E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Schmidt / Straub / Müller Grundeinkommen von A bis Z
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-03855-058-7
Verlag: Limmat Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dafür - Dagegen - Perspektiven
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-03855-058-7
Verlag: Limmat Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
"Grundeinkommen von A bis Z" ist eine verständlich geschriebene Vertiefung und ein Argumentarium für die Diskussion um eine für viele irritierende Idee. Es nimmt sich die wichtigsten Fragen und Einwände für und gegen das Grundeinkommen vor: Wer arbeitet dann noch? Wer soll das bezahlen? Ist das gerecht, wenn man auch ohne Arbeit genug zum Leben hat? Ist das eine Lohnkostensubvention für private Unternehmen? Kommen dann mehr Migranten? Was ist der Wert, was die Zukunft der Arbeit? Neben den wichtigsten Fragen mit ihrem Dafür und Dawider erzählen die Autoren auch die Geschichte dieser Idee und gehen gründlich auf die Frage der Finanzierung ein.
Enno Schmidt. Geboren 1958, hat an der Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt am Main Malerei studiert. Ausstellungen im In- und Ausland. Er ist Mitbegründer des Unternehmens Wirtschaft und Kunst - erweitert GmbH. 2006 gründete er mit dem Unternehmer Daniel Häni in Basel die Initiative Grundeinkommen und realisierte 2008 den Film "Grundeinkommen - ein Kulturimpuls". Enno Schmidt ist als Autor, Filmemacher und Redner für die Initiative Grundeinkommen in der Schweiz und weltweit tätig. Enno Schmidt lebt in Basel. Daniel Straub. Geboren 1967, hat in Luzern Wirtschaft, in Kalifornien Politik und in Bern Psychologie studiert. Er war unter anderem bei IBM tätig, hat als IKRK-Delegierter gearbeitet und eine Montessorischule geleitet. Heute ist er Publizist und hat zusammen mit Christian Müller die Schweizer Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen in die Wege geleitet. Christian Müller. Geboren 1981, ist Ökonom und Journalist. Er engagiert sich in kooperativen Landwirtschaftsprojekten und entwirft als Mitgründer des Instituts Zukunft anschlussfähige Wege für Arbeit und Wirtschaft von morgen. Auch er ist Mitglied des Initiativkomitees der eidgenössischen Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Der Vater von zwei Kindern lebt mit seiner Familie in Zürich.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Das bedingungslose Grundeinkommen
Eine Einführung
Der Vorschlag zu einem bedingungslosen Grundeinkommen erscheint als positive Vision des 21. Jahrhunderts: Er ermöglicht jedem Menschen mehr individuelle Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung. Damit wird allen ein wenig mehr Verfügungsgewalt über das eigene Leben in die eigene Hand gegeben und eine freie persönliche Existenzgrundlage gewährt. Dies in Zeiten von großen Veränderungen durch technologische Neuerungen, Szenarien des Klimawandels und geopolitischer Unsicherheiten. Parallel zu diesen Entwicklungen tritt das Grundeinkommen als menschlich-soziale Innovation auf. Es ist erstaunlich, dass die Idee überhaupt ernst genommen wird, denn das bedingungslose Grundeinkommen widerspricht ja allem, was wir gewohnt sind. Dass jeder ein Einkommen zum Leben braucht, steht außer Frage. Aber doch nicht bedingungslos? Wer von dem leben will, was andere tun, muss selber etwas beigetragen haben. Wer das nachweislich nicht kann, dem wird solidarisch geholfen. Aber nicht, wenn jemand gesund ist und arbeiten könnte, aber einfach nicht will. Im Verlauf der Menschheitsgeschichte gab es immer wieder umstrittene Visionen. Einige der «utopischen» Forderungen der Aufklärung sind mit der Zeit Wirklichkeit geworden. Auch damals wollten viele, dass es bleibt, wie es ist. Ein Stimmrecht für Menschen ohne Vermögen sah man als Einzug der Verantwortungslosigkeit in die Politik. Bevor es Rentenversicherungen gab, sahen viele die Selbstverantwortung in Gefahr. Im Frauenstimmrecht sah man eine Gefahr der Verwahrlosung der Familie. Visionen von früher erleben wir heute als Selbstverständlichkeit und vergessen meist, dass die Menschheit einen Weg in der Geschichte zurückgelegt hat. Jede Idee geht durch verschiedene Stufen vom ersten Auftreten über die Verbreitung bis hin zur Akzeptanz. Jede Stufe hat seine Zeit und seine Berechtigung. Als politischer Vorschlag kam der Gedanke zu einem Grundeinkommen in der Zeit der Aufklärung auf. Thomas Paine (1736–1809), einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika und einer der Begründer der Menschenrechte, merkte an, dass die Menschenrechte nur Buchstaben auf dem Papier seien, wenn die Mehrzahl der Menschen in existenzieller Abhängigkeit von den Landbesitzern seien und sich nicht selbst versorgen können. Thomas Spence (1750–1814) argumentierte bereits für ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden ein Leben lang und verband diesen Vorschlag mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau, einem allgemeinen Wahlrecht und direkter Demokratie. Er war sich sicher, dass Ethik und Moral dadurch zunehmen würden, die Bildung gefördert würde und dass mehr Kaufkraft in den Händen von vielen die Wirtschaft aufblühen ließe. Dass der Gedanke eines bedingungslosen Grundeinkommens mit der Jahrtausendwende in die öffentliche Diskussion kam, hat seine äußeren Gründe in der Flexibilisierung der Arbeit, in der Globalisierung der Märkte, in der Rationalisierung und Automatisierung aller Bereiche der Wirtschaft. Vollbeschäftigung in Erwerbsarbeit ist eine Forderung, die an der Vergangenheit festhält. Ein Festhalten an Altem auf Kosten der Gegenwart und eine restriktive Handhabung eines überforderten Sozialsystems. Letzteres zeigt sich in verschiedenen Formen, zum Beispiel in der Zunahme des Niedriglohnsektors, der Verbreitung stressbedingter Krankheiten und der Arbeitsüberlastung für die einen und Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt für andere. Doch auf all das kann es auch andere Antworten als ein bedingungsloses Grundeinkommen geben. Das Grundeinkommen würde diese Probleme nicht einfach lösen. Es könnte nur eine bessere Rahmenbedingung mit mehr Bewegungsfreiheit bieten. Es setzt Eigenaktivität voraus. Und wo die ist, lässt sich auch heute vieles lösen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist kein Versprechen auf bessere Verhältnisse oder bessere Menschen. Es setzt sie auch nicht voraus. Was sich jemand vom Grundeinkommen verspricht, verspricht er sich selbst. Ob im Negativen oder im Positiven. Zwar kann ein bedingungsloses Grundeinkommen auch als eine Gesellschaftsutopie aufgefasst werden. Aber dann unterscheidet sie sich von anderen Utopien darin, dass sie keine Ideologie ist, kein Bild vom Menschen kreiert, wie er sein sollte, sondern dass sie lediglich das Mehr zum Zuge kommen lässt, was jeder ist und je nach den gesellschaftlichen Notwendigkeiten werden kann. Das Grundeinkommen bestimmt nichts, wenn es bedingungslos ist. Darin liegt das Missverständnis vieler Kritiken, dass sie es als eine Bestimmung zu etwas sehen. Gerade das ist es nicht. Und gerade das ist das Neue bei diesem Einkommen. Das bedingungslose Grundeinkommen ist also nicht, wie es manchmal heißt, die Lösung aller Probleme oder gar eine Generallösung. Es ermöglicht nur mehr Lösungen aus individueller Anschauung und eigener Kraft dort, wo Probleme auftreten. In den Berufen und außerhalb davon. Die Vorstellung eines bedingungslosen Grundeinkommens kann auch Probleme deutlicher zum Vorschein kommen lassen und Krisen auftun. Es lässt die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern mehr zur Sprache kommen. Es lässt die Frage offener stellen: In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Und wie will ich leben? «Es wird fast immer übersehen», sagt der Ökonom Klaus Wellershoff, «dass der Industrialisierung die Aufklärung vorangegangen ist.» Das bedingungslose Grundeinkommen entfacht eine neue Aufklärung und bringt dabei die Demokratie noch einmal mehr ins Spiel. Eine Aufklärung, die der kommenden Digitalisierung, der Industrialisierung 4.0, vorangehen sollte. Das Grundeinkommen lässt Glaubenssätze wanken. Es zwingt dazu, manches neu anzuschauen und neu zu denken. Das ist unangenehm. Zumindest unbequem. Was wird Leistung sein in der künftigen Leistungsgesellschaft? Welche Faktoren haben die Wirtschaft in den westlichen Ländern erfolgreich gemacht? «Nicht Druck», sagt Klaus Wellershoff, «sondern Kreativität. Dieses Gefühl, die Sache immer noch etwas besser machen zu wollen.» Eigenverantwortung, eigene Initiative und selbständige Wahrnehmung für das, was besser gemacht werden kann und woran es fehlt. Alles Dinge, die in der Wirtschaft von heute gefragt sind. Dinge, die ein bedingungsloses Einkommen herausfordert, weil es sie einem nicht abnimmt? Kommt das bedingungslose Grundeinkommen der Mentalität und den Anforderungen des heutigen Arbeitslebens entgegen? Macht es nur auf der Einkommensseite bewusst, was in der Erwerbsarbeit schon längst gefragt ist? Viele meinen, nein. Sie befürchten, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen demotiviert, den Wert der Arbeit untergräbt, das Gefühl der Würde nimmt, für sich selbst zu sorgen. Weiter ist die Befürchtung, dass die Freiheit viele ohne Struktur in Träumerei versinken ließe. Da kann sie dann auch keiner mehr herausholen, wenn das Grundeinkommen bedingungslos ist. Kann es ein Recht auf Leben geben ohne Pflicht zur Arbeit? Das Grundeinkommen wäre aus den Bedingungen einer Erwerbsarbeit oder der Sozialleistungen gelöst. Es wäre also nicht mit Auflagen verbunden, wäre nicht eine Hilfe bei besonderer Bedürftigkeit, es wäre keine Bezahlung, die eine Gegenleistung verlangt, keine Aufforderung zu einem bestimmten Verhalten. Es gäbe jedem bedingungslos den Grundbetrag zum Lebensunterhalt ein Leben lang. Das ist das Neue an dem Gedanken. Es wäre unabhängig von Vermögen, Familienstand, vom Wohnort und davon, welcher Arbeit jemand nachgeht und ob jemand eine bezahlte Arbeit verrichtet. Das bedingungslose Grundeinkommen soll für alle sein und ist nicht vornehmlich zur Armutsbekämpfung. Es ist nicht nur für einen Teil der Gesellschaft. Es soll den Teil des Einkommens bedingungslos machen, der für ein Leben in Würde und die Teilnahme am öffentlichen Leben unabdingbar ist. Das stellt grundsätzlich vieles infrage. Kann eine Gesellschaft so funktionieren? Ist das eine Freikarte zur Faulheit auf Kosten der Allgemeinheit? Erzeugt das eine Illusion vom Schlaraffenland und ist es ein Magnet für Migranten? Führt das sogar zu einer Teilung der Gesellschaft in eine Kaste von «Grundeinkömmlern» auf der einen und Leistungsträgern auf der anderen Seite? Ist das eine entsicherte Handgranate, welche die gesellschaftliche Solidarität zerreißen würde? Bloß eine Idee von Leuten, die nicht arbeiten wollen? Oder ist das Grundeinkommen eine längst fällige Reform für die Marktwirtschaft? Es wäre ein gleiches Grundeinkommen für alle. Gleichheit ist aber nicht Markt und nicht Wirtschaft. Es wäre die Existenzgrundlage, die auch heute jeder hat, die wir uns gegenseitig neu als bedingungslose Existenzgrundlage zusprechen würden und auch gegenseitig bezahlen müssten. Das Lebensnotwendige wäre für alle aus den Markteinkommen und Sozialeinkommen herausgenommen. Es wäre nur der Grundbetrag des Einkommens. Das, was jeder unabhängig von Leistung oder besonderem Bedarf ohnehin und unabdingbar zum Leben braucht. Diese Grundlage wäre sicher und fest. Darauf würde sich das Marktgeschehen mit hohen und niedrigen Einkommen auf Leistungen jeglicher Art entfalten. Es hieße nicht, Leistung lohnt sich nicht. Es hieße nicht, dass jemand seine Arbeit sein lässt. Aber es ließe die Aufmerksamkeit auch auf anderes zu, als was bezahlt wird. Es macht den Handlungs- und Entscheidungsrahmen für jeden individuell größer. Der Sockelbetrag zum Leben wäre davon entkoppelt, etwas zu tun, was eine Bezahlung findet. Das Grundeinkommen beflügelt viele Fantasien. Auch wenn es sich nur um den Sockelbetrag handelt, den ohnehin jeder auf irgendeine Weise erhalten muss. Erwerbseinkommen sind etwas anderes. Sie...