Schairer | Ellen (2009) | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Schairer Ellen (2009)


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-89741-996-4
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-89741-996-4
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ihren Traumjob vermutet Nina nicht gerade im Pressebüro eines Pharmakonzerns, denn bisher schrieb sie Kinderbücher. Es ist Geldmangel, der sie in die fremde Bürowelt treibt, wo sie direkt vor der Nase der kühlen Chefin Ellen McGill landet. Eine Landung mitten in einem neuen Leben - und in eine neue Liebe. Der Job macht Nina erheblichen Stress. Doch sie beißt die Zähne zusammen. Schließlich ist sie nicht nach Wien gezogen, um unglücklich zu werden. Doch dann hat sie ein atemberaubendes Erlebnis mit ihrer Vorgesetzten ... In Carolin Schairers Roman geht es um Trennung und Abschied, ums Zusammenfinden und vor allem darum, Neues zuzulassen. Zum Beispiel die Liebe zu einer Frau.

Die Diplom-Journalistin arbeitete u.a. in der Medienbeobachtung, Markt- und Meinungsforschung und in der PR eines Großunternehmens. Sie lebt in Wien. Seit 2008 erschienen kontinuierlich zehn Romane und Krimis im Helmer Verlag, darunter 'Ellen', 'Die Spitzenkandidatin' und zuletzt 'Vesna'. Im Herbst 2015 folgte der Kriminalroman 'In jener Nacht'.
Schairer Ellen (2009) jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Eine knappe Stunde später kam Nina in ihrer Wohnung an. Sie stellte erleichtert fest, dass Lukas noch nicht von seinem Treffen mit den Freunden vom Musical zurück war. Sie hätte es nicht ertragen, ihm in dem Zustand, in dem sie sich befand, gegenüberzutreten.

Ihr Make-up war verwischt; ihre Steckfrisur hatte sich aufgelöst. Die ganze Taxifahrt über hatte sie lautlos geweint. Der Taxifahrer hatte immer wieder beunruhigt in den Rückspiegel geschaut, aber keine Fragen gestellt. Nina war froh darüber. Was hätte sie sagen können?

Sie wusste doch nicht einmal, was sie denken sollte!

Warum hatte Ellen McGill das getan?

So muss sich eine Frau nach einer Vergewaltigung fühlen, schoss es Nina durch den Kopf. Benutzt. Ausgeliefert. Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende geführt, als ihr klar war, dass der Vergleich hinkte. Ellen hatte sie letztendlich zum Höhepunkt gebracht. Es stand wohl kaum im Drehbuch einer potenziellen Vergewaltigung, dass das Opfer einen Orgasmus bekam.

Ellen hatte sie geküsst, und sie hatte den Kuss erwidert. Auch das klang nicht nach Opferrolle. Ihre Tränen flossen, weil sie sich schuldig fühlte – schuldig, dass sie auf etwas eingestiegen war, von dem sie selbst nicht wusste, was es zu bedeuten hatte. Sie hätte schreien sollen, davon laufen können. Stattdessen war sie in Ellens Händen zu Wachs geworden und wollte nur noch eines: von ihr überall berührt werden.

Nina weinte, weil ihre Welt in Aufruhr war, weil sie nicht wusste, warum sie so viel empfunden hatte, weil sie sich von Ellen McGill überrumpelt fühlte und weil es sie verletzt hatte, dass deren einziger Kommentar »Oh, shit!« gelautet hatte. Aber sie weinte auch, weil sie nicht wusste, wie es nun weitergehen sollte. Wie würde sie dieser Frau je wieder gegenübertreten können?

Nachdem sie sich ausgiebig ausgeweint hatte, dröhnte in ihrem Kopf ein innerer Presslufthammer. Im Badezimmerspiegel schaute sie ein übel verquollenes Gesicht an. Sie schlüpfte aus Kleid und Slip und stieg in die Duschkabine.

Das warme Wasser lief über ihren Körper; sie seifte sich ein, um Ellen McGills Spuren abzuwaschen, so als wäre sie dadurch gebrandmarkt und beschmutzt, doch während sie die Hand zwischen ihre Beine gleiten ließ, erinnerte sie sich an das erregende Gefühl, das Ellens Berührung hervorgerufen hatte, und sie spürte, wie sich trotz des Wassers, das ihren Körper in Rinnsalen hinablief, schon wieder eine Nässe ganz anderer Art in ihrer Mitte bemerkbar machte.

Eilig drehte sie die Dusche ab. Mit einem verzweifelten Schluchzer sprang sie heraus und wickelte sich in ein Handtuch und dann in den Morgenmantel.

Als Lukas gegen Mitternacht von seinem Treffen zurückkam, fand er sie mit angewinkelten Knien und angespannten Gesichtszügen stocksteif auf dem Sofa sitzend vor. Sie sah aus, als hätte sie sich lange nicht von der Stelle bewegt.

»Nina, du bist schon da? Ich dachte, heute steigt die ganz große Party bei den Pillendrehern?«

Er wollte ihr zur Begrüßung einen Kuss auf die Lippen drücken, doch Nina drehte rasch ihr Gesicht zur Seite. Sein Kuss landete auf ihrer Wange.

Irritiert sah er sie an.

»Was hast du?«

»Nichts.« Als er sie weiterhin skeptisch musterte, setzte sie hinzu: »Ich bin müde, und du riechst nach Rauch.«

Er gab sich mit der Erklärung zufrieden.

Sie saßen auf einer Holzbank und starrten auf den See. Die Frühlingssonne ließ das Wasser blitzen wie eine Platte glänzender Edelsteine.

An diesem Sonntag hatten sie es endlich gemeinsam geschafft: mit dem Zug an den Neusiedler See zu fahren und dort einen Tag zu verbringen. Doch nun, da es soweit war, konnte sich Nina nicht darüber freuen. Sie war nur körperlich anwesend. Ihr Innerstes befand sich derzeit in einem undurchsichtigen Nirwana von Gedanken und Ängsten, die sich ausschließlich um Ellen McGill und das Erlebnis im Kopierraum drehten.

Wenn ich es dem Personalchef melden würde, würde er mir sowieso nicht glauben, vermutete Nina. Niemand würde der immer so selbstbeherrschten Ellen etwas Derartiges zutrauen. Sie selbst dagegen würde als Lügnerin hingestellt werden. Und selbst wenn ihr geglaubt wurde – sie hatte sich doch nicht gewehrt! Ohne Zögern war sie auf Ellens Berührungen eingestiegen. Sie hatte keinerlei Zweifel daran, dass Ellen die Lust, die sie dabei empfunden hatte, nicht verborgen geblieben war. Ja, eben darum hatte sie weitergemacht.

Wie viele Kolleginnen hatte sie wohl schon in dieser Form belästigt? Oder war sie die erste? Letzteres schien für Nina nahezu unvorstellbar. Ellen McGill hatte genau gewusst, was sie tat. Wahrscheinlich verschwendete sie keinen weiteren Gedanken an das, was passiert war. Sie hatte ihre eigene Lust befriedigt und rechnete gewiss damit, dass Nina aus Scham über den Vorfall schweigen würde.

Und darin hatte Ellen leider recht, dachte sie bitter. Sie wünschte in diesem Moment nichts mehr, als jemand anderer zu sein – eine selbstbewusste, starke Nina, die nicht der Spielball anderer Leute war. Eine Nina, die nicht zögerte, sich zu wehren und für ihre eigenen Interessen einzutreten, wenn etwas gegen ihren Willen geschah. Die ihre tausenderlei Ängste und Unsicherheiten ablegen konnte: Dass sie auf andere Leute nicht positiv genug wirkte; dass sie sich irgendwie falsch verhielt; dass sie bei irgendetwas Fehler machte; dass Lukas sie verlassen könne – und vieles mehr. Ich bin das prädestinierte Opfer, sagte sie sich nun am See. Deshalb hat Ellen mich ausgewählt.

»Nina, du sitzt seit einer Stunde auf dieser Bank und sagst kein Wort«, beklagte sich Lukas, der zwischendurch alleine zum Bootssteg gegangen war, dort altes Brot an Enten verfüttert hatte und eben wieder zurückgekehrte. »Was ist denn los?«

Sie sah ihn an. Tränen glitzerten in ihren Augen.

»Ich möchte nicht mehr bei LENOPHARM arbeiten«, kam es ihr unwillkürlich über die Lippen.

Sein Gesicht verfinsterte sich schlagartig. »Nicht das schon wieder! Müssen wir diese Debatte regelmäßig führen? Ich dachte, du hast dich mittlerweile daran gewohnt.«

»Es ist schrecklich dort«, sagte sie und starrte wieder auf den See. Würde Lukas sie je verstehen, ohne dass sie ihm von dem Vorfall erzählte? Sie konnte ihm doch nichts erzählen, denn was sollte sie ihm sagen? Es war so grauenhaft, Lukas, so entsetzlich, dass ich einen Orgasmus bekam – etwas, was mit dir zusammen leider noch nie geklappt hat?

»Wenn es so entsetzlich ist, verstehe ich nicht, warum du so viel Zeit dort verbringst«, kommentierte er sarkastisch. »Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft du am Wochenende dort bist. Es kann doch gar nicht sein, dass es so viel Arbeit gibt.«

Sie presste die Lippen zusammen. Ihre Augen suchten das Segelboot, das inzwischen nur noch ein kleiner Fleck am Horizont war, und sie wünschte sich an Bord – weg, frei, ohne Sorgen, nur sie, die Ruhe und das Wasser.

Nach einer Weile sagte sie in die Stille, die zwischen ihnen entstanden war: »Ich werde andere Arbeit suchen.«

»Das bisschen an Ersparnissen ist aber so gut wie weg«, konterte er unwillig. »Zumal wir doch jetzt diese Waschmaschine gekauft haben.«

Sie riss den Kopf nach oben und schaute ihn mit großen Augen an. »Wir haben was?«

»Na, diese Waschmaschine gekauft!«, erklärte er wie selbstverständlich. »Nächsten Mittwoch wird sie geliefert. Mensch, Nina, wir hatten doch darüber gesprochen, dass wir es satt haben, ewig im Waschsalon zu waschen.«

Nina erinnerte sich dunkel an das Gespräch. Allerdings war es darum gegangen, dass sie Lukas darum gebeten hatte, künftig häufiger den Gang zum Waschsalon zu übernehmen. Schließlich hatte Lukas dazu weit mehr Zeit – vorausgesetzt, er würde nicht bis zehn Uhr früh schlafen. Er hatte daraufhin gekränkt erwidert, dass er nun einmal mindestens acht Stunden Schlaf brauche, und dass alles doch viel einfacher wäre, wenn sie eine eigene Waschmaschine besäßen. Jetzt, wo etwas Erspartes vorhanden war, sollte das ja wohl kein Problem mehr sein.

Nina hatte ein ausweichendes »Hm« geantwortet, aber eindeutig kein Ja. Es war wirklich nicht ihr Plan gewesen, ihr erstes Erspartes in eine Waschmaschine zu investieren.

»Das hast du nicht mit mir abgesprochen«, warf sie ihm nun vor.

»Ach, Nina, mach jetzt doch bitte kein Drama daraus.« Er kräuselte ärgerlich die Stirn. »Diese Waschmaschine ist eine Investition in die Zukunft! Wir brauchen ja nicht jedes Jahr eine. So ein Ding schafft man sich einmal an, und das war’s für Ewigkeiten.«

Nina erwiderte nichts. Sie fragte sich stattdessen, ob es gut gewesen war, ein gemeinsames Konto anzulegen. Es war seine Idee gewesen, nicht ihre. Er hatte sie mit dem Argument überzeugt, dass sie dann nur einmal Kontoführungsspesen...


Die Diplom-Journalistin arbeitete u.a. in der Medienbeobachtung, Markt- und Meinungsforschung und in der PR eines Großunternehmens. Sie lebt in Wien. Seit 2008 erschienen kontinuierlich zehn Romane und Krimis im Helmer Verlag, darunter "Ellen", "Die Spitzenkandidatin" und zuletzt "Vesna". Im Herbst 2015 folgte der Kriminalroman "In jener Nacht".



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.