Schmeller / Kummer Jakob Wolff - Chastels Geheimnis
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-945230-13-8
Verlag: Leseratten Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
1788
E-Book, Deutsch, 120 Seiten
Reihe: Jakob Wolff - Hexenmeister
ISBN: 978-3-945230-13-8
Verlag: Leseratten Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jakob Wolff ist auf dem Weg durch das Frankreich des Jahres 1788, als es ihn in ein geheimnisvolles altes Haus inmitten des Waldes treibt. Die dunkle Geschichte von Chastel zieht Jakob in seinen Bann und zwingt ihn zu handeln, denn der Termin des Rituals rückt immer näher.
Mit "Chastels Geheimnis" erscheint der vierte Roman der Jakob Wolff Reihe. Dominik Schmeller gibt hiermit seinen Einstand in die Mystery-Serie rund um den Hexenmeister.
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Kapitel 7 – Gerissen
22. August 1788 Jakob war so fasziniert von der Geschichte, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie die Zeit vergangen war. Inzwischen saßen er und Chastel im Speisesaal, wo sie ein köstliches Mahl genossen hatten. Als er einen Blick durch die Fenster nach draußen warf, merkte er, dass dort die Nacht schon hereingebrochen war. Das Unwetter hatte sich verzogen. »Darf ich Euch etwas fragen, Monsieur Chastel?« Der Hausherr nickte. Offenbar war er zufrieden, dass das Interesse seines Gastes für seine Geschichte endlich entflammt war. Jakob legte den hölzernen Löffel zur Seite, mit dem er eben das köstliche Sahnedessert genossen hatte. »Warum wart Ihr Euch so sicher, dass die Bestie natürlichen Ursprungs war und keine Strafe Gottes?« »Dies ist eine gute Frage, Monsieur Camminou. Und wenn ich sie Euch beantworte, werdet Ihr anders über die Dinge denken.« Er nahm einen Schluck Wein, als müsste er sich seine Worte überlegen. »Es liegt daran, weil ich die Bestie gezüchtet habe«, sagte er frei heraus. Jakob schluckte. Damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Chastel nickte. »Ihr seid überrascht? Ich kann es Euch nicht verdenken. Und hätte ich die Macht, würde ich meine Taten von damals ungeschehen machen. Die Bestie ist nichts anderes als eine Züchtung aus einem Wolf und einem Hund, aggressiv und gerissen. So gerissen gar, dass sie mir immer wieder entkommen konnte, egal, wie gut ich sie auch eingesperrt hatte.« Der Blick des massigen Mannes stierte ins Leere, als erlebte er noch einmal die Vergangenheit. »Also doch etwas Übernatürliches?«, fragte Jakob. Chastel kam ins Hier und Jetzt zurück. »Nein, Monsieur!«, sagte er vehement. »Ein Tier! Bloß ein Tier!« In Jakobs Innerem brodelte es. Konnte es sein, dass der Mann, der ihm gegenübersaß, für all die Morde im Gévaudan verantwortlich war, die im Namen der Bestie verübt worden waren? Tausende Fragen schwirrten in seinem Kopf herum. Er öffnete den Mund, um eine davon zu stellen, als Chastel aufsprang, dabei grob an den Tisch stieß und die Weinflasche umstieß. Blutroter Wein spritzte auf die Tischdecke. »Entschuldigt mich, Monsieur«, stieß er hervor. »Ich bin erschöpft und muss mich zurückziehen.« Daraufhin eilte er flink aus dem Raum und ließ Jakob sprachlos am Tisch zurück. Kapitel 8 – Geister
23. August 1788 Am nächsten Morgen fand Jakob seine Kleidung ordentlich zusammengelegt auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch. Der Straßendreck war verschwunden und der Stoff duftete angenehm nach Veilchen. Zufrieden wusch sich Jakob an der Waschschüssel und zog die saubere Kleidung an. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass heute kein Unwetter drohte. Ein paar weiße Schäfchenwolken durchzogen den blauen Himmel. Schmetterlinge schwirrten über die Mauer des Grundstücks und verschwanden im nahen Wald. Ich könnte jederzeit aufbrechen. Das Zimmer verlassen, die Treppe hinunter und dann durch die Eingangstüre. Keiner würde ihn aufhalten. Doch wenn Jakob ehrlich zu sich war, dann hatte er kein Interesse mehr daran, möglichst schnell zu verschwinden. Chastels Geschichte hatte ihn neugierig gemacht. Und das fühlte er viel zu selten, um es nicht auszukosten. Nach all den Jahrzehnten, gar Jahrhunderten, die er nun schon über diese Welt streifte, entdeckte er nur wenige Dinge, die es noch schafften, ihn zu faszinieren. Und genau dieses selten aufflackernde Interesse war es, das Jakob sagte, dass er nicht am Ende angekommen war. Solange er neugierig sein konnte, solange hatte alles einen Sinn. Jedoch gab es da noch einen anderen Gedanken, der sich in Jakobs Geist drängte. Schon bald würde sich sein Jahr dem Ende neigen und er müsste das Ritual durchführen. Und dafür brauchte er ein passendes Opfer. Würde er hier überhaupt rechtzeitig ein Opfer finden können? Wäre es nicht doch besser, weiterzureisen? Aber seine Neugierde schob diese Fragen in den Hintergrund. Noch hatte er einige Tage Zeit. Zuerst musste er herausfinden, was hinter Chastels Geschichte steckte. Als er in die Eingangshalle des Anwesens trat, lauschte er. Wie er vermutete hatte, war nichts zu hören. Chastel schien zu ruhen und sonst befand sich offenbar niemand im Haus. Jakob fühlte Hunger und machte sich auf den Weg in die Küche, um dort etwas Essbares aufzuspüren. Der Raum war sehr sauber und wurde jeden Tag benutzt, wie ihm die frische Asche im Ofen verriet. Da Chastel sich bestimmt nicht hinter den Herd stellte, um das Abendmahl vorzubereiten, musste es hier einen Diener geben. Jakob versuchte sich zu erinnern, doch hatte er bisher nie Schritte im Haus wahrgenommen, die nicht von Chastel oder ihm selbst gestammt hätten. Einmal war Töpfegeklapper aus der Küche gedrungen, jedoch hatte sich der Raum dann als verlassen herausgestellt. Abends stand das Essen immer schon bereit, wenn Jakob zusammen mit seinem Gastgeber den Speisesaal betrat. Gab es hier etwa Haushaltsgeister, die Chastel zu Diensten waren? Jakob nahm sich vor, den alten Mann danach zu fragen, während er ein Stück Roggenbrot aus einem Regal stibitzte und herzhaft hineinbiss. Dann schnappte er sich zwei Pflaumen und verspeiste diese ebenso genüsslich. Während er noch die letzten Bissen Pflaume herunterschluckte, fiel ihm ein Schrank auf, der in der sonst so sauberen Küche herausstach. Der Rand der weißen Tür war mit dunklen Flecken bespritzt. Jakob trat näher heran und untersuchte die Spritzer, die an dem Holz klebten. Es war Schlamm. Auch auf dem Boden vor dem Schrank waren Schlammspuren zu sehen. Jakob nahm etwas davon auf seinen Finger und schnupperte daran. Es roch nach Wald und Pilzen. Die Ränder der Flecken waren eingetrocknet, doch deren Mitte war noch feucht. Jemand musste erst vor kurzem, wahrscheinlich in der Nacht, mit Schlamm beschmiert in der Küche gewesen sein. Verwundert blickte Jakob um sich, doch der Raum war nach wie vor verlassen. Nirgendwo sonst fanden sich Schlammspuren. Als wäre derjenige direkt vor dem Schrank aus dem Nichts erschienen. Nun war Jakobs Neugier endgültig erwacht. Ungeduldig zog er die Tür auf. Was er sah, ließ ihn erstaunt nach Luft schnappen. Von Musketen bis Tierfallen hätte er vieles erwartet. Doch der Schrank enthielt etwas ganz anderes. Was hatte Chastel nur zu verbergen? Den restlichen Tag verbrachte Jakob im Salon, ungeduldig darauf wartend, dass sein Gastgeber endlich erschien. Inzwischen hatte er eine veränderte Sicht auf den Hausherren und er nahm das Gemälde über dem Kamin, das eine Jagd inklusive Hundemeute in winterlichen Wäldern darstellte, mit ganz anderen Augen wahr. Jakob vertrieb sich die Zeit mit Lesen. Als es draußen bereits dämmerte, erklangen endlich Schritte in der Halle. Das musste Chastel sein. Jakob hatte sich den ganzen Nachmittag gefragt, was eigentlich in diesem unnahbaren Mann vorging. Warum erzählte er ihm von seiner Vergangenheit? Was bezweckte er damit? Wollte er sein Gewissen an einem fremden Wanderer erleichtern, der die Gegend bald wieder verlassen hatte? Jakob beschloss, sich nicht zum seelischen Misthaufen dieses Mannes machen zu lassen. Was auch immer Chastel vorhatte, Jakob würde auf der Hut bleiben. Die Schritte aus der Halle erreichten die Tür zum Salon. Diese schwang auf und Chastel betrat den Raum. Gönnerhaft lächelte er Jakob zu. »Ich hoffe, Ihr habt gut geruht?« Jakob nickte. »Ihr offenbar auch, Monsieur.« Was machst du den ganzen Tag? Warum bekomme ich dich erst abends zu Gesicht, alter Mann? Irgendetwas verheimlichte sein Gastgeber. Chastel stellte sich ans Fenster und blickte eine Weile hinaus, ohne etwas zu sagen. Dann drehte er sich um und sah Jakob an. »Was denkt Ihr? Wollen wir zum Abendessen schreiten?« »Ich bin durchaus hungrig«, stellte Jakob fest und folgte Chastel aus dem Salon in den Speisesaal. Wie erwartet, standen Geschirr, Besteck und Holzschüsseln mit dem Abendessen auf dem Tisch bereit. Während Chastel sich gekochte Karottenstücke auf den Teller legte und Soße darüber goss, rührte Jakob das Essen nicht an. Chastel blickte auf und bemerkte, dass sich sein Gast nicht bediente. »Was habt Ihr, Monsieur? Sagtet Ihr nicht eben, Ihr wäret hungrig?« »Appetit verspüre ich sehr wohl. Doch zuvor habe ich eine Frage an Euch, Monsieur Chastel.« »Dann fragt mich doch frei heraus. Ich möchte keine Geheimnisse vor Euch haben.« Jakob war über Chastels Aussage überrascht. Mit dieser Offenheit hätte er nicht gerechnet. Dennoch zögerte er nicht. »Es geht um die Dinge, die hier im Haus geschehen. Meine Kleidung verschwindet und taucht am nächsten Tag gewaschen wieder auf.« Chastel nickte, als wäre das nichts Besonderes. »Das Abendessen«, Jakob wies auf den Tisch vor sich. »Jeden Abend erscheint es wie aus Geisterhand.« Plötzlich lachte Chastel laut auf. »Ich verstehe, was Ihr meint. Ihr denkt, ich halte hier Geister.« Noch ein lauter Lacher. »Seid beruhigt, Monsieur Camminou. Hier geht alles mit rechten Dingen zu.« Er wandte sich der Tür in die Küche zu. »Marie!«, rief er laut. »Komm doch einmal herein! Unser Gast will dich sehen.« Erst geschah nichts, doch dann rührte sich die Schwingtüre tatsächlich. Eine Frau trat herein, blieb ihm Türrahmen stehen und blickte schüchtern in die Runde. Sie hatte sicher schon an die...