Schmiedt | Werther trifft Winnetou | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 360 Seiten

Schmiedt Werther trifft Winnetou

Über Goethe und Karl May
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7802-1637-3
Verlag: Karl-May-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Über Goethe und Karl May

E-Book, Deutsch, 360 Seiten

ISBN: 978-3-7802-1637-3
Verlag: Karl-May-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Es gibt mehrere gute Gründe, vergleichende Blicke auf die Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) und Karl May (1842 – 1912) zu werfen.
1. die Qualität ihres literarischen Werks: Goethe ist der größte deutsche Dichter schlechthin bzw., nach neuerem Urteil, einer der größten, und May reiht sich auf seinem speziellen Gebiet des Erzählens ebenfalls in den Kreis der Besten ein
2. die enorme Breite und Vielfalt ihrer Aktivitäten, nicht nur im literarischen Bereich, sondern auch im Leben: Es tun sich jeweils Welten auf, von denen schwer vorstellbar ist, wie ein Einzelner sie alle hat durchmessen können
3. der hohe und einzigartige Bekanntheitsgrad ihrer herausragenden Figuren: Winnetou ist neben Faust wohl die berühmteste Figur der deutschen Literatur.
Eine solche Konstellation schreit geradezu nach einer Untersuchung, die Leben, Werk und Wirkung Goethes und Mays gemeinsam inspiziert.
Was bisher fehlte, ist der Versuch, die verschiedenen Mosaiksteine
zusammenzusetzen und umsichtig zu ergänzen, sodass ein größeres Ganzes entsteht. Hier soll er unternommen werden.

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Einleitung
Wenn man die Formulierungen, mit denen dieses Buch beginnt, so ernst nimmt, wie sie gemeint sind, gibt es mehrere gute Gründe, vergleichende Blicke auf die Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) und Karl May (1842–1912) zu werfen. Erstens zeichnen sie sich durch eine überragende Qualität ihres literarischen Werks aus: Goethe ist der größte deutsche Dichter schlechthin bzw., nach neuerem Urteil, einer der größten, und May reiht sich auf dem speziellen Gebiet des Erzählens ebenfalls in den Kreis der Besten ein und verpasst vielleicht nur aufgrund seiner Herkunft eine noch positivere Einstufung. Zweitens imponieren beide durch die enorme Breite und Vielfalt ihrer Aktivitäten, und das betrifft neben der literarischen Tätigkeit auch ihr sonstiges Leben: Der „Anatom“ und der „Übersetzer“, der „Höfling“ und der „Kritiker“ hier, der „Völkerversteher“, „Angeber“ und „Nietzsche-Antagonist“ da – es tun sich jeweils Welten auf, von denen schwer vorstellbar ist, wie ein Einzelner sie alle hat durchmessen können. Drittens schließlich ist der Bekanntheitsgrad ihrer herausragenden Figuren einzigartig. Eine solche Konstellation schreit geradezu nach einer Untersuchung, die Leben, Werk und Wirkung Goethes und Mays gemeinsam inspiziert. Tatsächlich liegt dazu schon eine Reihe von Arbeiten vor, die allerdings klein sind und stets nur Detailaspekten gelten. Der Verfasser dieses Buches hat selbst einiges dazu beigetragen; nähere Informationen finden sich am Ende der Einleitung. Ferner hat – um nur ein paar weitere Beispiele zu nennen – Hermann Wohlgschaft, Autor der umfangreichsten aller May-Biografien, bei einem Gedicht Mays intensiv „an Goethes Hymnendichtungen“1 gedacht und Mays Lebensweg mit demjenigen Fausts verglichen.2 In einer kühnen Anwendung moderner Literaturtheorie hat ein anderer Autor Goethes Italienische Reise als „antizipierendes Plagiat“3 von Mays großem Orientroman – Durch die Wüste und so weiter – identifiziert und damit, wie schon der Untertitel seines Beitrags mitteilt, das Problem Goethe/May für endgültig gelöst erklärt; an dieser Stelle möge sich der geneigte Leser, in Übereinstimmung mit jenem Verfasser, ein Smiley vorstellen. Was bisher fehlt, ist der Versuch, die verschiedenen Mosaiksteine zusammenzusetzen und umsichtig zu ergänzen, sodass ein größeres Ganzes entsteht. Hier soll er unternommen werden. Wer sich auf seine literarischen Kenntnisse etwas zugutehält und ein wenig genauer über die Herren Goethe und May informiert ist, mag allerdings spontan Anlass zu Misstrauen verspüren: Ist es wirklich sinnvoll und mehr als Effekthascherei, sie in einen solchen Zusammenhang zu bringen? Käme das nicht dem sprichwörtlichen Versuch nahe, Äpfel mit Birnen zu vergleichen? Sind die Ähnlichkeiten, die von den oben wiedergegebenen Zitaten suggeriert werden, nicht bloß oberflächlicher Natur? Dass Schriftsteller schillernde Persönlichkeiten und fleißig sind, lässt sich schließlich über eine Vielzahl von ihnen sagen, und die unterstellte exponierte Position dieser beiden ergibt sich nach weit verbreitetem Urteil offenbar doch auf höchst unterschiedliche Weise: Bei Goethe ist es die einzigartige künstlerische und intellektuelle Qualität seiner Arbeit, die ihm eine Ausnahmestellung einräumt, während Ernst Blochs Einschätzung der epischen Qualitäten von Mays Werk nicht gerade zum Allgemeingut der Literaturexperten gehört und Mays besonderer Rang eher daraus resultiert, dass er zu den kommerziell erfolgreichsten Schriftstellern der deutschen Literaturgeschichte zählt oder da vielleicht gar den Spitzenplatz einnimmt. Auch Gesichtspunkte, die mit Werturteilen nichts zu tun haben, nähren die Skepsis. Es ist grundsätzlich immer schwer, Personen zu vergleichen, die verschiedenen historischen Epochen angehören. Was die literarische Arbeit betrifft, so hat Goethe sich auf allen nur denkbaren Gebieten exponiert, als Epiker, Dramatiker und Lyriker, während Mays Ruhm sich weitestgehend auf seine erzählenden Schriften stützt und die übrigen – auch wenn da einiges vorhanden ist – kaum Beachtung fanden. Führt man also nicht gewaltsam völlig Unterschiedliches zusammen, wenn man das Projekt einer umfassenden Gegenüberstellung Goethes und Mays verfolgt? An dieser Stelle ist es notwendig, ein wenig über den Sinn des Vergleichens nachzudenken. Da in ‚Vergleich‘ das Wort ‚gleich‘ steckt, liegt der Gedanke nahe, dass man nur Dinge nebeneinander betrachten sollte, die viel Gemeinsames oder zumindest viele Ähnlichkeiten aufweisen, also im engeren Sinne irgendwie ‚gleich‘ sind. Das aber ist keineswegs eine zwingende Überlegung. Es kann durchaus sinnvoll sein, in einem einzigen Arbeitsgang Personen, Sachverhalte und Gegenstände anzuschauen, die sich auf den ersten Blick erheblich voneinander unterscheiden, denn gerade bei einer solchen Konfrontation lassen sich unter Umständen spezifische Charakteristika umso genauer erkennen und gewichten. Es geht dann nicht primär um die Feststellung, dass die Dinge Gemeinsamkeiten aufweisen und worin sie bestehen, sondern um die Frage, ob sie es überhaupt tun und welche Einsichten sich gewinnen lassen, wenn die Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten gering ausfallen oder fast gar nicht vorhanden sind; es geht um Abgrenzung auf einer Basis, die Abgrenzung sinnvoll erscheinen lässt. Natürlich lohnt sich ein solches Unternehmen nur, wenn es am Ende zu buchenswerten Erkenntnissen führt – aber da sollte man in seinen Erwartungen nicht schon vorab zu kleinmütig sein, denn unter Umständen kann selbst die Feststellung, dass eine Sache mit einer anderen beinahe gar nichts zu tun hat, insofern zu Einsichten verhelfen, als die Beleuchtung der Differenzen verschiedenen Gegenständen genauere Konturen verleiht. Nur wenn sich herausstellt, dass ein Vergleich zum Verständnis weder des einen noch des anderen Objekts etwas beiträgt und auch nichts über Relationen irgendwelcher Art besagt, ist er gänzlich überflüssig. Grundsätzlich aber gilt: Man kann durchaus Äpfel mit Birnen vergleichen, genauso übrigens die Mücke mit dem Elefanten. Die Kunstsparte Literatur mit ihrer unüberschaubaren Zahl von Autoren und Autorinnen, die unendlich viele Texte geschrieben haben, lässt sich denken als ein extrem differenziert gestaltetes Haus von überwältigender Größe: mit zahllosen Wohnungen unterschiedlichster Art, was ihre Position, ihre Größe, ihre Aufteilung und Ausstattung, ihre Erreichbarkeit und die Möglichkeiten zur Wahrnehmung der Außenwelt betrifft. In diesem Gebäude befinden sich die muffige kleine Kellerwohnung, von der man kaum nach draußen sehen kann, und die Luxusresidenz in einem oberen Stockwerk, von der aus man durch riesige Fenster weit in die Umgebung schaut, die biedere, vor allem nach praktischen Gesichtspunkten eingerichtete Wohnung und das avantgardistisch gestaltete Domizil direkt unterm Dach, das dem einen wie der Gipfel des architektonischen Fortschritts erscheint und dem anderen wie eine Ansammlung von Räumlichkeiten, bei denen man wegen der vielen schrägen Stellen vor allem darauf achten muss, sich nicht den Kopf zu stoßen. Vor Überraschungen ist man nie gefeit: Wenn man in einer Etage drei Wohnungen desselben Typs betrachtet hat, kann man bei der vierten auf eine stoßen, mit der man nie und nimmer gerechnet hätte. Einige Hausbewohner pflegen eine solide oder gar herzliche Gemeinschaft, aber viele haben nichts miteinander zu tun, kennen die Nachbarn nicht oder kaum und legen – was ihr gutes Recht ist – auch keinen Wert darauf, an diesem Zustand etwas zu ändern. Aber alle Wohnungen und damit auch die Bewohner stehen, von übergreifender Warte aus betrachtet, in einem Zusammenhang miteinander und sind durch zahllose Wände, Treppen, Aufzüge, Gänge, Türen, Decken, Leitungen und andere sichtbare wie unsichtbare Dinge miteinander verbunden. Es kann also durchaus reizvoll sein, die Besonderheiten der einen Wohnung durch den Vergleich mit einer anderen zu erläutern, auch wenn man da oft mehr von Differenzen zu reden hat als von Gemeinsamkeiten. Die Erläuterungen können mit Feststellungen zu Defiziten arbeiten – die eine Wohnung enthält dies und jenes nicht, das sich in der anderen findet –, aber es reicht bei Weitem nicht aus, ausschließlich damit zu argumentieren: Jede Wohnung, erscheine sie noch so klein und dürftig ausgestattet, verfügt aufgrund des Einflusses ihrer Nutzer über spezifische Eigenheiten und Besonderheiten. So betrachtet, ist der Vergleich zwischen verschiedenen Schriftstellern und ihren Arbeiten – den verschiedenen Bewohnern und Wohnungen des Hauses Literatur – im Grundsätzlichen immer möglich, und das gilt im Fall von Goethe und May erst recht, wenn man an die obigen Zitate denkt. Am Ende müssen die Ergebnisse zeigen, wie sehr er sich lohnt. Zu einem sinnvollen Vorgehen gehört es jedoch, sich vorab die Grenzen der möglichen Argumentation bewusst zu machen. Die Lebenszeiten Goethes und Mays schließen aus, ihre Tätigkeit konzentriert im Hinblick auf eine einzige historische Epoche zu deuten. Diese Sperre setzt, jenseits aller sonstigen Differenzen, einen ganz anderen Rahmen, als er sich etwa in dem eindrucksvollen Buch von Herfried Münkler über Karl Marx, Richard Wagner und Friedrich Nietzsche ergibt,4 jene drei Koryphäen des 19. Jahrhunderts, die bei aller Unterschiedlichkeit gemeinsam als wichtigste Revolutionäre der sogenannten bürgerlichen Epoche Deutschlands firmieren: Der älteste von ihnen, Wagner, ist 1813 geboren, der jüngste, Nietzsche, 1900, gestorben, sodass ihre Lebenszeiten insgesamt weit weniger als ein Jahrhundert umspannen und zum erheblichen Teil parallel verlaufen. Dagegen starb...


Helmut Schmiedt (* 25.09.1950) war bis 2015 Professor für Germanistik/Neuere Literaturwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau. Er
beschäftigt sich vor allem mit Unterhaltungs- und Gegenwartsliteratur, aber auch mit der Literatur des 18. Jahrhunderts, darunter der Zeit des Sturm und Drang, und ist ein versierter Kenner von Leben und Werk Karl Mays. Schmiedt hat sich in zahlreichen Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen mit Karl May auseinandergesetzt und erprobt verschiedenste literaturwissenschaftliche Methoden an dessen Werk, um zu immer differenzierteren Deutungen zu gelangen. Neben formalen Beschreibungen von Mays Erzählkunst unternahm Schmiedt Untersuchungen zur Editions- und Motivgeschichte, verfolgte psychoanalytische und gattungstypologische Ansätze. Er ist Mitglied der Karl-May-Gesellschaft, deren Vorstand er viele Jahre lang angehörte, und stellvertretender Vorsitzender der Goethe-Gesellschaft Köln. 2018 veröffentlichte er im Karl-May-Verlag das Buch "Die Winnetou-Trilogie. Über Karl Mays berühmtesten Roman", 2024 "Werther trifft Winnetou. Über Goethe und Karl May".



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