Schnabl | Grün wie ich dich liebe grün | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 150, 176 Seiten

Reihe: Transfer Bibliothek

Schnabl Grün wie ich dich liebe grün

Erzählungen
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-99037-102-2
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Erzählungen

E-Book, Deutsch, Band 150, 176 Seiten

Reihe: Transfer Bibliothek

ISBN: 978-3-99037-102-2
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ein radikales Debüt, das unsere Sehnsüchte, Begehrlichkeiten, Freuden und Ängste spiegelt. Ana Schnabl hält in ihren raffinierten Erzählungen auf ganz ungewöhnliche Weise menschliche Beziehungen fest. Da ist die verstörende Unruhe einer Frau in der Warteschlange einer Apotheke, oder die junge Mutter, die um die Aufmerksamkeit ihres Mannes ringt, doch keine Liebe für ihr Neugeborenes empfindet, oder das Mädchen, das jede Regung ihrer strahlenden Zwillingsschwester studiert wie die eines seltenen Insekts unter dem Vergrößerungsglas. Die Geschichten berühren mit unerwarteter Heftigkeit und erlauben einen ganz anderen Blick auf den Menschen. Dieses preisgekrönte Debüt zeigt eine junge slowenische Autorin bereits jetzt auf höchstem sprachlichen Niveau - ein großes Versprechen für die Zukunft.

Ana Schnabl, 1985 in Slowenien geboren, ist Schriftstellerin, Journalistin und Literaturkritikerin. Sie beschäftigt sich mit der Frau in der Psychoanalyse. 2014 gewann sie den renommiertesten slowenischen Kurzgeschichtenwettbewerb. Das vorliegende Buch ist ihr Debüt.

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Weitere Infos & Material


Trittico
Pinot gris
Grün, wie ich dich liebe, Grün
Er band sich die Krawatte
Der Große Wagen
Das Kind

Ritalin
Bananensplit
Wenn das Gewitter vorübergeht

Ana


Trittico
Das müssten sie irgendwie anders regeln. Sie könnten uns zum Beispiel ein kleines Päckchen mit dem Vorrat für die nächsten sechs Monate und Beruhigungstee schicken oder uns alles persönlich aushändigen, über den Tisch, wie das unter Menschen üblich ist, die Geheimnisse für sich behalten können. Aber so muss ich in der Reihe stehen, als Sechzehnte, die Hände in den Taschen, ein sorgfältig gefaltetes Papier ist alles, was sie mir mitgegeben haben. Sie haben mich hinausgeschickt, und offensichtlich hat niemand daran gedacht, dass mir das Hinausgehen teilweise bis überwiegend unangenehm ist. Wenn es mir so wie jetzt überwiegend bis sehr unangenehm ist, fange ich an, säuerlich zu riechen, weswegen es mir noch unangenehmer wird und ich nur nach Hause möchte, um mein T-Shirt und mein Höschen zu wechseln und die Sache später zu erledigen oder überhaupt nicht zu erledigen, weil mich auf dem Weg zur Apotheke dieselben Leute sehen und sich fragen könnten, ob mit mir alles in Ordnung ist. Und sollten sich die Leute so etwas fragen, wäre es mir besonders unangenehm, deshalb scheint mir zumindest in diesem Augenblick die logischste Wahl die, in der Reihe zu bleiben. Fünfzehnte. Ich würde mich bei allen entschuldigen, die mein säuerlicher Geruch stört, das bin nicht ich, das ist mein Cortisol, ich wünschte mir, ich könnte allen in meiner Nähe klarmachen, dass es mit mir nicht so schlimm steht, wie es aussieht. Vielleicht würden sie mir nicht glauben, denn ich sehe tatsächlich schlecht aus, das zeigt mir das Spiegelbild in der Scheibe der Schiebetür. Diese Tür zeigt mir auch, dass vor mir eine wirklich attraktive junge Frau mit spitzen Brüsten steht und dass wir uns beide mustern, wobei sie ein zufriedenes Katzenlächeln zeigt, während ich dort, wo mein Gesicht sein müsste, etwas anderes, etwas Hässliches habe. Vierzehnte. Ich sehe auch, dass ich schrecklich unordentliche Haare habe, die fettig glänzen und sich mir in Strähnen ans T-Shirt kleben, eine Strähne schmiegt sich sogar in die feuchte Achselhöhle. Universelle Regel – Unappetitliches kriecht zusammen. Dreizehnte. Herzlich gern würde ich die störende fettige Strähne unter der Achsel wegziehen, aber ich fürchte, dass ich dazu den Arm heben, den Schweißring entblößen müsste, und gleichzeitig würde die katzenhaft attraktive junge Frau vor mir, die den Blick nicht von der Scheibe lösen kann, mitbekommen, wie viel Mühe ich investiere, um anständig auszusehen. Zwölfte. Bestimmt würde sich ihr Mund zu einer Kurve des Mitleids verziehen, wenn sie bemerkte, wie armselig all mein Tun ist – einmal hässlich, immer hässlich –, tiefer noch in ihrem Innern aber würde sie sich freuen, dass sie immer und überall wie eine Göttin aussieht, und würde weiterhin selbstzufrieden auf das Spiegelbild sehen. Am schlimmsten bei all dem ist, dass uns, die wir klein und hässlich sind, Leidenschaft und Eitelkeit nicht zustehen, das habe ich ziemlich früh gelernt, oft genug habe ich diesen mit Abneigung oder sogar Ekel gesättigten Du-bist-klein-und-hässlich-und-hast-kein-Recht-auf-Leidenschaft-Blick einstecken müssen. Weil ich mich bei diesem oder dem verwandten Du-bist-klein-und-hässlich- und-hast-dich-nicht-herzurichten-Blick ziemlich unwohl fühle, habe ich die Zurschaustellung von Leidenschaft und jegliche Eitelkeit aufgegeben. Das bedeutet im Prinzip, dass ich mich nach keinem attraktiven Menschen umsehe, dass ich nicht tanze, nicht laut lache, keine Ereignisse kommentiere, wenn ich ihnen gegenüber nicht völlig gleichgültig eingestellt bin, ebenso habe ich aufgehört, mich herzurichten, und muss deshalb fettige Haarsträhnen ertragen, die sich mir in die Achselhöhlen drängen, was aber das kleinere Problem ist. Wesentlich heikler ist es, wenn ich zum Schwimmunterricht ins Schwimmbad gehe. Diese Stunden mögen auf andere entspannend wirken, für mich sind sie genau genommen eine kleine Passion, obwohl mir der Arzt sagt, dass Wasser heilend wirkt und dass ich mich einfach erholen muss, wenn ich in den wesentlichen Punkten vorankommen will. Elfte. Bei den Schwimmstunden bin ich nämlich im Badeanzug, weshalb es mir so unangenehm ist, dass ich zum Becken immer wie jemand mit einem entzündeten Ischiasnerv gehe, was ironischerweise eine gute Tarnung für meinen tatsächlichen Zustand ist. Weil ich im Badeanzug bin, also dem Publikum meine kurzen, kräftigen und außerordentlich behaarten Beine zeige, um die ich mich das letzte Mal in der späten Pubertät gekümmert habe, als ich noch um das Recht kämpfte, mich herrichten zu dürfen. Für Beobachter mehr erschreckend ist mit Sicherheit jener Bereich, der von Frauen mit unangefochtenem Status als Bikinizone bezeichnet wird. Große Schwierigkeiten verursacht mir vor allem das Rückenschwimmen, denn die Haare ziehen sich hinter mir her wie Seetang; das habe ich jedenfalls eine der Mitschwimmerinnen in der Garderobe sagen gehört, die dachte, ich wäre nicht in der Nähe, denn die Leute denken gewöhnlich, dass ich nicht in der Nähe bin. Zehnte. So auch der Mann, der hinter mir steht, er bemerkt nicht, dass ich in seiner Nähe bin, und hat sich mit Sicherheit noch kein einziges Mal gefragt, warum ich eigentlich hier bin, und wenn er sich schon gefragt hat, meint er wahrscheinlich, dass ich hier bin, weil ich stinke. Er kann nicht wissen – denn es gibt für ihn keinen Grund, sich für mich zu interessieren –, dass ich deshalb hier bin, weil mein Arzt überzeugt ist, dass die Zeit für einen größeren Schritt voran gekommen ist. Neunte. Er sagt, dass wir mit vereinten Kräften bereits ein paar Schritte gemacht haben, die aber seiner Meinung nach zu kurz gewesen sind, um wirklich eine Positionsänderung zu bedeuten. Trotzdem habe ich im letzten Dreivierteljahr, seit ich ihn aufsuche, ein paar schädliche Angewohnheiten aufgegeben, aufgehört habe ich mit dem regelmäßigen Rauchen von Marihuana, aufgehört habe ich mit dem regelmäßigen Verzehr von Salami, reduziert habe ich auch den Missbrauch frecher Zynismen und Scherze auf eigene Kosten. Mein Arzt ist überzeugt, dass besonders Letzteres sehr gefährlich ist, da es die Krankheit verstärkt, anstatt von ihr zu erlösen. Ich bin allerdings so erfahren, dass ich weiß, dass es nur die frechen Zynismen und Scherze auf eigene Kosten sind, die im Dunkel dieses leise und unaufhaltsam fortschreitenden Zustands leuchten. Außerdem ernte ich jedes Mal, wenn ich einen Scherz auf eigene Kosten in Gegenwart etwa meiner Mitschwimmer reiße, ein Mitgefühl solchen Ausmaßes, wie ich es mir als Kind erträumt habe. Achte. Mein Arzt versteht nicht, wie ungewöhnlich mein Humor ist und wie ich mit ihm die Menschen fröhlich mache, wie gut sich die Menschen fühlen, wenn ich wie ein Traktor in mein eigenes Unglück hineinpflüge. Er versteht nicht, wie viel mir das bedeutet und dass ich mich deshalb mitunter als vollwertige, effektive Staatsbürgerin mit völlig transparentem Privatleben fühle. Wenn ich zu müde bin zum Scherzen, verschlechtert sich mein Zustand. Dann kann ich wirklich nichts mit mir anfangen, ich kann mich nur noch für die Krankheit mobilisieren, und gewöhnlich endet die Sache damit, dass ich um Hospitalisierung bitte, weil ich meiner Stiefmutter nicht im Weg sein will. Siebente. Die einzige logische Wahl, wenn ich niemandem im Weg sein und meine täglichen Verpflichtungen erfüllen will, ist folglich der Humor. So habe ich mir auf dem Weg hierher vorgesungen, „Hässlichdick geht in die Welt, bis sie auf die Nase fällt“, was ich komisch fand und was mir half, die unangenehmen Gefühle zu verdrängen. Aus dem Haus gehe ich genau dreimal die Woche, und gewöhnlich zähle ich die Sekunden, die ich so exponiert unter dem für die meisten Menschen trauten Himmel verbringe. Sechste. Heute war der Gang hierher äußerst unangenehm und ich musste zu radikaleren Mitteln greifen, es wäre völlig egal gewesen, ob ich die gerade oder die ungerade Zahl der unter dem für die meisten Menschen trauten Himmel verbrachten Sekunden gezählt hätte. Obwohl es ein besonderer Tag ist, weil ich einen großen Schritt voran mache, fühle ich mich seltsam ausmanövriert. Fünfte. Mein Arzt versichert mir, das sei völlig normal, das komme bei allen kranken Personen vor, allerdings sei bei Personen, die große Schmerzen haben, zusätzliche Hilfe nötig. Vermutlich habe ich mich da hinein verstrickt, als ich zwei Wörter verwendete, die Patienten bei Ärzten nicht verwenden dürfen, denn sie übermalen ihren ansonsten ziemlich heiteren, hoffnungsvollen und sanft mitfühlenden Gesichtsausdruck zu einem Ausdruck der Ohnmacht. Ich hatte nämlich das Wort „sich umbringen“ geäußert. Vierte. Der Arzt hatte im Schock wahrscheinlich den leiseren Zusatz „wegen der Schmerzen“ überhört, der die Sache ein wenig abmildern sollte, und hat mich mit dem Papier in der Hand weggeschickt, damit ich für die Verwendung des falschen Worts mit einem öffentlichen Geständnis bezahle. Weil ich nahe an der aggressiv grünen Linie meines Innenlebens bin, werden die Schmerzen in meinem Magen immer schlimmer, es ist geradezu unglaublich, was sich alles im Körper breitmacht,...


Ana Schnabl, 1985 in Slowenien geboren, ist Schriftstellerin, Journalistin und Literaturkritikerin. Sie beschäftigt sich mit der Frau in der Psychoanalyse. 2014 gewann sie den renommiertesten slowenischen Kurzgeschichtenwettbewerb. Das vorliegende Buch ist ihr Debüt.



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