unterbrechung durch alle Jahreszeiten weiter, und Macros Blick ruhte kurz auf den elenden, aneinandergeketteten Sklaventrupps, die Steinblöcke auf hölzernen Rollen zum Ende der Molen beförderten, wo sie ins Meer geworfen wurden. Steinblock um Steinblock errichtete man einen Wall, der eine sichere Entladung gewährleisten sollte. Weiter draußen, jenseits der Molen, stand der Wellenbrecher. Der Wirt des Gasthauses, in dem Macro und sein Freund Cato abgestiegen waren, hatte ihnen erzählt, dass eines der größten Schiffe, die man jemals gebaut hatte, mit Steinen beladen versenkt worden war und das Fundament des Wellenbrechers bildete. Weitere Steinblöcke waren auf den Schiffsrumpf geworfen worden, bis der Wellenbrecher fertig war, und jetzt befand sich dort ein Leuchtturm im Bau, dessen untere Geschosse bereits standen. Macro konnte mit Mühe die winzigen Gestalten der Bauleute auf dem Gerüst erkennen, die dort schufteten und gerade eine neue Lage Steine aufmauerten.
»Besser die als ich«, murmelte Macro und zog sich den Umhang enger um die Schultern.
Seit zwei Monaten ging er nun jeden Morgen am Strand entlang und schenkte den Fortschritten der Bauarbeiten dabei immer weniger Beachtung. Wie in so vielen Hafenstädten gab es auch hier in der Nähe der Kais zahlreiche lärmende Kneipen, in denen man den frisch entlohnten Matrosen am Ende einer Fahrt das Geld aus der Tasche zog. Den größten Teil des Jahres wären hier genug interessante Leute zu finden gewesen, mit denen Macro einen Becher Wein hätte trinken und ein paar Geschichten austauschen können. Doch in den Wintermonaten stachen nur wenige Schiffe in See, und so lag der Hafen still da, und die Kneipen wurden nur von einer Handvoll Trinkfreudiger bevölkert. Anfangs war Cato gerne bereit gewesen, ihm bei ein paar Bechern heißem Wein Gesellschaft zu leisten, aber der junge Mann grübelte darüber nach, dass die Frau, die er heiraten wollte, sich nur einen Tagesmarsch entfernt in Rom befand. Die Befehle, die sie aus dem Kaiserpalast erhalten hatten, verboten Cato strengstens, sie aufzusuchen oder sie auch nur wissen zu lassen, dass er sich in Ostia aufhielt. Macro zeigte Mitgefühl für seinen Freund. Es war beinahe ein Jahr vergangen, seit Cato Julia zum letzten Mal gesehen hatte.
Bevor sie in der Hafenstadt eintrafen, hatten Macro und Cato in Ägypten gedient, wo Cato gezwungen gewesen war, das Kommando über ein letztes Aufgebot von Soldaten zu übernehmen, um einen Angriff der Nubier zurückzuschlagen. Es war gerade noch einmal gut gegangen, sagte sich Macro. Sie waren in der Erwartung nach Italien zurückgekehrt, für ihre Anstrengungen belohnt zu werden. Cato hatte sich die Bestätigung seiner Ernennung zum Präfekten reichlich verdient, und Macro war eigentlich versprochen gewesen, die Legion, in der er eingesetzt würde, frei auswählen zu können. Stattdessen hatte man sie, nachdem sie dem kaiserlichen Sekretär Narcissus auf der Insel Capreae Bericht erstattet hatten, nach Ostia geschickt, um dort auf Befehle zu warten. Eine neue Verschwörung zur Entmachtung des Kaisers war aufgedeckt worden, und der kaiserliche Sekretär brauchte Macros und Catos Hilfe, um der Bedrohung zu begegnen. Die Befehle, die sie von Narcissus erhalten hatten, waren eindeutig. Sie sollten unter falschem Namen in der Taverne in Ostia bleiben, bis sie weitere Anweisungen erhielten. Der Wirt war ein freigelassener Sklave, der in Rom im Kaiserpalast gearbeitet hatte, bis man ihn mit seiner Freiheit und einer kleinen Zuwendung belohnt hatte, die ausgereicht hatte, um die Kaschemme zu eröffnen. Er erhielt vom kaiserlichen Sekretär den Auftrag, sich um die beiden Gäste zu kümmern und keine Fragen zu stellen. Es war entscheidend, dass ihre Anwesenheit niemandem in Rom bekannt wurde. Narcissus hatte Julia Sempronia nicht ausdrücklich erwähnen müssen. Cato hatte sehr wohl verstanden, was er meinte, und seine Enttäuschung die ersten paar Tage im Zaum gehalten. Doch dann wurde aus den Tagen ein Monat, schließlich zwei, und noch immer war von Narcissus keine Nachricht eingetroffen. Der Geduldsfaden des jungen Offiziers war zum Zerreißen gespannt.
Die einzige Information, die Narcissus ihnen gegeben hatte, lautete, dass die Intrige gegen den Kaiser von einer geheimen Organisation von Verschwörern ausging, die die Macht an den Senat zurückgeben wollten. Demselben Senat, der nach der Ermordung Julius Caesars daran schuld gewesen war, dass die Republik in einen jahrzehntelangen blutigen Bürgerkrieg versunken war, dachte Macro erbittert. Den Senatoren durfte man keine Macht in die Hände geben. Sie neigten zu politischen Tricksereien und achteten kaum auf die Folgen ihrer Machtspielchen. Natürlich gab es ein paar ehrenwerte Ausnahmen, überlegte Macro. Männer wie Julias Vater Sempronius und Vespasian, der den Befehl über die Zweite Legion geführt hatte, in der Macro und Cato während des Britannienfeldzugs gedient hatten. Beide waren gute Leute.
Macro widmete einen letzten Blick den Sklaven, die auf dem Wellenbrecher arbeiteten, und schlug die Kapuze seines Militärumhangs hoch. Er drehte sich um und ging über den Küstenweg zur Hafenstadt zurück. Auch hier waren viele Hinweise auf den neuen Entwicklungsschub in Ostia zu sehen; hinter dem neuen Kai waren mehrere große Lagerhäuser aus dem Boden geschossen, und dort, wo das alte Hafenviertel niedergerissen worden war, um Platz für die neuen Projekte zu schaffen, waren weitere Lagerhallen im Bau. Macro konnte sehen, dass bei Beendigung der Arbeiten ein schöner, neuer Hafen entstanden sein würde. Ein weiterer Beweis für Roms Reichtum und Macht.
Der Pfad stieß auf die Straße, die zur Hafenstadt führte, und die Beschlagnägel an den Sohlen von Macros Armeestiefeln hallten auf dem gepflasterten Boden laut wider. Er nickte dem Wachtposten nur zu, als er das Stadttor passierte, denn der war klug genug, von einem Legionär keinen Stadtzoll zu verlangen. Einer der Vorteile des Soldatenlebens war die Befreiung von einigen der kleinlichen Regeln, die das Leben der Zivilisten regierten. Was nach Macros Meinung nur gerecht war, da erst die Opfer der Soldaten den Frieden und Wohlstand des Imperiums ermöglichten. Wobei er natürlich nicht an die Faulenzer dachte, die in befriedeten Zonen wie Griechenland eine ruhige Kugel schoben, und auch nicht an diese eingebildeten Arschlöcher in der Prätorianergarde. Macro runzelte die Stirn. Sie erhielten den anderthalbfachen Legionärssold, hatten aber nichts anderes zu tun, als sich gelegentlich für eine Zeremonie in Schale zu werfen und die als Feinde des Kaisers verurteilten Todeskandidaten zu beseitigen. Die Wahrscheinlichkeit, aktiv kämpfen zu müssen, war für sie gering. Macro hatte die Prätorianer allerdings einmal in Aktion gesehen, damals in Britannien während der Stippvisite des Kaisers, mit der er den Erfolg des Feldzugs für sich hatte verbuchen wollen. Damals hatten sie durchaus tapfer gekämpft, wie Macro widerwillig zugeben musste.
Die drei oder vier Stockwerke hohen Wohnblocks entlang der Straße schlossen das ohnehin matte Tageslicht noch weiter aus und tauchten den Weg ins Innere der Stadt in eine kalte Düsternis. Als er die Kreuzung erreichte, von der aus die Straßen in die anderen Viertel Ostias abgingen, bog Macro nach rechts in die Hauptstraße ein, die mitten durch die Hafenstadt führte. Dort drängten sich die Haupttempel, die vornehmsten Bäder und das Forum, als wetteiferten sie darum, welches die angesehenste Einrichtung sei. Es war Markttag, und auf der Hauptstraße wimmelte es von Händlern und städtischen Beamten, die ihren Geschäften nachgingen. Unter den wachsamen Augen einiger mit Keulen bewaffneter stämmiger Wächter schlurfte eine Reihe von Sklaven, die mit Fußfesseln aneinandergekettet waren, auf dem Weg zu den Käfigen des Sklavenmarkts am Straßenrand entlang. Macro passierte das Forum, das sich zu beiden Seiten der Straße erstreckte, und bog dann in eine Seitenstraße ein. Dort erblickte er die eindrucksvolle Säulenfassade der Bibliothek des Menelaus, wo er mit Cato verabredet war. Die Bibliothek war Ostia von einem freigelassenen griechischen Sklaven geschenkt worden, der sein Vermögen mit der Einfuhr von Olivenöl...