Schäfer | Mathematik und geistige Behinderung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 221 Seiten

Schäfer Mathematik und geistige Behinderung

Grundlagen für Schule und Unterricht
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-17-035222-3
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Grundlagen für Schule und Unterricht

E-Book, Deutsch, 221 Seiten

ISBN: 978-3-17-035222-3
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (FgE) gehörte der Mathematikunterricht lange nicht zum Standard. Studien zeigen aber, dass die Entwicklungsprozesse bei Schülern im FgE nicht grundsätzlich anders verlaufen, sondern meist Verzögerungen und Grenzen infolge der Behinderung aufweisen. Das Buch liefert darauf fußend eine Neuausrichtung der sonderpädagogischen Mathematikdidaktik.
Verbunden mit dem Anschluss an fachwissenschaftliche Grundlagen steht die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Schülerschaft im Zentrum des Buches. Zugleich vermittelt es Praxiswissen zum Mathematikunterricht für Schüler mit geistiger Behinderung. Das Buch eignet sich so als Grundlagenwerk für Studium und Lehrerbildung sowohl für den FgE als auch für die Grundschulpädagogik.

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3        Diagnostik und Förderplanung
      Diagnostische Erkenntnisse über den einzelnen Schüler und damit auch Schülergruppen dienen grundsätzlich der Planung und Gestaltung von Unterricht. Erst wenn die Lernausgangsbedingungen einer Klasse, der Lerngruppe und des Schülers bekannt sind, kann im Kontext zentraler Zielstellungen Unterricht geplant werden (Scherer & Moser Opitz 2012, S. 31 ff.). Anders jedoch, als dies bspw. im Grundschulunterricht der Fall ist, handelt es sich im FgE grundsätzlich um einen individuellen Planungsprozess ohne Ausrichtung an normativen Vorgaben; allein der individuelle Entwicklungsstand und der in diesem Zusammenhang denkbare Fortschritt des Schülers in einem bestimmten Zeitraum ist der Maßstab der Planungen (Schäfer 2017a). Diese Diagnosen können und dürfen jedoch wiederum keine Alltagsdiagnosen und Mutmaßungen sein, sondern sind auszurichten an fachwissenschaftlichen Grundlagen, strukturierten Beobachtungen und intersubjektiv nachvollziehbaren Schlussfolgerungen (Schäfer & Bundschuh 2017). Aus den Diagnosen selber sind auch nicht unmittelbare Ziele abzuleiten, denn »Diagnosen sind deskriptive Sätze« (Moser Opitz & Nührenbörger 2015, S. 495), deren Folgerungen und weiteren Planungsschritten mathematische Modelle zugrunde liegen müssen, wie bspw. das ZGV (Krajewski & Ennemoser 2013). Hierzu können im Kontext Mathematik im FgE sowohl standardisierte Verfahren als auch informelle Verfahren zu Rate gezogen werden. Die Formulierungen variieren grundsätzlich sehr stark, weiterführend sei daher auf die Grundlagen in Neuhäuser & Steinhausen (2013b), Sarimski (2013b), Bundschuh & Winkler (2014) und Ingenkamp & Lissmann (2008) verwiesen. 3.1       Standardisierte Inventare
3.1.1     Vorweg
Die nachstehend genannten Verfahren sind nicht in erster Linie ausgerichtet auf die Schülerschaft mit dem FgE, die Normierungen beziehen sich also auf Schüler ohne sonderpädagogischen Förderbedarf. Demzufolge können die ermittelten Werte auch nicht als absolut aussagekräftig verstanden werden. Sehr wohl kann aber im Einzelfall (bspw. bei Fragen der Abgrenzung von Förderschwerpunkten oder im Kontext Berufsorientierung) die (normative) Erkenntnis hilfreich sein, wo der Schüler im Vergleich zur Alterskohorte hinsichtlich seiner mathematischen Kompetenzen steht. Grundsätzlich sind sowohl im Bereich der standardisierten Verfahren als auch bei den sogenannten informellen Verfahren die testtheoretischen Gütekriterien zu beachten (Scherer & Moser Opitz 2012, S. 33 ff.): •  Objektivität (Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität): Es ist auf maximale Unabhängigkeit zu achten. •  Reliabilität (Zuverlässigkeit): Hier spielen die Verfassung des Kindes und seine Motivation, die Tageszeit und die räumliche Umgebung, die Beziehung des Kindes zum Lehrer und andere Bedingungen eine erhebliche und zu beachtende Rolle. •  Validität (Gültigkeit): Sind die Aufgabenstellungen sachdienlich? Ist in der ausgewählten Situation auch das zu beobachten, was beobachtet werden soll? Brügelmann (2005) schlägt in diesem Zusammenhang das Prinzip der »Mehrperspektivität« vor (ebd., S. 328), wodurch mehrere Einschätzungen und Eindrücke (mehrerer Lehrer, Eltern, ggf. Therapeuten) zusammenfließen und sich im Gesamteindruck (auch intentional) verdichten (können). 3.1.2     OTZ – Osnabrücker Test zur Zahlbegriffsentwicklung
Ein mögliches Verfahren, das zur Feststellung der Zahlbegriffsentwicklung herangezogen werden kann, ist der »Osnabrücker Test zur Zahlbegriffsentwicklung – OTZ« (van Luit et al. 2001). Der Test wurde zur Einschätzung des Entwicklungsniveaus des Zahlbegriffs bei Kindern im Alter von 4, 6 und 7 Jahren in Kindergärten, Vorschulen, Grundschulen und im Förderschwerpunkt Lernen entworfen. Mit der deutschsprachigen Adaption des niederländischen Verfahrens (1994!) (Normierung in Deutschland N = 330) zeigte sich, dass der Test auch eine zuverlässige Erfassung der Zahlbegriffsentwicklung im deutschsprachigen Raum ermöglicht (Benz et al. 2015, S. 80 ff.; Ricken & Fritz 2009, S. 323 f.). Es werden insgesamt 8 Kompetenzbereiche unterschieden: 1.  Qualitatives Vergleichen, 2.  Klassifizieren, 3.  Eins-zu-eins-Zuordnungen herstellen, 4.  Reihenfolgen erkennen, 5.  Zahlwörter gebrauchen, 6.  Zählen mit Zeigen, 7.  Zählen ohne Zeigen, 8.  Einfaches Rechnen. Die insgesamt 40 Aufgaben zeichnen in den ersten vier Fähigkeits- bzw. Kompetenzbereichen (mit je 5 Aufgaben) einen weitestgehend nicht-numerischen Charakter (Vergleichen nach quantitativen Merkmalen, Klassifizieren von Objekten aufgrund von Gemeinsamkeiten u. a.), wohingegen der zweite Teil mit den Kompetenzbereichen 5 bis 8 auf die Zählfertigkeiten fokussiert (verbales Zählen und Kardinalzahlaspekt). Hinsichtlich der Simultan- und der Quasi-Simultanerfassung weisen Benz et al. (2015) mit Verweis auf Gasteiger (2010) darauf hin, dass dahingehende Aufgabenstellungen weitestgehend fehlen (ebd., S. 81). Im Ergebnisbogen werden in die Spalte Beobachtungen die Antworten sowie zusätzliche Erkenntnisse eingetragen und nach Beendigung des Tests werden die Antworten mithilfe des Ergebnisschlüssels auf Richtigkeit überprüft. »Unterschiede und Zuwächse (auf der Fähigkeitsskala) drücken sich in Fähigkeitswerten, in Plätzen auf dieser Skala und nicht mehr nur durch Punktanstieg in einem Untertest aus« (Ricken & Fritz 2009, S. 324). Der Ergebnisbogen weist rechts eine Spalte aus, in der eine richtige Antwort mit einer »1« und eine falsche/fehlende Antwort mit einer »0« gekennzeichnet wird. Das Gesamtergebnis ist dann die Anzahl der richtigen Antworten. »Da im Testkonzept keine qualitativen Skalenabschnitte definiert werden, wird auf eine qualitative Beschreibung der Fähigkeiten verzichtet. Die Fähigkeitsskala wird für alle Altersgruppen in Leistungsfünftel unterteilt und die Gesamtaussagen lauten dann zum Beispiel: Das Kind erreicht einen Fähigkeitswert, der in seiner Altersgruppe dem unteren/dem oberen Leistungsfünftel entspricht« (ebd.). Durch die parallele Testkonstruktion mit zwei Formen können sowohl innerhalb kürzerer Zeit (bspw. nach 4 bis 6 Monaten) entsprechende Vor- und Nachtests Übungserfolge aufzeigen, als auch Fortschritte nach einem längeren Zeitraum erhoben werden, um neuere, dann angepasste Förderziele zu generieren (Benz et al. 2015 sowie Moser Opitz & Nührenbörger 2015, S. 491 ff.). Für den möglichen Einsatz im FgE sprechen zwei Aspekte: 1.  Einerseits bietet sich in qualitativer Hinsicht ein Erkenntnisgewinn in Bezug auf die Fähigkeitsmerkmale innerhalb der o. g. 8 Stufen einschließlich der jeweils 5 Untergruppen. Hier ergeben die 40 Aufgaben ein recht umfassendes Bild (insbesondere auf den Stufen 5 bis 8). 2.  Andererseits können dahingehende Ergebnisse der Testung auch Aufschluss darüber geben, wo eine Schülerin im Vergleich zu ihrer Altersgruppe steht. Dies ist gerade im Kontext Beratung eine hilfreiche (weil sachliche) Kommunikationsebene mit den Eltern. 3.1.3     TEDI-MATH – Test zur Erfassung numerisch-rechnerischer Fertigkeiten
Moser Opitz et al. (2016, S. 132 ff.) weisen vor dem Hintergrund eines grundsätzlich sich nicht anders entwickelnden Zahlbegriffs bei Schülern im FgE im Zusammenhang mit diagnostischen Fragstellungen auf die Notwendigkeit hin, •  sowohl eine »Balance zwischen psychometrischen Anforderungen und Flexibilität« (ebd.) finden zu müssen, •  als auch eine Ausrichtung an anerkannten mathematischen Entwicklungsmodellen zu suchen. •  Schließlich ist vor dem Hintergrund der Beeinträchtigungen im FgE darauf zu achten, dass die gewählten Testformate »möglichst wenig Anforderung hinsichtlich intervenierender Faktoren wie Sprachverständnis, Arbeitsgedächtnis usw. stellen«...


Dr. phil. Holger Schäfer ist Förderschulrektor und Mitherausgeber der Fachzeitschrift "Lernen Konkret - Bildung im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung".



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