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Schattschneider | EXTRAPOLATIONEN - SCIENCE FICTION - WERKAUSGABE, BAND 1 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 311 Seiten

Schattschneider EXTRAPOLATIONEN - SCIENCE FICTION - WERKAUSGABE, BAND 1

Ausgewählte Erzählungen und Kurzgeschichten
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7554-3867-0
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ausgewählte Erzählungen und Kurzgeschichten

E-Book, Deutsch, 311 Seiten

ISBN: 978-3-7554-3867-0
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Peter Schattschneider gehört zu den großen »Unbekannten« in der Schiene der naturwissenschaftlich gefärbten Science Fiction, in seinen Spielformen von der Novelle über die ausgeprägt amerikanische Form der Novella bis zu den kürzeren Erzählungen, die über den großen Teich gern mit dem Etikett der Novellette ausgezeichnet werden. Und bereits in seinem Auftakt verstand er es plastisch, Natur, Technik und Emotionen miteinander zu verweben.  Extrapolationen enthält dreizehn ausgewählte Erzählungen.

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  Das wirtschaftlichste aller Systeme
    Leuchtpunkte krochen über den Bildschirm und schrieben die Lebensfunktionen des Patienten, an dessen kahlrasiertem Schädel der Operateur arbeitete. Der Kybernetiker überwachte die Gehirnströme. »Ein Glück, dass er sich freiwillig entschieden hat«, meinte er. »Wir hätten ihn schon konditioniert«, entgegnete der Chirurg, während er die Dura mater nach außen stülpte und mit dem Gewebesurrogat der Tankwandung verklebte. »Natürlich. Immerhin haben wir uns das Psychotraining erspart. Das hätte einen weiteren Ausfall von zwei Wochen bedeutet.« Der Chirurg war nur an seiner Arbeit interessiert. Er prüfte den Sitz des Kortikalsensors, der zwischen Hinterhauptlappen und Cerebellum fixiert war.  »Das war’s wohl. Sie können testen.« Er trat zwei Schritte vom Operationstisch zurück und legte das Skalpell zum gebrauchten Besteck, bevor er die Maske abnahm. Der Kybernetiker tastete seine Anordnungen in die Maschine. LC-Displays meldeten Anzahl, Intensität und Verteilung der an der Hirnrinde abgenommenen Impulse. »Ganz gut für den Anfang«, stellte er fest. Der Chirurg nickte anerkennend. »Das ist sogar ausgezeichnet. Ich glaube, er wird ganz gut, wenn er reif ist.« »Hoffentlich braucht er nicht so lange wie Rita.« Dem Chirurgen war das egal. »Sie können ihn wecken. Wollen sehen, wie der Compiler funktioniert.« Das Weckprogramm schickte die entsprechenden Signale zum Zwischenhirn des Patienten. Er rührte sich, kam langsam aus dem Hypnoschlaf hoch. Träge schlug er die Augen auf. Der Chirurg beugte sich über ihn, den Pupillenreflex prüfend.  »Wie fühlen Sie sich?« »Grauenhaft.« Er leckte sich die trockenen Lippen. »Sie haben es gut überstanden. Bald werden Sie sich besser fühlen«, beruhigte ihn der Arzt. Er prüfte noch den Puls des Patienten – wohl auch nur eine beruhigende Geste, da alle Lebensfunktionen elektronisch überwacht wurden – dann fragte er zur Kontrolle: »Wie heißen Sie?« »Karl Sikorsky«, brachte der Frischoperierte mühsam hervor. »Sie wissen, warum Sie hier sind?« Sikorsky runzelte die Stirn. »Hmm, Ausbildung. Ich werde umgeschult, oder.« Der Kybernetiker nickte ihm von der Konsole her aufmunternd zu. »Sie haben sich freiwillig entschlossen?« »Ja, doch.« »Was war der Grund für Ihre Entscheidung?« Der Mann am Operationstisch dachte lange nach. »Wer kann das schon verstehen«, sagte er schließlich und er sagte es für sich, den Blick nach innen gerichtet. »Das ist eine lange Geschichte.« »Erzählen Sie«, forderte der Kybernetiker Sikorsky auf und koppelte den Compiler an. Der Drucker begann zu schreiben.    Es begann im zweiten Jahr meines Studiums. Damals setzte ich noch genug Vertrauen in die Wissenschaft, um mich ernsthaft mit ihr zu beschäftigen. Ich kümmerte mich damals nicht um Ethik, höchstens in den seltenen Momenten der Unsicherheit, wenn plötzlich der moralische Aspekt eines wissenschaftlichen Problems aus dem Dunkel auftauchte, aber selbst dann glaubte ich, dass Forschung ohne Ethik möglich sei. Das war vor der Rezession.  Natürlich klagten wir über die Almosen, die sie Stipendium nannten; natürlich war uns das Studium zu scharf und die Berufschancen waren uns zu gering. Insgeheim, unter dieser zur Schau getragenen Nörgelei, wussten wir jedoch, dass es uns gutging. Tatsächlich gab es ja noch kein Spezialisierungsgesetz. Bloß ein Zehntel der Bevölkerung war arbeitslos und konnte mit Leichtigkeit unterstützt werden. Studium und Wahl des Arbeitsplatzes waren frei! Aber wer jammert nicht in guten Zeiten? Es begann, als ich Rita kennenlernte. Ich war damals gerade in der Mensa, als sie mit ihrem Essenstablett in den Händen vor meinem Tisch stehenblieb und sich ratlos nach einem freien Platz umsah. Sie musste wohl bemerkt haben, dass ich sie anstarrte, denn sie musterte mich skeptisch und nahm nach einer stummen Einladung meinerseits mir gegenüber Platz. Im Laufe des folgenden Gespräches erzählte ich ihr, dass ich Biologie studierte. »Da sollten wir uns zusammentun«, sagte sie. »Ich mache Kybernetik. Die Verbindung hat große Chancen.« Sie ahnte damals sicher noch nicht, was auf uns zukam. In der Folge trafen wir uns öfter. Anfangs diskutierten wir bloß. Ich stellte fest, dass Kybernetik und Biologie tatsächlich vieles gemeinsam hatten und dass eine Verbindung der beiden Gebiete sehr fruchtbar sein konnte. Ich stellte noch etwas fest: dass mir Rita gefiel. Nicht nur ihr Körper, den ich in der Zwischenzeit schon sehr gut kennengelernt hatte – das beruhte von Anfang an auf Gegenseitigkeit, denn Rita war durchaus nicht prüde –, auch ihre Art faszinierte mich. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass wir fast immer verschiedener Meinung waren, wenn es um theoretische Probleme ging. Im Gegenteil, das zog mich nur noch stärker zu ihr hin.  Wenn man nach einem Streit auch selten behaupten konnte, dass sie recht behalten hatte, blieb bei mir doch immer ein Gefühl des Unbehagens zurück, das den Triumph meiner rhetorischen Überlegenheit zerfließen ließ. Als Brennpunkt, in dem sich unsere Gegensätzlichkeit vereinigte, kristallisierte sich im Laufe der Zeit ein Themenkreis heraus: die ethische Rechtfertigung der Wissenschaft. Gerade jenes Problem, das mich – damals erkannte ich es zum ersten Mal – schon immer beschäftigt hatte, das ich aber stets verdrängt hatte.  Dies alles hört sich vielleicht recht sonderbar an. Uns schien es damals ganz natürlich, darüber zu sprechen, denn gerade die Biologie gab dem Menschen ungeahnte Möglichkeiten, sich selbst und seine Umwelt zu verändern. Man begann damals erst damit, die DNS im Zellkern kontrolliert zu modifizieren, und man mochte kaum ahnen, in welcher Weise sich diese Wissenschaft zum Genetic Engineering weiterentwickeln sollte.  Ich verfolgte begeistert die bahnbrechenden Arbeiten der Biologen, so Porters Entdeckung des mikrotrabekulären Netzwerks in der Zelle, Kulagins Verdoppelung kompatibler Gene, eine Methode, mit der er bekanntlich einen Hund mit acht Beinen züchten konnte, oder die Schröter‘schen Wachstumsversuche an Ratten, die zeigten, dass man jede Körperpartie der Tiere fast beliebig wachsen lassen konnte.  Für Rita waren diese revolutionären Entdeckungen höchst bedenklich. Sie war davon überzeugt, dass dieser Weg, sollte er weiterbeschritten werden, zu einer Menschheit führen musste, die sich selbst zu Monstren züchtete. Sämtliche Werte und Werturteile würden dadurch auf den Kopf gestellt, das totale Chaos sei die Folge. Sie forderte kategorisch Grenzen für diese Versuche, nämlich nie den Menschen zu modifizieren. Man sollte sich mehr auf die Kybernetik konzentrieren, um das menschliche Gehirn und seine Denkstrukturen verstehen zu lernen. Erst dann sei man vielleicht reif für genetische Änderungen. Ich hielt ihr entgegen, dass eine Entdeckung dann bevorsteht, wenn die Zeit reif ist, und gab ihr etliche Beispiele dafür, dass ein neues Faktum darauf wartet, entdeckt zu werden, und dass es dann nur des richtigen Mannes – oder mehrerer! – sie zu finden bedürfe: so die Integralrechnung, die unabhängig von Leibniz und Newton entwickelt wurde, so das Konzept des Periodensystems der Elemente, so die Anfänge der Quantentheorie usw. Dies alles zeigt doch, so argumentierte ich, dass die neuen Entdeckungen wie Pilze in einem dichten Wald von Trugschlüssen wachsen und dass es die Sache des Forschers sei, sie zu finden. Waren sie noch nicht aus der Erde, so konnte man sie auch nicht finden. Die Zeit war einfach noch nicht reif. Nun dürfe man aber von keinem Menschen verlangen, dass er keine Pilze suchen dürfe – genau das fordere sie aber. Dies war eines jener sophistischen Argumente, zu denen ich immer häufiger Zuflucht nehmen musste. Damals erschien mir das durchaus legal und meistens ließ sie sich auch überzeugen. Aber der Wurm, den sie mir angesetzt hatte, begann bereits an meinen moralischen Scheuklappen zu nagen. Im Rückblick erscheint mir jene Zeit wie ein von höherer Hand geplantes Präludium. Ich kann nicht glauben, dass all die seltsamen Überschneidungen und Gegensätze unserer Standpunkte, all die unausgesprochenen Befürchtungen Ritas ohne Bezug sind zu dem, was ich heute weiß. Ich bin überzeugt, dass sie damals schon ahnte, was ihr noch bevorstand. Ich ahnte nichts. Die Zeit war noch nicht reif. Ich musste erst vorbereitet werden für die letzte große Erkenntnis meines Lebens.    Zu Beginn des Sommersemesters übersiedelte Rita mit ihren wenigen Habseligkeiten zu mir. Dies geschah mehr aus praktischen Erwägungen – wir hörten einen Großteil der Vorlesungen gemeinsam und konnten daher zusammen zur Universität und zurück fahren; die Miete für ein Appartement fiel weg; Rita kochte für uns beide und besorgte so ziemlich den Haushalt und schließlich war es angenehm, wenn man beisammen sein wollte – als aus innerer Verbundenheit. Es war keineswegs notwendig, verheiratet zu sein, wenn man zusammenleben wollte. Das hat sich erst in der Rezession geändert, als das Ministerium für Volksmoral gegründet wurde und mit seinen Pseudogesetzen jede menschliche Freiheit beschmutzte. Zu dieser Ansicht bekenne ich mich offen und ich werde, solange es mir...



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