E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: Detektei Donnerschlag
Scheerer / Scherer Geister sind unser Geschäft
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96177-562-0
Verlag: Woow Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aus den Akten der Detektei Donnerschlag (Bd. 2)
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: Detektei Donnerschlag
ISBN: 978-3-96177-562-0
Verlag: Woow Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jana Scheerer, geboren 1978, lebt und arbeitet in Berlin. Sie schreibt Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke. Wenn sie sich nicht gerade Geschichten ausdenkt, liest sie gerne Krimis, in denen die Ermittler ihre Hüte tief ins Gesicht ziehen und immer einen lässigen Spruch auf den Lippen haben.
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Kapitel 2 In dem ich eine Zeugenbefragung per Fahrrad mache, keine Katze geschenkt bekomme und zwei unterschiedliche Zwillinge kennenlerne.
Meine Detektiv-Regel Nummer 23 lautet: Ein Detektiv kommt niemals zu spät. Also schwang ich mich auf mein Fahrrad und trat ordentlich in die Pedale. Wie so oft hatte ich Gegenwind. Aber immerhin wurde der Regen schwächer und hörte irgendwann ganz auf.
Unterwegs sah ich mich nach Passanten um, die ich nach der Farbe ihres Leitungswassers befragen konnte. Als Erste entdeckte ich Frau Hinnerksen, die beste Freundin meiner Großmutter. Sie schloss gerade das Tor ihres Vorgartens hinter sich und stieg auf ihr Rad.
»Moin, Frau Hinnerksen«, rief ich ihr zu, »kommt bei Ihnen zufällig grünes Wasser aus dem Hahn?«
»Genau, Harald, giftgrünes!« Frau Hinnerksen winkte mir fröhlich zu. Sie liebte Sensationen jeder Art. »Und es riecht nach Hähnchen! Nebenan in Frau Sörensens Apotheke ist aber alles normal.«
»Nebenan ist das Wasser nicht grün?« Ich bremste, blieb stehen und notierte mir das.
»Ja, Harald, ist das nicht seltsam? Ich fahre jetzt gleich mal ins Rathaus zu Frau Schuhpisser, um mich über das grüne Wasser zu beschweren. Als Bürgermeisterin ist sie dafür ja wohl zuständig, nä? Und anschließend sage ich Frau Jansen wegen ihrer Schafe Bescheid. Das ist ja auch richtig schlimm, nä? Tschüs, Harald!«
»Was ist denn mit Jansens Schafen?«, hakte ich nach, doch Frau Hinnerksen war schon davongefahren und hörte mich nicht mehr.
Während ich weiterradelte, dachte ich über die neuesten Entwicklungen nach. Wenn auch bei Frau Hinnerksen grünes Hähnchenwasser aus der Leitung kam, waren vermutlich noch mehr Haushalte betroffen. Aber warum war nebenan bei Frau Sörensen das Wasser nicht grün? Zu den beiden Gebäuden führte sicherlich eine gemeinsame Wasserleitung. Wenn Frau Hinnerksen grünes Wasser hatte, Frau Sörensen aber nicht, musste der Grund direkt in der Zuleitung zu Frau Hinnerksens Haus liegen.
Und zu unserem eigenen auch.
Um ein Bild von der Verbreitung des grünen Wassers zu bekommen, rief ich beim Fahren allen Passanten zu: »Moin, ist bei Ihnen das Wasser grün?«
Circa die Hälfte der Leute antwortete mit »Ja«, die andere Hälfte schaute mich entweder verständnislos an oder sagte »Zum Glück nicht!« Bei denen, die ich kannte, notierte ich mir im Kopf den Namen.
Als ich schließlich den Bahnhof erreichte, war ich heiser und vollkommen außer Atem. Ich hatte mich so beeilt, dass ich fünf Minuten zu früh war. Also nutzte ich die Zeit, um meine Umfrage auszuwerten. Ich holte mein Mobiltelefon aus der Manteltasche. »Trix«, sprach ich hinein, »markiere folgende Adressen.«
»In-Ordnung-Harald«, antwortete aus meinem Telefon eine Stimme, die sehr nach Trix klang.
Ich lachte zufrieden. Trix hatte bei unserem letzten Fall ihren Sprachassistenten in »Harald« umgetauft und mit meiner Stimme versehen. Dafür musste ich mich natürlich revanchieren. Wiebke hatte mir dabei geholfen. Sie kannte sich zwar auch nicht so gut mit Technik aus wie Trix, aber zusammen hatten wir es einigermaßen hinbekommen.
»Also, Trix, hör zu.« In mein Telefon sprach ich die Anschriften der Leute, die mir auf der Straße mitgeteilt hatten, dass ihr Wasser grün war.
»Die-Adressen-sind-markiert-Harald.«
»Danke, Trix.«
Die Karte auf meinem Handy zeigte, dass die betroffenen Haushalte kreuz und quer über Ruckelnsen verteilt waren. Als Gegenprobe gab ich auch die Adressen derjenigen Leute ein, bei denen das Wasser nicht grün war. Und tatsächlich: Genau wie im Fall von Frau Hinnerksen und Frau Sörensen lagen die Häuser und Wohnungen mit und ohne grünes Wasser oftmals direkt nebeneinander.
Ich steckte mein Mobiltelefon ein. Was hatte das alles zu bedeuten? Und was war mit Jansens Schafen los? Hatten sie vielleicht von dem grünen Wasser getrunken und es nicht vertragen? Ich nahm mir vor, gleich mit Trix am Deichabschnitt 23 vorbeizugehen. Dort, etwas abseits gelegen, weideten Jansens Schafe zurzeit.
»Es fährt ein: Regionalbahn aus Humbug«, verkündete der Lautsprecher, »dieser Zug endet hier.«
Der rote Zug zuckelte heran und kam mit einem angeberischen Quietschen zum Stehen. Leise piepend öffneten sich die Türen. Ein paar ältere Damen, ein Ehepaar mit Fahrrädern und eine Familie mit ihrem ungefähr fünfjährigen Sohn stiegen aus. Ich kombinierte: Es handelte sich um Touristen, die ihren Urlaub im verbringen wollten. Diese Bezeichnung hat sich unsere Bürgermeisterin Frau Schuhpisser ausgedacht, um Touristen in den Ort zu locken. Frau Schuhpisser übertreibt gerne. Ruckelnsen ist alles andere als ein Juwel. Das mit dem Schlick stimmt allerdings. Wenn das Meer sich bei Ebbe zurückzieht, liegt vor Ruckelnsens Küste eine riesige Fläche aus diesem braunen, matschigen, stinkenden Zeug.
»Harald! Hallo!« Trix stieg aus der hintersten Tür des letzten Waggons. Wie immer war sie in einen schwarzen Anzug mit passender Fliege und einem roten Einstecktuch gekleidet. Sie hatte einen schwarzen Leinenbeutel mit der Aufschrift dabei. Außerdem schleppte sie einen kleinen braunen Lederkoffer und einen riesigen weißen Korb mit. Ich kombinierte: Es konnte sich nur um einen Präsentkorb handeln, der mit den verschiedensten Leckereien gefüllt war. Gerührt eilte ich Trix entgegen.
Kaum dass ich bei ihr angekommen war, überreichte sie ihn mir auch schon. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Harald!«
Der Korb war verdammt schwer. »Danke, Trix, aber die Geschenke müssen warten. Wir haben nämlich einen neuen F…«
»Miau!«, tönte es aus dem Korb.
Miau?
»Äh, Trix? Meine Oma und ich haben bereits eine Katze, dieser Fakt ist dir doch bekannt, oder?«
Trix rückte ihre Fliege zurecht. »Natürlich, ich habe Miss Moneypenny ja extra mitgebracht, damit Fräulein Karnelia Gesellschaft hat. Die beiden kennen sich schließlich seit unserem letzten Fall und wollen sich bestimmt gerne mal wiedersehen.«
»Öhm … ah ja, verstehe. Gute Idee.« Ehrlich gesagt war Fräulein Karnelia alles andere als gesellig. Ihr einziger Kontakt zu anderen Katzen bestand darin, den dicken Kater von nebenan zu vermöbeln. »Tjaaaaa… da wird Fräulein Karnelia sich aber freuen«, behauptete ich. »Und übrigens hat unsere Detektei einen neuen …«
»Das bezweifele ich, alle Katzen sind Einzelgänger«, sprach eine näselnde weibliche Stimme dazwischen.
»Oh nein, nicht schon wieder die beiden!«, flüsterte Trix.
Ich wandte mich um. Hinter uns standen zwei zierliche Frauen, die offenbar gerade aus der mittleren Tür des letzten Wagens gestiegen waren. Die beiden hatten eine karierte Reisetasche dabei, aus der eine Leselampe mit grünem Schirm herausragte – ein Teil, wie man es normalerweise zu Hause auf dem Schreibtisch stehen hat. Nicht gerade praktisch für eine Reise. Noch auffälliger als ihr Gepäck waren die Frauen selbst. Sie trugen identische grüne Kleider und glichen sich auch sonst wie ein Ei dem anderen. Nein, korrigierte ich mich, sie sahen sich sogar um einiges ähnlicher, als Eier das für gewöhnlich tun. Beide hatten weit auseinanderstehende wasserblaue Augen, ein blasses Gesicht, hohe Wangenknochen und eine elegante schmale Nase, auf der je eine schwarze, eckige Brille saß. Ihre kinnlangen dunklen Haare waren so exakt geschnitten, als hätte der Friseur dazu ein Geodreieck benutzt. Lediglich die rot geschminkten Münder zeigten einen Unterschied: Während die eine Frau lächelte, sah die andere aus, als hätten ihre beiden Mundwinkel eine dringende Verabredung unter dem Kinn. Sie holte eine E-Zigarette hervor, zog lässig daran und pustete mir den süßlichen Dampf ins Gesicht.
»Die Katzen werden sich garantiert gegenseitig die Augen auskratzen«, verkündete sie.
Trix presste die Lippen aufeinander.
»Es gibt sicher auch Katzen, die Gesellschaft zu schätzen wissen, Klara«, sagte die andere Frau. »Hör doch endlich auf, Trix damit aufzuziehen.« Ihre Stimme klang dunkel und sanft. Sie beugte sich zu Miss Moneypennys Katzenkorb herunter. »Du freust dich auf deine kleine Katzenfreundin, was? Pspspspspsps!«
Die Katze fauchte sie an.
Erschrocken zog die Frau den Kopf zurück. Sie ließ die Mundwinkel sinken, während die ihrer Schwester nach oben schnellten. Die beiden erinnerten mich an die Pole einer Batterie, die niemals beide positiv oder beide negativ geladen sein können.
Trix seufzte tief. »Harald, das sind Klara Schwartz« – sie zeigte auf die Frau mit der E-Zigarette – »und Aurora Schwartz. Wir saßen während der Fahrt im selben Abteil.«
Klara sah Trix herausfordernd an. »Bis die liebe Trix sich von uns weggesetzt hat. Angeblich, weil ihrer Katze die Zugluft in unserem Abteil nicht bekam. In Wirklichkeit sind wir ihr wohl einfach zu sehr auf die Nerven gefallen.«
»Stimmt«, stellte Trix trocken fest. »Und das ist Harald Donnerschlag.«
Aurora lächelt mir zu. »Hallo, Harald.«
Klara musterte mich, als wäre ich eine Nacktschnecke im Teigmantel.
»Herzlich willkommen in Ruckelnsen, dem Juwel am Schlick!«, sagte ich höflich. »Leider ist bei uns zurzeit das Leitungswasser grün, aber das werden wir in Kürze aufgeklärt haben.«
»Interessant«, bemerkte Klara unbeeindruckt.
Aurora hingegen riss erschrocken die Augen auf. »Grünes Wasser? Bist du sicher? Bist du vollkommen sicher? Es ist wirklich … grün?« Sie fasste sich an die Stirn, als hätte sie plötzlich furchtbare...