E-Book, Deutsch, Band -, 372 Seiten
Schnabel Der im Irr-Garten der Liebe herum taumelnde Cavalier
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7519-0965-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band -, 372 Seiten
Reihe: Taschenbuch-Literatur-Klassiker
ISBN: 978-3-7519-0965-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der galante Roman »Der im Irr-Garten der Liebe herum taumelnde Cavalier« gilt als Schnabels zweites großes Werk. Er beschreibt darin die zahlreichen Liebschaften eines Adeligen; womit er sich möglicherweise die Gunst des Klerus und des Hofes verwirkt hatte.
Johann Gottfried Schnabel war ein deutscher Schriftsteller. Er wurde am 7.11.1692 in Sandersdorf bei Bitterfeld geboren; er verstarb zwischen 1744 und 1748.
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Beide Reisende diskurierten miteinander von lauter besondern Staatssachen, als sie aber ohngefähr eine halbe Meile geritten waren und durch ein dickes Gepüsche passierten, hielt Elbenstein stille, stieg ab, gab seinem Diener das Pferd zu halten und verbarg sich unter dem Scheine, ein opus necessarium zu verrichten, hinter ein dickes Gesträuche; allein nicht dieses, sondern die ungemeine Kuriosität trieb ihn an, der Baronne Schreiben, welches ihm der Weingärtner eingehändiget hatte, zu lesen, welches er denn also gesetzt befand: Ach, Seele meiner Seele! Mein Herze hat zwar schon seit der Zeit, ich Dich zum ersten Male erblickt, in Deinen Liebesbanden gelegen, allein heute hast Du durch Deine Klugheit in vorsichtiger Überlegung unserer innigsten Liebe meine Seele vollends, ja vollkommen angefesselt. Ich bin von Deinen anbetungswürdigen Qualitäten dergestalt bezaubert und in Deine anmutige Person verliebt, daß kein Schmerz zu erdenken ist, den ich nicht empfinde, wenn ich des Glücks beraubt bin, Dich, o mein Leben! zu sehen. Die Sehnsucht, Dich wiederum im Vertrauen zu umarmen, martert mich fast zu Tode. Jedoch Ich fühle, was dem Herzen Die süße Hoffnung lehrt: Sie saget meiner Seelen, Die Treu nicht zu verscherzen Und daß bald alles Quälen Soll sein in Lust verkehrt. Er las und überlas diesen Brief mehr als zehnmal, ja er wäre vielleicht vor Vergnügen in ein tiefes Nachsinnen verfallen, wenn sein Hengst nicht von ohngefähr zu wiehern angefangen hätte; dieses machte, daß er sich besann und den Barone eiligst nachfolgte, welcher viel zu stark in den Weinbecher geguckt haben mochte, ganz sachte ritte und ziemlich schläfrig tat; da aber Elbenstein wieder an seine Seite kam, machte er sich munter; unterdessen schien Elbensteinen ziemlich fatal vorzukommen, da des Barons erste Frage an ihn diese war: »Aber, mein wertester Herr Landsmann, haben Sie sich denn in diesem Revier oder in N. noch keine schöne Mätresse zugelegt?« Dieser beantwortete solche Frage ganz kaltsinnig, wie er sich nehmlich ganz anderer Ursachen wegen auf Reisen begeben, als bei Frauenzimmer Zeitvertreib zu suchen, drehete diesen Diskurs auch mit guter Manier gar bald ab und verfiel auf allerhand Geschichte und Antiquitäten, fragte, wer von diesem oder jenem Schlosse, dergleichen viele um sie herum lagen, Eigentumsherr wäre, zu welcher Zeit es erbauet worden, was sich etwa Merkwürdiges darbei zugetragen und dergleichen mehr, weswegen ihn der Baron in diesem Stücke vor einen frostigen und eigensinnigen Menschen zu halten anfing, in welcher Meinung er auch durch folgende Begebenheit gestärkt wurde: Es hatte des Barons Pferd am Vorderfuße ein Eisen abgeschlagen, dahero es etwas zu zucken begunnte und der Baron sich genötiget sahe, in dem nächsten Städtgen, da sie durchpassierten, wieder beschlagen zu lassen. Da nun Elbenstein dem Baron zum Gefallen auch mit abstieg und beide binnen der Zeit, als der Schmidt gerufen wurde, vor dem Gasthofe unter einem schattigten Baume eine Bouteille Wein kosteten, wurde Elbenstein von einer dem Gasthofe gegenüber wohnenden sogenannten Signora erblickt, welches, auf deutsch zu sagen, eine solche Person ist, die mit Permission der Obern ihren Leib zu Büßung der geilen Lüste gewidmet und sich viele Freiheiten, ohn gestraft zu werden, herausnehmen darf. Diese Signora kam auf Elbensteinen zugegangen, fiel ihm, ehe er sich's versahe, um den Hals und wollte ihn mit aller Gewalt küssen, er aber entledigte sich ihrer bald und stieß sie mit solcher Heftigkeit von sich, daß sie rücklings zur Erden fiel und die Beine in die Höhe kehrete. Hierüber wurde von dem da herum wohnenden gemeinen Pöbel ein solches Lärm angefangen, daß Elbenstein die Treppe hinauf zu retirieren sich genötiget sahe. Endlich kamen einige Sbirri herzugelaufen, welche, als ihnen der Baron sowohl als der Wirt die ganze Begebenheit erzählet, vermittelst ihrer Autorität den zusammengelaufenen Pöbel auseinanderjagten, wovor ihnen Elbenstein einen Ducati verehrete; sobald aber das Pferd beschlagen war, setzten sie ihre Reise weiter fort. Kaum hatten sie wiederum das freie Feld erreicht, als der Baron also zu reden anfing: »Mein Herr Landsmann! ich habe mich über Ihre jetzige Aufführung sehr verwundert. Diese Signora ist doch, mit Wahrheit zu sagen, eine recht schöne Person, sowohl vom Leibe als Gesichte, und von einem sehr vornehmen Herrn, der nur vor weniger Zeit gestorben, bis an sein Ende unterhalten oder, wie es die Italiäner zu nennen pflegen, manteniert worden. Wenn mir«, verfolgte der Baron seine Rede, »dieser Zufall begegnet wäre, hätte ich, ohngeacht ich mich mit einer liebenswürdigen Gemahlin beglückseliget sehe, dennoch die angetanen Karessen nicht auf eine so spröde Art ausschlagen können.« Nunmehro stellete sich Elbenstein recht vertraut gegen den Baron und sagte: »Mein Herr! wenn ich Ihrer Verschwiegenheit versichert wäre, so wollte Ihnen wohl ein Geheimnis eröffnen.« Wie nun der Baron einen teuren Eid schwur, hiervon gegen niemanden etwas zu gedenken, sagte Elbenstein: »Es ist etwas Seltsames, daß ich gar nicht wie andere Mannspersonen beschaffen bin, und also empfinde ich auch weder Liebe noch Begierde zu einem Frauenzimmer bei mir, sie mag auch noch so schöne sein; absonderlich ist mir auch sogar das Küssen eine ekelhafte Sache, sonsten aber mag ich ganz gern mit honetten Frauenzimmer umgehen, denn ich habe befunden, daß viele einen rechten englischen Verstand besitzen; insoferne sie nun mit mir umgehen wie mit ihresgleichen oder ich mit ihnen umgehen kann, wie Mannspersonen miteinander umzugehen pflegen, bin ich gern in ihrer Compagnie, sobald aber Liebesgrillen aufs Tapet kommen, suche ich mich ihrer Gesellschaft soviel als möglich zu entziehen.« Der Baron hielt dieses vor pur lautere Wahrheiten, kontestierte aber dieses Malheurs wegen ein herzliches Mitleiden gegen diesen seinen Herrn Landsmann, riet ihm auch, er möchte dieserwegen mit dem berühmten paduanischen Medico Comte della Torre sprechen, als welcher rechte Wunderkuren getan, mithin vielleicht auch ihm zu seiner Vollkommenheit verhelfen könnte, denn dieser Medicus wäre bei seiner großen Kunst dennoch nicht interessiert, sondern kurierte jährlich viel 100 Menschen umsonst. »Mein Herr!« versetzte Elbenstein hierauf, »ich halte davor, daß ich viel glückseliger leben kann, wenn ich so bleibe, wie ich jetzo beschaffen, denn wenn ich bedenke, was die Menschen aus Liebe zum Frauenzimmer zuweilen vor lachenswürdige Torheiten begehen und wie sie sich öfters eines eingebildeten Vergnügens wegen in die allergrößten Gefährlichkeiten stürzen, auch nicht selten ihre Ehre, Glück und Leben dadurch einbüßen, so bin ich recht herzlich froh, daß mir dergleichen Appetit niemals ankömmt; was aber die Fortpflanzung unsers Geschlechts anbelanget, darum sorge ich gar nicht, weil ich Brüder habe, die meinen Fehler schon verbessern werden.« Der Baron wunderte sich bald zu Tode über solche Gelassenheit, dergleichen, wie er sagte, vielleicht auch nicht einmal bei einem würklichen Kastraten zu finden sein möchte. Unter diesen und dergleichen Diskursen aber erreichten sie endlich Battaglia und erfuhren von der Wache unter dem Tore, daß die gnädige Herrschaft noch nicht, sondern erstlich in zweien Tagen wieder zurückkommen würde. Demohngeacht ließen sie dem Maggiordomo oder dem Oberhofmeister ihre Ankunft melden, worauf sich der Baron in einen bekannten Gasthof, Elbenstein aber in sein ihm schon vorher assigniertes Quartier begab, welches bei einem reichen Schneider war. Die Wirtin, welche eine wohlgebildete Frau von ohngefähr 22 bis 24 Jahren war, empfing ihn aufs allerfreundlichste, bat nicht ungütig zu vermerken, daß ihr Mann seinen Reverenz nicht machte, indem er als ein großer Liebhaber von der Jagd diesen Morgen auf die Jagd gegangen und wohl vor morgenden Abends nicht wieder zu Hause kommen würde. Immittelst begleitete sie ihn selbst bis auf sein Zimmer, und weil sein Bedienter die Pferde erstlich in den Stall zog, half sie ihm den Reiserock abtun und sagte binnen der Zeit, wie sie höchst erfreut wäre, ihn wiederzusehen, weil sie unter der Zeit seines Abwesens keine geruhige Stunde gehabt hätte. Elbenstein bewunderte bei sich selbst eine solche freie Declaration d'amour, indem er aber an dieser artigen Frau nichts auszusetzen fand, umarmete er dieselbe erstlich und sagte dabei, wie er nimmermehr glauben könnte, daß diese ihre Reden aus einem auf richtigen Munde flössen, woferne sie ihm nicht vergönnete, eine Probe davon zu nehmen, nach welchen Worten er sie nicht nur etlichemal auf den Mund, Augen und Wangen, sondern auch auf diejenige Haut küssete, welche ihm wegen des abfallenden Halstuchs entblößet in die Augen fiel. Agatha, dies war ihr Taufname, ließ dieses alles als eine kraftlose Person geschehen, war aber hiermit nicht vergnügt, sondern unter dem Vorwande, in der Kammer zuzusehen, ob auch das Bette gemacht wäre, lockte sie Elbensteinen mit einer verliebten Miene hinter sich her, und weil das Bette noch ungemacht befunden...