E-Book, Deutsch, 210 Seiten
Schneider Das missbrauchte Geschlecht
Neuauflage 2025
ISBN: 978-3-907347-40-9
Verlag: Weltbuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gendern ... geht das auch sensibel?
E-Book, Deutsch, 210 Seiten
ISBN: 978-3-907347-40-9
Verlag: Weltbuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In einer Welt, in der Sprache immer mehr im Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten steht, bietet dieses Buch eine fundierte, kritische und persönliche Reflexion über das Phänomen des Genderns. Der Autor, zunächst überzeugt von der 'gendersensiblen' Sprache und ihren inklusiven Absichten, beschreibt seinen Wandel von einem unbedarften Mitmacher zu einem reflektierten Skeptiker.
Kritisches Nachdenken und intensives Recherchieren beleuchtet bisher kaum beachtete Argumente und Folgen des Genderns entlang gesellschaftlicher Konfliktlinien. Was als Zeichen für Gerechtigkeit und Inklusivität gilt, enthüllt zunehmend auch Schattenseiten: Zwang, Spaltung und eine Moralität, die nur wenig Raum für abweichende Ansichten lässt. Ist das Gendern wirklich der Weg zu einer gerechteren Sprache? Oder liegt in der Vielfalt der deutschen Sprache ein viel größeres Potenzial für Inklusivität, das behutsam und respektvoll entfaltet werden sollte?
Für die vielen Menschen, die sich unwohl fühlen, ob sie gendern oder nicht, und nach Argumenten für ihre Entscheidung suchen, bietet dieses Buch eine wertvolle Orientierung. Es ist eine Einladung zum Nachdenken, zum Abwägen und zum bewussten Umgang mit der Sprache, die wir prägen und die uns alle prägt.
Jan Schneider studierte an der Technischen Universität München und promovierte zum Dr.-Ing.
In seiner beruflichen Laufbahn sammelte er in verschiedenen Unternehmen sowohl in Deutschland als auch im Ausland Erfahrung. Darüber hinaus war er als Lehrbeauftragter an den Technischen Universitäten München und Berlin tätig.
Heute ist er Professor an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe und leitet das von ihm mitgegründete Institute for Life Science Technologies sowie die Future Food Factory OWL. Er wurde mehrfach für seine Forschungsarbeiten und für seine Lehre an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe ausgezeichnet.
Sein Interesse gilt zudem einer interdisziplinären Perspektive, die Geistes- und Naturwissenschaften vereint, um Umbruchprozesse in menschlichen Gesellschaften zu analysieren. Inspiriert durch geisteswissenschaftliche Kurse, die er während seiner Promotion im Fern-studium belegte - darunter philosophische Ethik bei Annemarie Pieper -, richtet sich sein Fokus heute auf den Wandel menschlichen Verhaltens, etwa in den Bereichen Ernährung, Sprache oder sozialem Zusammenleben.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
2. WIE WIR „GENDERN“
Wir wollen nun die wichtigsten Vorschläge für eine „gendergerechte“ Sprache bezüglich ihrer positiven wie auch möglicher negativer Wirkungen analysieren. Dabei wollen wir von der Prämisse ausgehen, dass Sprache sich ändern kann und muss. Allein die möglicherweise unbequeme Gewöhnung daran darf kein grundsätzliches Hindernis für Anpassungen sein. Daher ist die Feststellung, dass neue sprachliche Formen als komisch empfunden werden, kein starkes Argument gegen das „Gendern“. Gleichwohl ist dieses Argument von jenen Bedenken zu besonderen sprachtechnischen Schwierigkeiten für bestimmte Teile der Gesellschaft zu unterscheiden, zumal sie für einige durchaus große Hürden darstellen. Man denke an ältere Menschen oder gering literalisierte Menschen sowie an Menschen, die in einem bildungsferneren sozioökonomischen Umfeld aufwachsen und leben. Es geht in der nachfolgenden Betrachtung auch darum, ob oder inwieweit Veränderungen des sprachlichen Kodex überhaupt dazu geeignet sind, die gesteckten Ziele zu erreichen, und welche ungewollten Effekte zu bedenken sind. 2.1. EINFACHE ANSÄTZE
Ein einfacher Lösungsansatz zur Umgehung speziell des generischen Maskulinums sind Inklusivitätsklauseln. Bei schriftlichen Texten wird in der Regel an einer geeigneten Stelle am Anfang, zum Beispiel als Fußnote, eine Erklärung gemacht, dass alle generischen Formen in Bezug auf das Geschlecht inklusiv zu verstehen sind. In der mündlichen Kommunikation, etwa bei Vorträgen, ist diese Lösung ebenfalls möglich. Solche Klauseln stehen allerdings in ähnlicher Weise in der Kritik wie das generische Maskulinum selbst. Der Grund für die Unzufriedenheit mit dieser Variante ist die nicht-explizite Sichtbarmachung des Weiblichen in der Sprache, die eine der weiteren Forderungen des „Genderns“ ist. Da, wo es beim „Gendern“ mehr um ein Revoltieren geht, bietet die Lösung einer Klausel schlicht zu wenig Aufmerksamkeit. So finden sich solche Inklusivitätsklauseln mittlerweile auch nur selten. In den Sprech- und Schreibleitfäden von Gleichstellungsbüros werden sie meist abgelehnt oder bleiben unerwähnt. Eine anderer bekannter, pragmatischer Vorschlag besteht darin, das generische Maskulinum um den Zusatz „(w/m/d)“ zu ergänzen. Die Buchstaben stehen für weiblich, männlich und divers, wobei davon ausgegangen wird, dass zumindest in dem üblichen Anwendungskontext von Stellenausschreibungen keine weitere Erklärung nötig ist. Beispiel: „Wir stellen ein: Kapellmeister (w/m/d).“ Dieser Lösungsansatz ist in der Schriftsprache erstaunlich einfach und unproblematisch, solange es sich um Schlagworte oder Überschriften, wie bei Stellenausschreibungen, handelt. In einem Fließtext kann der Klammereinschub auf Dauer stilistische Schwierigkeiten machen. Und: Auch hier dürfte die Forderung nach der besonderen Sichtbarmachung des Weiblichen kaum befriedigend gelöst sein. Es kann beobachtet werden, dass diese Version auch in der gesprochenen Sprache Verwendung findet. Oft sind es spontan hinzugefügte Nachbesserungen, wenn man das generische Maskulinum bereits ausgesprochen hat und dann möglicherweise das Gefühl entsteht, als würde etwas anderes erwartet. Dann wird das „m/w/d“ auch im Mündlichen hinterhergeschoben: „Wir brauchen hierfür einen hochqualifizierten Experten…männlich, weiblich, divers.“ Eine weitere sehr einfache Methode tritt vermutlich sowohl aus Versehen, als auch mit Kalkül auf und stellt dann eine durchaus spannende Variante dar. Wir könnten sie die Random-Methode nennen. Dabei wird zwischen Maskulinum und Femininum beliebig, aber doch unter Beibehaltung eines halbwegs statistischen Gleichgewichtes gewechselt: „Keiner von ihnen wird sich drücken können, jede kommt einmal dran, sowohl die Kollegen aus der Verwaltung als auch die Mitarbeiterinnen aus der Technikabteilung.“ Der stochastische Zufall oder Mitzählen soll dabei für eine symmetrische Repräsentation der Geschlechter sorgen. 2.2. FEMINISIERUNG DER SPRACHE
Immer wieder tauchen Forderungen auf, generische Maskulina einfach in generische Feminina zu wandeln. Was zunächst wie ein weiterer pragmatischer Vorschlag aussieht, verfolgt beim genauen Hinsehen doch ganz andere Ziele. Die Forderung kommt aus zwei unterschiedlichen Richtungen, die beide mit Vorsicht zu genießen sind. Einerseits sind es Männer, die ihr Beleidigtsein über das „Gendern“ nicht wirklich erfolgreich verbergen können und mit einer merkwürdigen Generosität die Meinung vertreten, dass die grundsätzliche Anwendung eines generischen Feminismus nicht stören würde. Dem folgend würden wir beispielsweise immer von Kundinnen oder Touristinnen sprechen, auch wenn wir geschlechtsheterogene Gruppen meinen. Letztendlich aber ist die erkennbare Botschaft dahinter, dass man ja grundsätzlich auch umgekehrt generische Maskulina akzeptieren könne, aber dazu bräuchte man dann wohl eine entsprechende Größe, die nur die männliche Seite aufzubringen vermag. Zum anderen gibt es dann auch noch die Forderung der „totalen Feminisierung“ der Sprache aus Richtung der radikalfeministischen Sprachkritik um Luise Pusch.14 Wir ahnen schon, dass dazu nicht nur das generische Femininum, sondern auch Transformationen, wie die von „man“ in „frau“ sowie „jedermann“ in „jedefrau“, von „Brüderlichkeit“ in „Schwesterlichkeit“ etc. gehören. Die Literaturwissenschaftlerin Dagmar Lorenz hat dazu treffend analysiert, dass es hier lediglich darum geht, an einem „schimärehaften Männer-Kollektivum“ Rache üben zu wollen.15 Lorenz bezieht ihre Einordnung direkt auf die Mutter der feministischen Sprachkritik, Luise Pusch, die schreibt: „Es besteht kein Zweifel daran, dass die Frau sprachlich (natürlich auch in jeder anderen Hinsicht) extrem benachteiligt ist. Was ihr zusteht und was sie braucht, ist nicht Gleich-, sondern Besserbehandlung, kompensatorische Gerechtigkeit, … Es wird ihm [dem Mann] guttun, es im eigenen Gemüt zu erleben, wie es sich anfühlt, mitgemeint zu sein, sprachlich dem anderen Geschlecht zugezählt zu werden, diesen ständigen Identitätsverlust hinzunehmen.“16 Schließlich, so Dagmar Lorenz dazu, stellt sich die rhetorische Frage, ob man Sprechen und Schreiben dazu verwenden sollte, „Racheakte zu betreiben“.17 2.3. BEIDNENNUNG (PAARFORM)
Eine schon lange bekannte Alternative zu generischen (geschlechtsunspezifischen) Formen ist die Beidnennung, auch Doppelform oder Paarform genannt. Dazu wird neben der maskulinen Form auch die feminine Form vollständig genannt: „Kolleginnen und Kollegen“, „jede und jeder“, „Amtsmänner und Amtsfrauen“ etc. Neben der Nicht-Inklusivität, die als Grund zu Vermeidung des generischen Maskulinums angeführt wird, ist ein weiterer Grund die „asymmetrische Repräsentation“ des Weiblichen in der Sprache. Der Beidnennung wird zugetraut, eine solche Hervorhebung des Weiblichen in der Sprache zu ermöglichen. Für Werbung oder als Motivationsinstrument kann die Beidnennung nützlich sein. Das ist besonders da der Fall, wo Frauen tatsächlich oder auch nur in der gesellschaftlichen Wahrnehmung unterrepräsentiert sind. In Berufsfeldern, in welchen Männer oder Frauen traditionell dominieren, kann mit der Beidnennung das Bewusstsein gefördert werden, dass diese Berufe nicht nur für Männer oder nur für Frauen infrage kommen. Für die Werbung der Bundeswehr zum Beispiel hilft es, von „Soldatinnen und Soldaten“ zu sprechen, weil sich auch junge Frauen spezifischer und somit direkter angesprochen fühlen. Nachteilig an dieser Form ist ihre Länge. Gerade dann, wenn viele solcher Beidnennungen in kurzen Abständen folgen, schwellen Texte an. Mit dem Aufblähen geht eine Veränderung der Fokussierung einher: „Pendlerinnen und Pendler müssen mit einer Absenkung der Pendlerinnen- und Pendlerpauschale rechnen.“ Die eigentliche Aussage dieses Satzes wird von der Botschaft überformt, dass nicht nur Männer, sondern auch Frauen beruflich pendeln. Und das wiederum ist eine Binsenweisheit. Ein weiteres Problem, das in Verbindung mit der Beidnennung gebracht wird, ist die Exklusion nicht-binärer Menschen. Während eine generische Form geschlechtsunspezifisch ist und alle Menschen repräsentiert, löst die Beidnennung die Unspezifität des generischen Maskulinums auf. Man kann sich das an einem anderen Beispiel deutlich machen, zum Beispiel der Bezeichnung von „klassischer Musik“. Sprechen wir von klassischer Musik im Zusammenhang mit einem Konzert, verstehen wir darunter Kunstmusik, die auf den traditionellen Instrumenten eines Sinfonieorchesters gespielt wird. In einem solchen Fall grenzt sich „Klassik“ von Jazz-, Pop- oder Rockmusik ab. „Klassik“ umfasst in diesem...