Schäfer / Rüther Demenz – Gemeinsam den Alltag bewältigen
1. Auflage 2004
ISBN: 978-3-8444-1884-2
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Ein Ratgeber für Angehörige und Pflegende
E-Book, Deutsch, 128 Seiten
ISBN: 978-3-8444-1884-2
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Alzheimererkrankungen sind infolge der erhöhten Lebenserwartung mittlerweile zu einer häufigen Erkrankung geworden. Die pflegenden Angehörigen sind durch die begleitenden Verhaltensauffälligkeiten der Patienten sehr belastet. Ziel des Ratgebers ist es, die Angehörigen und Pflegenden von demenzkranken Menschen über Entstehungsbedingungen und Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung zu informieren. Zahlreiche praktische Tipps geben Hilfestellungen, damit die schwierige und belastende Aufgabe der Pflege besser bewältigt werden kann. Sowohl medizinische als auch psychologische und sozial-rechtliche Informationen finden in diesem Ratgeber Berücksichtigung. Großer Wert wurde darauf gelegt, das medizinische Fachwissen für den Laien verständlich darzustellen.
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7 Welche Behandlungen (Therapien) für die Patienten und für Sie als Angehörige gibt es?
7.1 Grundsätzliches zur Behandlung
Eine Behandlung, die die Alzheimer-Demenz heilt, also eine ursächliche Therapie, gibt es derzeit leider noch nicht. Auch ist ein vorbeugender Schutz noch nicht möglich. Impfungen wurden wissenschaftlich untersucht und bieten hoffnungsvolle Ansätze, sie mussten aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt zunächst wegen erheblicher Nebenwirkungen eingestellt werden. Die Studien sollen jedoch bald wieder aufgenommen werden. Resignation ist nicht angebracht. Es gibt eine Reihe wirksamer Behandlungen, die das Hauptziel haben, die Lebensqualität der Erkrankten und von deren Angehörigen zu verbessern. Neben medikamentösen Behandlungen kommen psychologische und psychosoziale Therapieformen in Frage. Bei der medikamentösen Behandlung werden einerseits Medikamente eingesetzt, die die Verminderung des Acetylcholins zum Angriffspunkt haben und die die Beschwerden lindern können und so das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Andererseits können Medikamente eingesetzt werden, die gegen die Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Störungen (z. B. Depressionen, Schlafstörungen, Sinnestäuschungen) wirken. Ferner stehen psychologische Therapien zur Verfügung, die die Selbstständigkeit des Kranken fördern, ihn aktivieren und Sie unterstützen, die äußeren Lebensumstände an die Erkrankung anzupassen. Viele Behandlungen haben zum Ziel, verbliebene Fähigkeiten der Kranken zu fördern, ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Wichtig ist, dass kein zu hoher Leistungsdruck aufgebaut wird. Die Patienten sind auf Grund ihrer Erkrankung immer weniger in der Lage, sich ihrer Umgebung anzupassen. Deswegen muss sich die Umwelt an die Beeinträchtigung der Erkrankten anpassen. Selbstverständlich müssen die begleitenden körperlichen Erkrankungen wie Blutzuckererkrankung, hoher Blutdruck oder Herzerkrankungen zusätzlich behandelt werden. Bei der Alzheimererkrankung wird nicht nur eine Therapie zur Anwendung kommen, sondern es sind komplexe Behandlungsstrategien nötig. Wie bei anderen chronischen Erkrankungen auch, die nicht nur den betreffenden Kranken beeinträchtigen, sondern die ganze Familie betreffen, ist bei der Alzheimererkrankung immer der Einbezug von Ihnen, dem nahe stehenden Angehörigen, von Anfang an von größter Wichtigkeit. Ohne Sie lässt sich keine Behandlung durchführen. Sie kennen den biografischen Hintergrund des Patienten, können die verschiedenen, oft für Außenstehende unverständlichen Reaktionen auf Grund dieser Kenntnisse besser verstehen und auf die einzige für den Patienten noch vorhandene Fähigkeit der emotionalen Wahrnehmung eingehen und ihm somit Würde und Achtung entgegenbringen. Dadurch können Ängste und Verzweiflung bei dem Erkrankten abgebaut werden und ihn vor Vereinsamung und Isolation schützen. Denn bei allen Veränderungen der kognitiven Leistungsfähigkeit bleibt der Kern der Persönlichkeit des betroffenen Kranken erhalten, so dass emotionale und körperliche Zuwendung dem Betroffenen helfen und ihm in seiner Welt der zunehmenden Hilf- und Ratlosigkeit Unterstützung sein können. Für Sie bedeutet die Zeit der Betreuung eine immense Belastung, die immer die Gefahr der Überforderung in sich birgt. Rechtzeitige und ausreichende Entlastungsmöglichkeiten und Unterstützungen für Sie sind deshalb von größter Wichtigkeit. Auf Grund der oft vorhandenen begleitenden Verhaltensauffälligkeiten der Erkrankten (z. B. Aggression, Wut, Unruhe, Schlafstörungen) ist es für Sie oft sehr schwierig und es kommt auf Grund von Missverständnissen zu unfruchtbaren Auseinandersetzungen und wenig hilfreichen Streits. Sie sollten lernen, die Krankheitssymptome und damit verbundenen Verhaltensauffälligkeiten besser zu verstehen und mit den Patienten so umzugehen, dass Eskalationen vermieden werden. Grundsätzliche Ziele der Behandlung: – Ihre Lebensqualität und die des Patienten soll verbessert werden. – Die verbliebenen Fähigkeiten des Patienten sollten gefördert werden. – Die Autonomie und Selbstbestimmung des Patienten sollen erhalten und gestärkt werden. – Die Vereinsamung und soziale Isolation sollen vermieden werden. – Der Patient soll aktiviert werden, ohne dass es zur Überforderung kommt. – Der Patient soll in seiner kognitiven Leistungsfähigkeit verbessert werden und in den Aktivitäten des täglichen Lebens gefördert werden. – Sie, die den Alzheimerkranken pflegen, sollen vor körperlicher und seelischer Überforderung geschützt werden. Komplexe Behandlung der Alzheimererkrankung: – Medikamentöse Behandlung der kognitiven Beeinträchtigung mit Antidementiva. – Medikamentöse Behandlung der Verhaltensauffälligkeiten, z. B. mit Antipsychotika und/oder Antidepressiva. – Medikamentöse Behandlung der begleitenden körperlichen Erkrankungen, z. B. Blutzuckerbehandlung, Bluthochdruckbehandlung. – Psychologische Behandlungen: • Verhaltenstherapie • Selbstständigkeits- und Selbsthilfetraining • Gedächtnistraining • Realitätsorientierungstraining – Bewegungstherapie – Beratung, Betreuung und evtl. Psychotherapie für Sie als Angehörige – Selbsthilfegruppen – Psychosoziale Betreuung 7.2 Wer behandelt?
Neben der haus- und nervenfachärztlichen Behandlung werden Patienten mit einer Alzheimer-Demenz in Spezialambulanzen, z. B. Gedächtnissprechstunden, das sind gerontopsychiatrische Abteilungen meist an Universitätskliniken oder größeren Krankenhäusern, behandelt. Ferner gibt es die Memory-Kliniken, die sich auf die Untersuchung und Behandlung von Demenz-Patienten spezialisiert haben (siehe Adressen im Anhang, S. 107). Dort sind ambulante, tagesklinische oder vollstationäre Behandlungen möglich. Verschiedene Berufsgruppen (Mediziner, Psychologen, Sozialpädagogen und Ergotherapeuten) arbeiten zusammen. Eine enge Kooperation mit dem behandelnden Hausarzt oder Nervenfacharzt ist wünschenswert. Eine relativ neue Entwicklung in Deutschland ist das „Kompetenz-Netzwerk-Demenzen“, in dem sich 14 universitäre Memory-Zentren zusammengeschlossen haben. Schwerpunkt dieses Netzwerkes ist neben der Behandlung der Demenzkranken die weitere Erforschung der Früherkennung, der neueren medikamentösen Behandlung und der genetischen Datenerhebung. Insgesamt soll eine verbesserte Gesundheitsversorgung der älteren Bevölkerung erreicht werden. 7.3 Medikamentöse Behandlung der Alzheimererkrankung mit Antidementiva
Unter Antidementiva werden Medikamente verstanden, die die kognitiven Leistungsstörungen im Rahmen demenzieller Erkrankungen günstig beeinflussen. Besonders die in den letzten Jahren entwickelten Cholinesterasehemmer haben bei der Behandlung der Alzheimer-Demenz eine große Bedeutung gewonnen. Wie bereits in Kapitel 5 beschrieben, liegt bei der Alzheimer-Demenz ein Acetylcholinmangel vor. Die Cholinesterasehemmer vermindern den Abbau von Acetylcholin und führen dadurch zu einer Erhöhung des zur Verfügung stehenden Acetylcholin. Unter den Medikamenten ist ein vorübergehender Stillstand der Erkrankung im Sinne einer Stabilisierung von ca. ein bis zwei Jahren zu beobachten, unter Umständen kommt es zu einer Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit und der Verhaltensstörungen. Auch nicht kognitive Störungen wie Depressivität, Wahnsymptome und Unruhe können günstig beeinflusst werden. Die Zeit der Pflegebedürftigkeit kann aufgeschoben werden, was für den Patienten und seine Angehörigen einen erheblichen Gewinn an Lebensqualität bedeutet. Eine Heilung oder ein langanhaltender Stillstand der Erkrankung sind leider nicht zu erwarten. Grundsätzlich muss die medikamentöse Behandlung in ein komplexes Behandlungskonzept eingebettet sein. Die Medikamente müssen, bevor über den individuellen Therapieerfolg (Stabilisierung des Zustandes) entschieden werden kann, ausreichend lange gegeben werden, mindestens sechs Monate. Am effektivsten wird das Fortschreiten der Alzheimersymptome durch die Gabe dieser Medikamente im Frühstadium beeinflusst, so dass die Früherkennung der Erkrankung entscheidend ist. Die in Deutschland zur Verfügung stehenden Cholinesterasehemmer sind: – Donepezil (Handelsname: Aricept®) – Rivastigmin (Handelsname: Exelon®) – Galantamin (Handelsname: Reminyl®) Diese Medikamente sind relativ gut verträglich. Zu Beginn der Behandlung können Übelkeit, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Durchfall, Unruhe, Schwindel und Müdigkeit auftreten. Eine einschleichende Dosierung, d. h. langsame Dosissteigerung sollte erfolgen, um die Nebenwirkungen möglichst gering zu halten. Galantamin hat neben der Erhöhung des Acetylcholins durch die Verzögerung des Abbaus noch einen zusätzlichen Angriffspunkt, indem es auf die Bindungsstellen (Rezeptoren) direkt wirkt und die Überträgerstoffausschüttung erhöht. Andere in Deutschland zur Behandlung der Demenz zugelassenen Medikamente (Nootropika)...