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E-Book, Deutsch, 240 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 205 mm, Gewicht: 384 g

Schäfer Mainhattan-Blues


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-942921-97-8
Verlag: Societäts-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

E-Book, Deutsch, 240 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 205 mm, Gewicht: 384 g

ISBN: 978-3-942921-97-8
Verlag: Societäts-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Am Mainufer wird eine Prostituierte ermordet aufgefunden. Der Täter hat an der Leiche seine spezielle 'Unterschrift' hinterlassen - Merkmale, die Hauptkommissar Thomas Bach an die Untaten des verurteilten Serienmörders Frank Hoppe erinnern. Doch der ist seit zwei Jahren tot. Als wenige Tage später im Stadtwald eine ähnlich zugerichtete Frauenleiche gefunden wird, ist für den Kommissar klar: In Frankfurt ist wieder ein Psychopath unterwegs. Für Bach ist es zunächst ein Fall voller Rätsel. Wer kannte die Details von Hoppes Verbrechen? Bach und sein Kollege Stefan Bauer arbeiten sich in ein Beziehungsgeflecht ein, in dessen Zentrum sie eine überraschende Entdeckung machen ...

Andreas Schäfer, Jahrgang 1968, ist Polizeihauptkommissar beim Polizeipräsidium Frankfurt am Main und versieht seit über einem Jahrzehnt Dienst in der Mainmetropole. In den letzten Jahren war er als Zivilfahnder im Rotlichtmilieu am Hauptbahnhof im Einsatz. Im Societäts-Verlag sind von ihm bis jetzt 'Mainhattan Blues' (2003), 'Mainhattan Ice' (2005) und 'Mainhattan Hearts' (2009) erschienen.
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Prolog


Feuchter Dezemberschnee fiel in dicken Flocken vom Frankfurter Nachthimmel. Nur die Lichtkegel der Straßenlaternen und die grellen Leuchtreklamen der Billigboutiquen und Rotlichtshops durchschnitten das Schneetreiben. Eine Autoschlange quälte sich zäh die Kaiserstraße entlang – Gaffer auf dem Nachhauseweg, die noch rasch einen Blick auf den Frankfurter Straßenstrich werfen wollten.
Sie kam aus der Eingangstür einer Absteige in der Moselstraße. Sofort fröstelte es sie, und sie zog sich ihren Kunstledermantel eng um die Schultern. Sie sah lustlos in das Schneetreiben. Wie unschuldige Seelen auf dem Weg ins Paradies, dachte sie plötzlich. Doch dass die weißen Flocken sofort mit dem dreckigen Schneematsch verschmolzen, fiel ihr nicht auf. Mit einer fahrigen Bewegung strich sie sich eine dunkle Strähne aus dem Gesicht, griff in ihre Handtasche und nestelte Zigaretten und ein Feuerzeug heraus. Der letzte Freier war in Ordnung gewesen. Ein blauer Schein für ein paar Minuten Sehnsucht. Noch so einer, und sie konnte diese Weihnachten mit viel Dope und wenig Stress feiern. Nur mit wem? Sie versuchte, durch die beschlagenen Autofenster ein Gesicht zu erkennen, als plötzlich eine Faust ihren Magen packte und das Verlangen nach einem Schuss Heroin sie wie ein Krampf krallte. Rasch riss sie eine Zigarette aus der Schachtel und steckte sie an. An einer Ecke blieb sie stehen und sah durch das Schneetreiben zur erleuchteten Halle des Hauptbahnhofes hinüber. Müde Männer in Wintermänteln und mit Aktentaschen liefen mit eisigen Mienen an ihr vorbei. Ein Zeitungsverkäufer hielt eine Ausgabe des Frankfurter Express hoch, ohne den Strom der Abendpendler auf ihrem Weg zum Bahnhof unterbrechen zu können. Als er sie erkannte, lächelte er sie an:
„Hallo Michaela, schöne Weihnachten, hier, für Dich!“ Sie nahm die Zeitung und bedankte sich bei dem Inder:
„Danke, schöne Weihnachten!“
Beim Weitergehen nahm sie einen tiefen Zug Nikotin und schlug dann die Zeitung auf. Überall Weihnachtsmänner, Politikermärchen und viel Werbung. Sie ging weiter und überlegte sich, ob sie vielleicht doch besser mit dem letzten Freier nach Bad Homburg gefahren wäre. Seine Einladung klang nett, aber warum sollte sie sich Gefühle leisten?
Der Anblick des hell erleuchteten Hauptbahnhofes faszinierte Frank Hoppe immer wieder. Auch das Schneetreiben konnte den Glanz des erleuchteten Portals nicht trüben. Sein Benz schien im Matsch der Kaiserstraße zu schwimmen. Er lenkte leicht dagegen, dann konzentrierte er sich wieder auf die Gestalten am Straßenrand. Aus dem Autoradio erklang „Jingle Bells“ und er musste kalt lächeln, als er einen Weihnachtsmann sah, der vor dem Eingang der Kaufhalle Werbegeschenke an Kinder verteilte. Hoppe wäre zu gern ausgestiegen und hätte die Rolle des Weihnachtsmannes übernommen. Auch nur ein einziges Lächeln aus den unschuldigen Augen dieser Wesen hätte ihm eine enorme Kraft gegeben. Seine Lederhandschuhe umfassten fester den Schalthebel des Sechszylinders, und er schaltete einen Gang herunter, als er die Einmündung zur Moselstraße erreicht hatte. Die Ampel sprang auf Rot und er brachte den Mercedes direkt vor der Ampel zum Stehen. Als sie vor ihm die Straße überquerte und ihn durch die Scheibe anlächelte, wusste er, dass sie heute die Auserwählte war. Auf dem Bürgersteig blieb sie stehen, steckte eine Zeitung in ihre Manteltasche und warf ihre Zigarettenkippe in den Rinnstein. Dann taxierte sie mit wenigen Blicken ihn und sein Auto. Mercedes Benz, solide Erscheinung, sagten ihre Augen. Er fuhr rechts ran und winkte ihr. Sie kam zu ihm, strich sich ihre feuchten, dunklen Strähnen zurück und lächelte ihn an. Frank Hoppe lächelte kalt zurück.
Als sie die Beifahrertür des Benz öffnete und seinen scheuen Blick sah, wusste sie sofort, dass sie einen neuen Freier gefunden hatte. „Schöne Weihnachten, wohin geht’s heute Abend noch?“, fragte sie schelmisch lächelnd.
„Steig ein, es ist scheißkalt“, erwiderte er.
Ohne zu überlegen stieg sie ein. War es seine Stimme, der sie nicht widerstehen konnte? Oder der Krampf in ihrem Bauch, der sie nach vorne schob?
Sie schlug die Tür zu. Sofort fuhr er los und bog nach rechts in die Moselstraße ab. Sie drehte ihren Kopf zu ihm hin und lächelte ihn an. Es klappte immer. Die Freier umschwärmten sie wie die Motten das Licht, gingen ihr auf den Leim, ich bin der Star zwischen Elbe und Weserstraße, dachte sie. Ein blauer Schein war bestimmt wieder drin. Und dann war Weihnachten gerettet. Doch bevor sie etwas sagen konnte, nahm er drei Hunderter aus dem Ablagefach der Fahrertür, warf sie in den Fußraum unterhalb von ihr und sagte teilnahmslos: „Zieh Deinen Slip aus.“ Unser grauer Opel Ascona schob sich durch den Schneematsch auf der Kaiserstraße und hielt schließlich direkt hinter einem dunklen Benz an der Kreuzung zur Moselstraße. Ich lehnte mich auf dem Beifahrersitz zurück und nippte an meinem Pappbecher. Der schwarze Kaffee schmeckte zwar stark und bitter, hatte aber keine Chance gegen die Müdigkeit, die mir seit Stunden an den Augenlidern hing. Eine Langbeinige mit Ledermantel und hochhackigen Stiefeln stelzte über die Fußgängerampel durch den Schneematsch und lächelte den Benzfahrer an.
„Hey, die kann doch mal bei uns mitfahren ....“, fing Rainer, mein Partner, an.
„Nicht schon wieder ...“, brummte ich, nahm den letzten Schluck von dem bitteren Kaffee und träumte weiter von Heiligabend im letzten Jahr. Dann hob ich die schwere Lederjacke an, schob das Holster mit der Sig Sauer Pistole an der Hüfte nach hinten und versuchte, mit offenen Augen einzuschlafen. Als das nicht ging, zerknüllte ich den leeren Pappbecher, warf ihn auf die Rücksitzbank und sah aus dem Beifahrerfenster hinaus.
„Hey, die Alte steigt ein...“, nervte Rainer. Sein „Hey“ verfolgte mich manchmal schon im Schlaf. Als ich nach vorne sah, konnte ich noch einen Stiefel sehen, der auf der Beifahrerseite im Benz verschwand. Es war eine Szene, die ich schon tausend Mal beobachtet hatte, und ich ließ mich wieder in meinen Tagtraum zurück gleiten. Dort lächelte mich Angela an, es war Weihnachten, und Sandra saß mit großen Augen vor dem Weihnachtsbaum und packte ihre Geschenke aus. Ich fragte mich manchmal, ob mein Leben anders wäre, wenn ich letztes Jahr keinen Sonderdienst an Heiligabend geschoben hätte. Nun war es schon drei Monate her, seit Angela mit Sandra ausgezogen war. Insofern ging es mir nicht anders als vielen anderen Kollegen, die nach einigen Jahren wieder zwangsweise die Steuerklasse wechseln mussten.
„Check doch mal die Nummer...“, holte mich Rainer in die Realität zurück. Die Ampel zeigte mittlerweile grün und der Benz bog nach rechts in die Moselstraße ab. Ich nahm das Mikro aus der Halterung und gab das Kennzeichen des Wagens an die Einsatzzentrale durch, um den Fahrzeughalter überprüfen zu lassen. Rainer fuhr hinterher. Von der Taunusstraße bogen wir nach links in Richtung Friedensbrücke ab und fuhren am erleuchteten Hauptportal des Hauptbahnhofes vorbei. Einige Passanten hetzten bei Rot über die Fußgängerfurt am Bahnhofsvorplatz, und Rainer fuhr Slalom zwischen ihnen durch, um Anschluss an den Daimler zu halten. Seit Wochen lief unsere Fahndung, ohne jeden Erfolg. Der Frankfurter Express nannte ihn mittlerweile den „Main Ripper“ und brachte jeden Tag genüsslich ein paar neue Schlagzeilen über seine Mordserie. Kurz nach der Wende hatte es angefangen und obwohl seit einiger Zeit die Fahndung auf Hochtouren lief, gab es bislang keine einzige Spur. Zuletzt hatte er eine Prostituierte vom Straßenstrich umgebracht, und seitdem fuhren wir fast jeden Abend durch das Bahnhofsgebiet und an der Messe entlang, ohne große Hoffnung, wir könnten durch Laufarbeit auf den entscheidenden Hinweis stoßen.
„Der Halter ist negativ“, meldete sich die Einsatzzentrale, doch Rainer schüttelte den Kopf. „Das muss nichts besagen“, meinte er. Mir war es egal, wem er nachfuhr, solange er mich nicht allzu sehr bei meinen Träumen störte. Der Benz hatte die Friedensbrücke überquert und bog an der Kennedyallee nach rechts ab.
„Der fährt bestimmt mit der Nutte in den Stadtwald. Wollen wir dranbleiben?“, meldete sich Rainer wieder zu Wort. Offenbar hatte es ihm die Kleine angetan.
„Warum nicht, es ist doch Weihnachten, vielleicht können wir den Schutzengel spielen ...“, brummte ich. Hunderten von Autos waren wir so schon gefolgt, immer ohne jedes Ergebnis. Begonnen hatte es im Dezember 1989, als eine Sechzehnjährige am Niddaufer gefunden wurde. Erst sah es wie eine Beziehungstat aus, aber alle aus dem Umfeld hatten wasserdichte Alibis. Das nächste Opfer lag in einem Müllcontainer am Nordwestzentrum. Das war ein Jahr später. Erst bei der Dritten, einer Halbwüchsigen vom Straßenstrich Weserstraße, entdeckten wir die Gemeinsamkeiten. Alle Opfer waren weiblich, aus einfachen Verhältnissen. Und alle wiesen seine „Unterschrift“ auf, das individuelle Merkmal, das dieser Serienmörder an seinen Opfern hinterließ.
Der Mercedes fuhr inzwischen an der Tankstelle am Oberforsthaus vorbei, weiter in Richtung Autobahn. Mittlerweile hatte das Schneetreiben nachgelassen, nur einzelne Flöckchen fielen noch auf die Windschutzscheibe.
„Hey, meinst Du, der hat uns bemerkt?“, fragte Rainer. Sein Jagdinstinkt schien hellwach.
„Und wenn, ist mir das auch egal ...“, gab ich zurück.
„Hey, ich wäre heute Abend auch lieber daheim“, bellte Rainer zurück.
Ich holte tief Luft und lenkte ein: „Sorry, aber Du weißt doch selbst, wie oft wir schon ...“
„Nicht oft genug“, meinte Rainer und ließ den Abstand zum Benz etwas...


Andreas Schäfer, Jahrgang 1968, ist Polizeihauptkommissar beim Polizeipräsidium Frankfurt am Main und versieht seit über einem Jahrzehnt Dienst in der Mainmetropole. In den letzten Jahren war er als Zivilfahnder im Rotlichtmilieu am Hauptbahnhof im Einsatz. Im Societäts-Verlag sind von ihm bis jetzt "Mainhattan Blues" (2003), "Mainhattan Ice" (2005) und "Mainhattan Hearts" (2009) erschienen.



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