E-Book, Deutsch, Band 4, 272 Seiten
Reihe: Detektei Donnerschlag
Scheerer Geheimnisse sind unser Geschäft
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96177-595-8
Verlag: Woow Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aus den Akten der Detektei Donnerschlag
E-Book, Deutsch, Band 4, 272 Seiten
Reihe: Detektei Donnerschlag
ISBN: 978-3-96177-595-8
Verlag: Woow Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jana Scheerer, geboren 1978, lebt und arbeitet in Berlin. Sie schreibt Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke. Wenn sie sich nicht gerade Geschichten ausdenkt, liest sie gerne Krimis, in denen die Ermittler ihre Hüte tief ins Gesicht ziehen und immer einen lässigen Spruch auf den Lippen haben.
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Kapitel 1 In dem meine Kollegin zur Stolperfalle wird, ich kein Croissant esse und Frau Dobbsen eine schlechte Nachricht erhält.
Es war ein Oktobermorgen wie aus der Weichspülerwerbung: duftend, warm und einschläfernd. Ich saß in meinem bescheidenen venezianischen Palästchen auf meinem hellblauen Himmelbett an meiner Reiseschreibmaschine und notierte die Eindrücke der beiden vergangenen Tage. Vorgestern die lange Zugfahrt von Ruckelnsen nach Venedig. Und gestern dann der erste Tag in dieser Stadt voller Brücken, Kanäle, Eiscreme und Touristen.
Ich plante, die ganzen Herbstferien hier in meinem kleinen Palazzo zu verbringen. Das Haus hatte zwölf Zimmer, die hohen Decken waren mit Ornamenten verziert, und die riesigen Fenster gingen direkt auf den wichtigsten Kanal Venedigs hinaus, den Canal Grande. Ein Blick nach draußen zeigte mir, dass dort schon jede Menge los war. Die Sonne spiegelte sich auf dem Wasser, Gondeln stießen fast zusammen, Wasserbusse hupten, und Motorboote kurvten mit halsbrecherischem Tempo durch das Chaos hindurch.
Ich gähnte.
Ein Klopfen riss mich aus meinen Betrachtungen.
»Ja, bitte?«
Es war mein Butler. Er steckte seinen Kopf zur Tür herein und sagte: »Dös Frühstöck öst im Speisözimmör servört!«
»Danke, Ortlieb, ich komme gleich«, antwortete ich.
Mein Butler nickte und zog sich höflich zurück.
Na gut, na gut, na gut: Das war natürlich nicht Butler, sondern Ortlieb, der Butler der Familie meiner Detektiv-Kollegin Trix Dobbsen. Und es war natürlich auch nicht Palast, sondern ein historischer venezianischer Palazzo, den Trix’ Vater gerade renovierte und in dem wir deshalb wohnen durften. Das hellblaue Himmelbett war also auch nicht meins.
Aber wenigstens die Reiseschreibmaschine gehörte mir! Sie war ein Geschenk meiner Großmutter. Ich verreise nämlich ungern ohne Schreibmaschine.
Und auch mein Magen gehörte mir selbst, woran er mich jetzt mit einem laut vernehmlichen Knurren erinnerte. Also auf zum Frühstück! Ich stellte die Schreibmaschine beiseite, schlug die Decke zurück, zog meinen Mantel über den Schlafanzug, setzte den Hut auf und machte mich auf den Weg.
Ich kam allerdings nicht weit. Auf dem dicken Teppich vor meiner Zimmertür lag ein Hindernis: meine Kollegin Wiebke.
»Äh, Wiebke?«, sagte ich. »Liegst du gut?«
»Grmpf.« Wiebke rappelte sich auf.
»Hast du vor meiner Tür geschlafen, um mich in der Nacht zu beschützen?«, fragte ich. »Das ist aber lieb von dir!«
Wiebke klopfte sich den Staub von der Hose und lächelte tatsächlich ein bisschen. »Nee, ich habe mich hier gerade eben erst hingelegt. Oder besser gesagt: Ich hingelegt.«
»Mauhauhauhauhaunz!«, kam es von irgendwoher.
Ich kombinierte: »Du bist über Miss Moneypenny 2.0 gestolpert?«
Wiebke nickte. »Sie ist mir direkt zwischen die Füße gesprungen. Diese Mistkatze!«
Ich sah meine Kollegin überrascht an. Solche Ausdrücke benutzte sie sonst nicht.
»Ist doch wahr, das macht die Blödkatze doch extra!«, schimpfte Wiebke. »Wo ist sie denn jetzt hin?«
Ich sah mich um. Von der Blödkatze keine Spur.
»Wahrscheinlich stimmt schon wieder was mit ihrer Programmierung nicht«, vermutete Wiebke. »Trix sollte sofort Fabia anrufen.«
Bei Miss Moneypenny 2.0 handelte es sich um eine Roboterkatze. Fabia Zanetti, Trix’ italienische Patentante, hatte sie Trix ausgeliehen. Fabias Firma stellte Robotertiere aller Art her. Miss Moneypenny 2.0 sollte Trix über die Trennung von ihrer echten Katze hinwegtrösten, die in Deutschland geblieben war. Die original Miss Moneypenny wohnte zurzeit bei meiner Großmutter und vergnügte sich dort mit ihrer Katzenfreundin Fräulein Karnelia.
»Diese Schrottkatze«, schimpfte Wiebke weiter.
Ich hatte den Verdacht, dass Wiebke Miss Moneypenny 2.0 deshalb so nervig fand, weil sie selbst gerne ein gehabt hätte. Wir waren erst zwei Tage von zu Hause weg, aber es war Wiebke deutlich anzumerken, wie sehr sie ihr Lieblingsschaf vermisste. Ich fragte mich, wie Wiebke das weitere zehn Tage aushalten sollte – so lange dauerten unsere Herbstferien noch.
»Miss Moneypenny 2.0 ist keine Miezekatze, sondern eine Miesekatze!«, stellte Wiebke fest.
»Mauhauhauhauhaunz!« Die Miesekatze schien nur auf dieses Stichwort gewartet zu haben. Sie sprang von einem Schrank herunter, rannte Wiebke und mich beinahe um und sauste davon.
»Wetten, dass sie jetzt zu Trix läuft, ein unschuldiges Gesicht macht und sich ausgiebig kraulen lässt? Diese Schrottkatze!« So langsam gingen Wiebke wohl die Katzenschimpfwörter aus. Sie lächelte und sagte: »Aber jetzt frühstücken wir! Ich lasse mir den schönen Tag nicht von dieser Ramschkatze verderben.«
Ich kombinierte: Es war ihr also doch noch ein Schimpfwort eingefallen.
Als wir das Esszimmer betraten, thronte auf Trix’ Schoß tatsächlich Miss Moneypenny 2.0 und schnurrte. Mit ihrem fluffigen weißen Fell und den glitzernden grünen Augen wirkte die Roboterkatze täuschend echt. Nur die Geräusche des Elektromotors verrieten, dass es sich um ein künstliches Tier handelte.
»Guten Morgen«, begrüßte Trix uns. Sie trug ihre Schuluniform: eine weiße Bluse, ein blaues Jackett und eine blaue Hose.
»Gut geschlafen?« Trix’ Vater schaute hinter seiner Zeitung hervor. Wie immer musste ich beim Anblick von Herrn Dobbsen ein Lachen unterdrücken. Anders als Trix war er blond, klein und dick – aber er hatte haargenau die gleiche Nase wie Trix, sodass es mir vorkam, als hätte er sich sein Riechorgan bei seiner Tochter ausgeliehen.
»In Venedig schläft man immer gut«, sagte Trix’ Mutter, die in der rechten Hand ein Croissant hielt und in der linken ihr Mobiltelefon.
Ich kannte das schon: Trix’ Eltern studierten beim Frühstück jeden Morgen die Zeitung und die Börsenkurse. Herr Dobbsen wollte wissen, was in der Welt passierte, und Frau Dobbsen wollte wissen, was an der Börse passierte. Sie arbeitete bei einer großen und wichtigen Humbuger Bank namens – zurzeit in der italienischen Zweigstelle.
Frau Dobbsen biss in ihr Croissant und schaute wieder auf ihr Handy. Meine Oma hätte diese Art zu frühstücken gar nicht gut gefunden. »Voller Kopf – Bauch verstopft«, sagt sie immer.
»Ja, ich habe sehr gut geschlafen«, bestätigte Wiebke, »die Betten hier sind einfach himmlisch!«
Ich nickte nur. Eine Schlagzeile in Herrn Dobbsens Zeitung hatte meine Aufmerksamkeit erregt:
Ich nahm mir ein Croissant. »Das heißt doch , oder?«
»Ja«, sagten Trix und Wiebke gleichzeitig. Beide sprachen ein wenig Italienisch – Trix, weil sie hier zur Schule ging, während die Familie für ein Jahr in Venedig lebte, und Wiebke, weil sie in Ruckelnsen einen Italienischkurs an der Volkshochschule gemacht hatte. Mir war es zu blöd gewesen, mich abends mit Frau Sörensen, Frau Hinnerksen und den anderen Freundinnen meiner Oma in einen müffelnden Klassenraum zu setzen und Italienisch zu büffeln. Jetzt bereute ich es, denn Trix und Wiebke ließen sich alles einzeln aus der Nase ziehen. »Und was heißt ?«, hakte ich nach. »Wird es Hochwasser geben?«
»Das wird befürchtet.« Trix kraulte Miss Moneypenny 2.0 den Nacken. » heißt .«
Herr Dobbsen ließ die Zeitung sinken und seufzte. Seine Augen wirkten ernst. »Ja, es droht tatsächlich eine Wetterlage, die Hochwasser auslöst. Und wenn Wasser in die Häuser dringt …«
»… ist das Wandgemälde, an dem du im Erdgeschoss arbeitest, in Gefahr, das wissen wir doch, Hinnerk.« Frau Dobbsen tätschelte ihrem Mann die Hand. »Aber das wird nicht passieren, denn es gibt ja jetzt ein Flutabwehrsystem.«
»Das aber bisher nicht aktiviert wurde!« Herr Dobbsen tippte auf die Zeitungsseite. »Die Herrschaften überlegen ernsthaft noch, ob sie es einschalten sollen.«
»Was passiert denn, wenn das System eingeschaltet wird?«, fragte Wiebke.
»Dann richten sich langsam Schutzwände aus Stahl auf«, erklärte Trix. »Die sollen dafür sorgen, dass bei Flut nicht zu viel Meerwasser in die Lagune reinfließt. Der Vater von Leonardo aus meiner Klasse hat uns das im Erdkundeunterricht erklärt. Er arbeitet als Ingenieur an dem Teil.«
Herr Dobbsen strich gedankenverloren die Zeitungsseite glatt. »Hoffentlich sind die Wände rechtzeitig oben!« Er sah richtig ängstlich aus.
Frau Dobbsen legte ihm die Hand auf die Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Hinnerk.« Sie lächelte. Einmal mehr fiel mir auf, wie ähnlich Trix ihrer Mutter sah. Die leicht schräg gestellten Augen waren zwar bei Trix grün und bei Frau Dobbsen schwarz, aber sie funkelten auf die gleiche Weise freundlich und zugleich ein wenig spöttisch. Hätte Frau Dobbsen so wie Trix eine Schuluniform getragen, wären die beiden glatt als Schwestern durchgegangen. Na ja, fast.
Herr Dobbsen seufzte. »Hoffentlich, hoffentlich funktioniert das Abwehrsystem! Oder, noch besser: Hoffentlich gibt es gar nicht erst Hochwasser!«
Frau Dobbsen schüttelte den Kopf. »Also weißt du, Hinnerk, jetzt sind...