Schmitz | Der Fuchsflüsterer vom Zeltinger Platz | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Schmitz Der Fuchsflüsterer vom Zeltinger Platz

Berliner Taxigeschichten
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-943412-37-6
Verlag: edition subkultur
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Berliner Taxigeschichten

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-3-943412-37-6
Verlag: edition subkultur
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Wenn ein Berliner Taxifahrer sich mit seinen Fahrgästen unterhält, hört er häufig den Satz: 'Na, Sie könnten doch'n Buch schreiben, über das, was Sie hier so erleben.' Christian Schmitz kann jetzt auf diesen Vorschlag antworten: 'Hab ick.' Und sein Buch steckt voller Anekdoten aus dem Leben eines Taxifahrers: Storys über Gurt-Verweigerer, Zentimeterscheißer oder Rückspiegeltäter, überraschende Begegnungen mit Händlern, Türstehern und Künstlern. Außerdem bietet es unerwartete Antworten auf die immer gleichen Fragen und einen Überblick über die wichtigsten Ressentiments und Vorurteile, die so in einem Berliner Taxi abgelassen werden. Es gibt auch nachdenkliche Passagen, denn in ein Taxi kann ja jeder Mensch steigen. Und jeder hat seine eigene Geschichte.

Christian Schmitz war noch keine drei Monate alt, als er von fremden Mächten in seiner Geburtsstadt eingemauert wurde. Anfangs trank er seinen Kakao im Café Kranzler am Kurfürstendamm, später sein Bier im Schwarzen Café in der Kantstraße. Der kleine Junge himmelte die Amerikaner auf dem Deutsch-Amerikanischen Volksfest an, der junge Mann wurde für seinen Protest gegen die Schutzmacht von der Polizei eingekesselt. Vom Mietersöhnchen mutierte er zum Getreuen der Hausbesetzer. Danach entschied er, die Menschheit mit der Feder in der Hand retten. So schrieb er sich auf die Immatrikulationslisten der Brotlosen Künste ein. Doch musste er auch essen und wohnen, wollte die Welt kennenlernen und diese der wachsenden Schar seiner Sprösslinge zeigen. Also verdingte er sich nebenher als Taxifahrer. So sehr er sich auch mühte,einen Beruf zu ergreifen, den andere 'ehrbar' nennen würden, erwiesen sich die Brotlosen Künste jedoch als eben solche. Die Jahre vergingen und er wurde älter. Doch nennt er sich heute einen ehrbaren Taxifahrer, der mit der Feder in der Hand 'Der Fuchsflüsterer vom Zeltinger Platz' schrieb.

Schmitz Der Fuchsflüsterer vom Zeltinger Platz jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Wie Du eine Taxe richtig heranwinkst und wie Du die Weisheiten eines Berliner Taxifahrers erfährst
Was wissen wir vom Berliner Taxifahrer? Er ist unfreundlich, fährt ruppig, nimmt Umwege, wenn er mal überhaupt bereit ist zu fahren – kurz: Eine Taxifahrt in Berlin ist die ultimative Demütigung! So habe ich es jedenfalls in einer überregionalen deutschen Tageszeitung lesen können. Starker Tobak. Tja, was soll ich dazu sagen? Ich bin schließlich parteiisch. Aber ganz ehrlich: Wenn ich mich mit meinen Fahrgästen unterhalte – ganz so schlimm kann es nicht sein. Obwohl ich natürlich auch immer wieder wahre Horrorgeschichten von Fahrgästen höre oder selber erlebe. Nehmen wir uns einfach mal das Beispiel Kurzstrecke. Die Kurzstrecke ist eine Eigentümlichkeit des Berliner Taxitarifs. Wenn man in Hamburg in eine Taxe steigt und nach einer Kurzstrecke fragt, weiß der Kollege sofort Bescheid: „Ah, Sie kommen aus Berlin.“ In Berlin ist es so: Der Fahrgast steht am Straßenrand, winkt sich eine Taxe aus der freien Fahrt, sagt artig: „Eine Kurzstrecke, bitte.“ Dann gibt es 2 Kilometer für 5 Euro. Das ist günstig, normalerweise kosten 2 Kilometer knapp 8 Euro. Wenn mit dem Fahrgast nun alles in Ordnung ist, er oder sie weder sturzbetrunken ist noch eine Kalaschnikow um den Hals trägt, dann habe ich eine Beförderungspflicht, dann muss ich anhalten. Und wenn der Fahrgast schön artig „Eine Kurzstrecke, bitte“ sagt, dann habe ich Kurzstrecke zu fahren, ohne Wenn und Aber. So sagt es jedenfalls die Berliner Taxiordnung. Nun ist die Kurzstrecke aber nicht bei allen meinen Kollegen wohlgelitten. Sie sei eines Taxifahrers unwürdig, ein Zuschussgeschäft. Was natürlich alles Quatsch ist. Aber aus diesem Grunde erlebe ich es immer wieder, dass ich vor mich hinfahre und dann steht da auf einmal, wie neulich erst, so eine zierliche junge Frau am Straßenrand und winkt derart zaghaft schüchtern und verhalten, dass ich nicht weiß, was ich davon halten soll. Winkt man so eine Taxe? Meint die mich? Ich guck noch extra auf die andere Straßenseite, aber da ist niemand. Also fahre ich rechts ran. Ich komme exakt so zum Stehen, dass sie nur noch die rechte Hand auszustrecken braucht, um die hintere Beifahrertür öffnen zu können. Da haben wir nach diesem merkwürdigen Winken schon das nächste Problemchen. Sieht aus, als wäre sie womöglich lieber vorne eingestiegen. Aber in Berlin steigt man eben nun mal – aus welchen Gründen auch immer, ich weiß es selbst nicht – hinten in eine Taxe. Also halt ich immer so vor den Winkern. Ich kann schließlich nicht beim Heranrollen erst noch das Beifahrerfenster runterlassen und dem Fahrgast zurufen: „Vorne oder hinten, wo möchten Sie sitzen?“ Sie fügt sich in ihr Schicksal und öffnet zaghaft die Tür, lugt mit verängstigtem Gesicht zu mir in die Taxe und fragt mit kaum wahrnehmbarem Stimmchen: „Ist Ihnen eine Kurzstrecke recht?“ „Ist Ihnen eine Kurzstrecke recht?“ Oh Mann, was muss diesem armen Geschöpf schon alles widerfahren sein, dass sie mir diese Frage stellt? Welchen Groll, welchen Hass, welche Anfeindungen muss sie mit dieser Frage auf sich gezogen haben? Wie oft wurde sie wohl bereits aus der Taxe geworfen oder musste den teureren Tarif bezahlen? „Ja, natürlich“, sage ich und frage sie, wo sie hinwill. Dann kläre ich sie erst mal auf. Dass sie Rechte hat als Nutzerin eines öffentlichen Verkehrsmittels: Fahrgäste haben Rechte in einer Berliner Taxe. Es geht also nicht darum, was ich will, sondern danach, was sie, die junge Dame, will. Sie kann es gar nicht glauben, das hätte sie nicht gewusst. Sie kommt aus dem Staunen gar nicht mehr raus, als sie erfährt, dass sie in der Taxe die freie Wahl des Sitzplatzes hat, sich also nicht nach hinten verdonnern lassen muss, nur weil der Kollege nicht bereit ist, den Beifahrersitz von seinem halben Hausstand zu räumen, den er da durch die Weltgeschichte spazieren fährt, einschließlich Käsebrot und Thermoskanne. Genauso wie am Halteplatz, da muss sie nicht den ersten Wagen nehmen, wenn ihr der nicht gefällt oder zu dreckig ist oder der Fahrer tief und fest hinterm Lenkrad eingeschlafen ist. Ich würde jedenfalls nicht bei einem Taxifahrer ins Auto steigen, den ich erst wecken muss. Wo kommen wir denn da hin? Wahrscheinlich nirgendwohin. Die Kurzstrecke ist also ein Beispiel, womit sich die lieben Fahrgäste mit manch einem Berliner Taxifahrer rumärgern dürfen. Es gibt noch andere … Aber auch unsereiner kann manche Geschichte von den lieben Fahrgästen erzählen. Die meisten sind echt friedlich, da muss ich meinen Fahrgästen wirklich mal ein Kompliment machen. Aber es gibt natürlich Ausnahmen! Und die sind es, die einem womöglich den ganzen Tag vermiesen können. Manchmal gibt es Leute, mit denen diskutiere ich noch im Kopf weiter, obwohl sie schon lange ausgestiegen sind. Ein leidiges, lästiges Phänomen und Ärgernis. Darum wollte ich wissen: Wie hoch ist eigentlich der Anteil dieser schwierigen Fahrgäste? Daraufhin habe ich meinen Fahrgästen Noten gegeben und eine Strichliste geführt. Es gab die Kategorien „Sehr gut“, „Gut“, „Mittel“, „Schlecht“ und „Sehr schlecht“. Nun, liebe Leserin, lieber Leser, schätze doch bitte einmal, wie hoch der Anteil der „sehr schlechten“ Fahrgäste ist? Ich meine jene, die so richtig Probleme machen. Die so betrunken sind, dass sie nicht mehr wissen, wo sie wohnen, weshalb ich die Polizei holen muss, weil ich einen betrunkenen alten Mann im Winter nicht einfach aussetzen kann. Die nicht bezahlen. Die mit mir Streit anfangen wollen. Die mir das Auto vollkotzen. Die mich als Penner und Kanake beschimpfen, weil ich angeblich den falschen Weg gefahren bin und so weiter. Ich denke, Du kannst Dir vorstellen, was für eine Art von Fahrgastkandidat ich meine. Lies erst weiter, wenn Du eine Zahl im Kopf hast. So, nun hast Du umgeblättert und liest weiter. Liegt Deine Schätzung bei etwa 10 Prozent? Dann gratuliere ich Dir. Herzlichen Glückwunsch, denn so schätzen die meisten. Doch ich muss Dir leider sagen: Voll danebengegriffen! 10 Prozent, das wäre schrecklich, da hätte ich jeden Tag mindesten einen solchen Kandidaten im Auto. Um Dich zu erlösen: Es sind nur 0,3 Prozent. Da staunst Du, nicht wahr? Kenne ich, biste nicht der oder die Erste. Aber so ist es nach meiner persönlichen Einschätzung nun einmal. Natürlich bin ich auch abgestumpft. Die Doofen können einem irgendwann einfach alle nur noch den Buckel runterrutschen. Hier rein, da raus. Und nach dem Kotze-aus-dem-Auto-wischen wasch ich mir die Hände, lüfte noch mal durch und fahre weiter. Neulich erst, ein älteres Ehepaar, beide deutlich über 70, kommen aus einem Lokal, in dem alles pauschal im Preis inbegriffen ist, auch der Alkohol! Gefährlich, sage ich, sehr gefährlich! Das haben nun mal nicht alle im Griff, da können manche den Hals nicht voll genug kriegen. Die beiden auch nicht, vor allem sie nicht. Sie setzt sich hinten auf der Beifahrerseite rein, er geht ums Auto herum, um auf der anderen Seite einzusteigen. Da überkommt es sie auch schon, sie öffnet die Tür wieder, fällt kotzend aus dem Auto und knallt mit dem Kopf – wie der Name so schön sagt – aufs Kopfsteinpflaster! Da liegt sie nun in ihrer eigenen Kotze mit einer Platzwunde am Schädel. Na, ich war vielleicht bedient. Im Nu eine Riesentraube Leute um sie herum, wie so ein nervöser Bienenschwarm. Gut, ich ruf also die Feuerwehr, hol sogar eine Notfalldecke aus dem Verbandskasten im Kofferraum, deck die Arme zu, damit sie nicht friert, und warte in aller Gemütsruhe ab, bis sie endlich im Krankenwagen sitzt und abtransportiert wird. Tatütata, weg ist sie. Nun ist nur noch er übrig. Da steht er nun. Und ich frage ihn ganz ruhig, wie er sich denn das denken würde, mit dem Erbrochenen seiner Frau in meinem Auto. Der glotzt mich nur blöd an und zuckt mit den Schultern. Ich sage: „Dit macht 100 Euro!“ Was ein guter Preis ist, solange ich den Dreck noch selber an der Tankstelle saubermachen kann. Es gibt auch Fälle, da muss Verdienstausfall für mich und den Tagfahrer und Werkstattreinigung und, und, und bezahlt werden. Da kommen schnell ein paar 100 Euro zusammen. Und was sagt er? „Das ist ja schnell verdientes Geld!“ Oh, boah ey. Da gehört schon ein hohes Maß an professioneller Contenance dazu, in solch einem Moment nicht die Fassung zu verlieren. Ich hätte dem an die Gurgel gehen können. Seine Olle kotzt mir das Auto voll – gut, so schlimm war es nun nicht, aber dennoch, ich weiß nicht, wie viel Spaß es anderen macht, fremder Leute Erbrochenes wegzuwischen – und er erzählt mir was von leicht verdientem Geld. Ist schon echt merkwürdig, was die Leute so denken. Als ob Kotze aus dem Auto wischen wie selbstverständlich zum Beruf des Taxifahrers dazugehören würde. Und am Ende ist er sogar mit 50 Euro davongekommen, weil er nicht mehr in seinem Portemonnaie hatte. Nun, das ist ein Fall, den würde ich als „sehr schlecht“ einschätzen. Und von solchen Fällen soll ich jeden Tag mindestens einen haben? Das wäre nicht auszuhalten. Neulich erst hatte ich einen im Auto, der hat den Anteil solcher Fahrgäste auf 60 Prozent geschätzt. 60 Prozent! In was für einer Welt lebt so einer, der 60 Prozent seiner Mitmenschen für Arschlöcher hält? Ich kann es sagen: Big Business! Mit allem Pipapo. Ich hatte einen Funkauftrag in Dahlem, dort, wo früher die amerikanischen Offiziere gewohnt haben und mittlerweile auch ganz große Kästen...


Schmitz, Christian
Christian Schmitz war noch keine drei Monate alt, als er von fremden Mächten in seiner Geburtsstadt eingemauert wurde. Anfangs trank er seinen Kakao im Café Kranzler am Kurfürstendamm, später sein Bier im Schwarzen Café in der Kantstraße. Der kleine Junge himmelte die Amerikaner auf dem Deutsch-Amerikanischen Volksfest an, der junge Mann wurde für seinen Protest gegen die Schutzmacht von der Polizei eingekesselt. Vom Mietersöhnchen mutierte er zum Getreuen der Hausbesetzer.
Danach entschied er, die Menschheit mit der Feder in der Hand retten. So schrieb er sich auf die Immatrikulationslisten der Brotlosen Künste ein. Doch musste er auch essen und wohnen, wollte die Welt kennenlernen und diese der wachsenden Schar seiner Sprösslinge zeigen. Also verdingte er sich nebenher als Taxifahrer.
So sehr er sich auch mühte, einen Beruf zu ergreifen, den andere „ehrbar“ nennen würden, erwiesen sich die Brotlosen Künste jedoch als eben solche. Die Jahre vergingen und er wurde älter. Doch nennt er sich heute einen ehrbaren Taxifahrer, der mit der Feder in der Hand „Der Fuchsflüsterer vom Zeltinger Platz“ schrieb.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.