E-Book, Deutsch, Band 5, 304 Seiten
Reihe: Charlotte Nöhrer
Schleifer Perchtoldsdorfer Totentanz
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98707-224-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 5, 304 Seiten
Reihe: Charlotte Nöhrer
ISBN: 978-3-98707-224-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mord, umstrittenes Fracking und eine Bordelleröffnung. Band 5 der erfolgreichen Weinkrimireihe: erfrischend anders!
Perchtoldsdorf in heller Aufregung: Auf einem Kostümball bringt Darth Vader doch tatsächlich Batman um. Aber die Charlotte steht schon in den Ermittlungsstartlöchern. Erste Hinweise zeigen, dass die beginnenden Schiefergasbohrungen auf der naturgeschützten Perchtoldsdorfer Heide etwas mit der Sache zu tun haben. Und ausgerechnet in diesem Chaos muss die Magda auch noch ihr Nobel-Bordell im Ort aufsperren! Die Charlotte hat alle Hände voll zu tun.
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EINS
Am Anfang war das Wort. Oftmals war es »Geh«. Wie in »Geh weiter« zum Beispiel oder auch »Geh, nicht schon wieder«. Oder auch »Geh scheißen«. Eine schöne Wiener Redewendung, die in ihrer Bedeutung, trotz aller scheinbaren Deutlichkeit, doch einiges an Interpretationsspielraum offenlässt. Damit kann natürlich durchaus das gemeint sein, woran man hier als Erstes denkt. Nämlich, dass man verschwinden soll, sich in Luft auflösen, aus den Augen gehen, whatever. Natürlich könnte man es auch wörtlich nehmen, aber in diesem Zusammenhang wird »Geh scheißen« eher selten verwendet. Diese – sehr direkte – Aufforderung richtet sich dann eher an ein zappelndes Kleinkind. Aber da drückte man sich etwas gewählter aus. Man kann es auch als ungläubigen Ausruf verwenden. Also zum Beispiel: »Österreich ist Fußballweltmeister!« Und als Antwort dann: »Geh scheißen!« Also für den Fall, dass die Aussage auch tatsächlich stimmt. In diesem Fall ist es dann ein Ausdruck ungläubigen Erstaunens. Wie auch immer. Es hätte an dieser Stelle auf jeden Fall ganz gut gepasst. Wurde aber trotzdem nicht verwendet. Hier und jetzt war es nämlich »Geh, schleich dich!«. Salopp dahingeflucht von der Charlotte Nöhrer, als sie plötzlich und – natürlich – völlig unvorbereitet vor einem regungslosen Batman stand. Neben ihm lag ein Spielzeuglichtschwert mit leuchtender roter Klinge, an dem ein paar dunkle Flecken klebten. Blut, mit ziemlicher Sicherheit. Oookkaayyy … So etwas sollte eigentlich, wenn überhaupt, nur in einem Hollywood-Mega-Superüberdrüber-Blockbuster passieren. War es aber nicht. Nicht zuletzt, weil Batman und ein Lichtschwert aber so was von überhaupt nicht zusammenpassten. Weil das ja eigentlich zwei total unterschiedliche Franchises sind und so was deshalb grundsätzlich nicht funktionierte. Batman ist noch in keinem »Star Wars«-Film aufgetreten. Ganz. Sicher. Nicht. Im konkreten Fall konnte es sowieso nicht wahr sein, weil es beim Perchtoldsdorfer Zombieball passiert war. Wie und wieso sollte da jemand mit einem Spielzeugschwert ums Eck gebracht werden? Hatte da jemand den Titel der Veranstaltung gar zu wörtlich genommen? »Ums Eck« war jetzt übrigens doch wörtlich gemeint. Der tote Batman lag nämlich hinter einer Ecke auf den obersten Stufen einer Treppe, die ins untere Geschoss führte. Schön versteckt, kaum benützt, kurz: perfekt, um eine Leiche unauffällig abzuladen. Die Charlotte, als überdimensionales kanariengelbes Pokémon verkleidet, beugte sich über den vermutlich toten Batman. Ihre Freundin, die Andrea, lugte ihr über die Schulter, um einen besseren Blick auf den gemeuchelten Superhelden zu erhaschen. Über die Schulter von der Andrea wiederum guckte die Renate Obermayer, verwitwete Kulturagentin und seit letztem Sommer Busenfreundin von der Charlotte und der Andrea, nachdem die beiden den Mord an ihrem Mann aufgeklärt hatten. »Jetzt ist schon wieder was passiert …«, flüsterte die Andrea mit einem Anflug von Verzückung. »Geh bitte«, fluchte die Charlotte leise zurück, »falscher Krimi!« Die Charlotte schwitzte unter ihrem dicken Pokémon-Kostüm wie … na, eh schon wissen. Und trotzdem lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Nicht weil sie der Anblick der Leiche so sehr schockiert hätte (davon hatte sie im letzten Jahr genug gesehen), sondern weil in der Stimme der Andrea fast so etwas wie Enthusiasmus mitschwang. Die Blondine war im letzten Jahr offenbar auf den Geschmack gekommen und roch jetzt, nicht zu Unrecht, einen neuen Fall. Seit der Geschichte mit dem toten Pfarrer und dem vereitelten Bombenattentat auf die weihnachtliche Mitternachtsmette war nichts Großartiges mehr passiert. Ein krasser Gegensatz zu der Zeit davor, als die beiden praktisch im Monatsrhythmus über neue Leichen gestolpert waren. Das Aufregendste, was in der letzten Zeit passiert war, war ihr Ausflug nach Schladming zum Nachtslalom gewesen, den ihnen der Skiort spendiert hatte, nachdem sie im Jahr zuvor eine Mordserie rund um das Schladminger »Nightrace« geklärt hatten. Diesmal war alles friedlich abgelaufen. Wenn man mal von der nervigen Reporterin absah, die ihnen auf die Pelle gerückt war, um sich die Geschichte nochmals erzählen zu lassen. Mit der hatten sie dann tatsächlich ihren Spaß gehabt. Die Reporterin hatte das ein wenig anders gesehen. Aber sie hatte es ja nicht anders gewollt. Die Andrea und die Renate hatten sich als Sailor Moon und irgendeine andere Manga-Tussi verkleidet. Hauptsache, wenig Stoff und sexy. Und so zogen die Andrea und die Renate in ihren knappen Kostümchen schon den ganzen Abend einen Rattenschwanz an sabbernden Männern hinter sich her. Völlig egal, dass die beiden in – mehr oder weniger – festen Händen waren. Die Andrea in jenen der Charlotte und die Renate in jenen vom Mario, dem Besitzer der besten (und einzigen) Cocktailbar in Perchtoldsdorf. Das »mehr oder weniger« traf in erster Linie natürlich auf die Renate zu, denn die Andrea war nach wie vor bis über beide ihr zur Verfügung stehenden Ohren in die Charlotte verknallt. Was die Renate und die Andrea gemein hatten, war ihre Lust am Flirten und an der Provokation. Und dazu eigneten sich die retro-futuristischen japanischen Schulmädchen-Uniformen natürlich hervorragend. Da tat es nichts zur Sache, dass der Mario auch auf dem Ball war. Irgendwie halt. Denn er schmiss, was ja irgendwie naheliegend war, die Cocktailbar. Natürlich nur mit reduzierter Karte. Also, wie gesagt: Er war zwar da, aber irgendwie auch nicht. Denn die Bar befand sich im Dauerbelagerungszustand, und da hatte er so was von gar keine Möglichkeit, sich mal einen Moment wegzustehlen, um mit seiner Renate herumzumachen. Die Charlotte tat sich auch schwer, was das Herumschmusen anging. Bei ihr lag das aber am Pokémon-Kostüm, in dem sie wie ein gelbes Michelin-Männchen aussah. Die Andrea hatte dank ihrer blonden Mähne frisurtechnisch gar nichts groß ändern müssen, um den Sailor-Moon-Look hinzubekommen. Die Figur passte sowieso. Die Renate hatte sich für ihre Rolle der Michiru kurzerhand für sauteures Geld eine grüne Perücke anfertigen lassen. Gut, dass bei ihr Geld kaum eine Rolle spielte, ihrer Künstler- und Eventagentur sei Dank. Für die Renate wäre es keinesfalls in Frage gekommen, eine billige Zehn-Euro-Perücke zu kaufen. So etwas hätte sie sich nie über den Kopf gestülpt. Und die Charlotte? Neben den beiden gerade notdürftigst bekleideten Zeichentrick-Pin-ups schwitzte sie in ihrem Pokémon-Kostüm wie blöd. Zudem nervte eine ihrer kastanienroten Locken, die sich ausgerechnet heute besonders widerspenstig gab und ihr immer wieder in die Stirn rutschte. Und mit ihren Pokémon-Pranken schaffte es die Charlotte einfach nicht, dieser Locke Herrin zu werden. Neben den beiden supersexy Weibern sah sie in ihrem Kostüm sowieso nur zum Lachen aus. Die Charlotte fuchtelte mit den Händen, bis sich einer der Pranken-Handschuhe endlich löste. Vom Gesicht des Batman war, wie es sich gehörte, nur die Mundpartie zu sehen. Vorsichtig zog sie ihm die Maske vom Kopf. Die Augen des Batman blickten starr zur Decke, Speichel war aus einem Mundwinkel gelaufen. Die Charlotte glaubte, das glatt rasierte Gesicht von irgendwoher zu kennen, konnte es aber nicht richtig einordnen. Sie legte zwei Finger auf die Halsschlagader von Batman, zu fühlen gab es aber nichts mehr. Der Mann war tot. Mausetot. Dead as a Dodo, wie Monty Python zu sagen pflegten. »Was ist los?«, hechelte plötzlich die Flora über die Schulter ihrer großen Schwester. Die Charlotte drehte sich um und fragte sich, was genau die Flora eigentlich darstellen wollte. Irgendwie erinnerte das Kostüm an eine Mumie mit Röckchen. Eingewickelt in graue Stoffbinden, dazu ein Holzstock. Beim Herrichten daheim hatte sie ihr noch erklärt, sie wäre Rey aus »Star Wars«. Aber die Charlotte hatte die neuen »Star Wars«-Filme geflissentlich ignoriert und konnte damit überhaupt nichts anfangen. In den alten Filmen kam diese Rey jedenfalls nicht vor. »Wonach sieht es aus?«, gab sie zurück. »Hol lieber den Leo, statt hier blöd herumzugaffen.« Interessanterweise zischte die Flora sofort und ohne blödes Zurückmaulen ab. Der Noah, Charlottes und Renates Ziehsohn, blieb jedoch wie angewurzelt stehen. Mit seinem Kostüm konnte die Charlotte schon mehr anfangen: Er war als Nick Knatterton von Kopf bis Fuß in Karo gekleidet. Sie hatte keine Ahnung, wie er auf den gekommen war, schließlich waren die Kurzfilmchen schon lange vor seiner Zeit im Fernsehen gelaufen, und die Comics waren noch viel älter. Aber dem schlaksigen Siebzehnjährigen passte das Kostüm praktisch wie angegossen. Und irgendwie war es ja auch passend, dass der »Detektiv« hier am Schauplatz erschien. Wenige Augenblicke später kam die Flora auch schon mit dem Leo im Schlepptau zurückgehetzt. Der Chefinspektor hatte sich als König Leonidas aus »300« verkleidet. Oder besser: entkleidet. Außer hohen Römersandalen, einem roten Cape und einem Lederlendenschurz trug er nicht viel. Wie die Andrea konnte aber auch er sich sein Kostüm leisten. Ein gutes Dutzend lechzender Singlefrauen folgte dem begehrtesten Junggesellen des Orts, aber an seiner Hand hielt er nur eine einzige Frau – die Elena. Ja, die Geschichte mit der tschechischen Nutte lief auch nach gut fünf Monaten noch. Inzwischen war die Elena sogar schon in der Junggesellenwohnung vom Leo eingezogen. Das wäre jetzt an und für sich noch keine große Geschichte gewesen. Abgesehen von der kleinen Tatsache, dass die Elena ihr Geld als Nutte verdiente, im demnächst neu eröffnenden Bordell an der Stadtgrenze zu Wien. Bis es so weit war, hatte sie sich als Kellnerin in der Turmbar verdingt. Wie das...




