E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Schneider / Haag Die Fitness-Docs
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7453-1178-5
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Beweglich und gesund ein Leben lang. Mit effektiven Minimalprogrammen für Rücken, Hüfte, Knie & Co.
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-7453-1178-5
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. med. Christian Schneider ist Facharzt für Orthopädie mit eigener Praxis in München. Er arbeitet mit großen Sportorganisationen wie IOC, FIFA und der Fußballbundesliga zusammen, ist leitender Arzt des deutschen Bob- und Schlittenverbands und betreut zahlreiche Kaderathleten verschiedenster Sportarten. 2018 war er Sportarzt des Jahres, 2019 wurde er vom FOCUS unter die Topmediziner gewählt. Der Sportwissenschaftler Dr. Thore-Björn Haag ist Leiter der Sporttherapie des Orthopädiezentrums Theresie. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf der wissenschaftlich fundierten Therapie von Beschwerden des Bewegungsapparats. Als ehemaliger Hochleistungssportler ist er mit Trainingsmethoden jedes Niveaus bestens vertraut und gibt dieses Wissen als Personal Trainer, in Vorträgen und Seminaren weiter.
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KAPITEL 2
WIE WIR DEN ALTERUNGSPROZESS AUFHALTEN KÖNNEN
Nun geht es ans Eingemachte. Die Frage aller Fragen, auf die Sie schon seit unzähligen Seiten hinlesen, wird endlich gestellt: Wie kann man den Alterungsprozess aufhalten? Ohne Werbeunterbrechungen oder Weltformeln kommen wir direkt zum Punkt, der Sie nicht überraschen wird: durch Bewegung. Dabei muss gesagt werden, dass »aufhalten« nur in sehr wenigen Fällen zutreffend erscheint. Einigen wir uns auf »verlangsamen«. Ja, langsam ist gut.
DEN KÖRPER DURCH BEWEGUNG GESUND HALTEN
Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO), die in Zeiten der Virus-Pandemien aktuell mehr denn je gefordert ist, hat sogenannte Gesundheitsminimalprogramme definiert. Hintergrund ist nicht nur die Gesunderhaltung des Bewegungsapparates, sondern auch der geistigen und psychischen Verfassung. Denn Sport beziehungsweise physische Aktivität besitzt – im richtigen Maße – nachweislich zahlreiche positive Effekte in Bezug auf unsere Wahrnehmung, Motivation und Willenskraft sowie auf das Immun- und Hormonsystem.
Unzählige Male haben wir Sie schon darauf hingewiesen, dass Sport ein probates Mittel sei, unterschiedlichsten Alterserscheinungen aktiv zu begegnen. Aber die Antwort auf das »Warum« sind wir Ihnen noch schuldig.
Bewegung beansprucht unsere Muskulatur, die infolge der ansteigenden Belastung einen erhöhten Energie- und Nährstoffbedarf decken muss. Um dies zu bewerkstelligen, werden zahlreiche unterschiedliche Prozesse in Gang gesetzt, die den gesamten menschlichen Organismus ankurbeln. Jeder, der einmal vier Stockwerke zu Fuß die Treppen hinaufgehetzt ist, weil er drohte, zu spät zum Termin zu erscheinen, kennt das: Unser Herz rast, wir kommen aus der Puste und unsere Gesichtszüge entgleisen. Das liegt daran, dass diverse Stoffe, die wir benötigen, um unser System am Laufen zu halten (wie Sauerstoff, Glykogen oder Hormone), nur einen einzigen Transportweg nutzen können: die Blutbahn. Damit das Blut im Belastungsfall aber auch schnell dahin kommt, wo es hin soll, muss der einzige Motor, den wir haben (unser Herz), schneller arbeiten; unsere Herzfrequenz steigt. Da wir zusätzlich bei erhöhter Muskelarbeit einen erhöhten Bedarf an Sauerstoff und einen Überschuss an Kohlenstoffdioxid in uns aufbauen, muss auch unser einziger Sauerstoffzulieferer (die Lunge) schneller arbeiten; unsere Atmung beschleunigt sich von circa 15 Atemzügen pro Minute auf über 40.
Die gute Nachricht: Unser Körper reagiert auf Belastung mit Anpassung. Belastung trainiert unseren Herzmuskel, er wird größer (erhöhtes Schlagvolumen) und stärker und ist somit in der Lage, mehr Blut umzuwälzen. Das normale Herz hat eine Masse von circa 300 Gramm und besitzt ein Schlagvolumen von circa 70 Millilitern. Bei einem gut trainierten Ausdauersportler kann die Herzmasse auf bis zu 500 Gramm ansteigen und dabei ein Schlagvolumen von 140 Millilitern entwickeln. Hinzu kommt, dass mit dem erhöhten Herzvolumen ebenfalls eine erhöhte Sauerstoffaufnahme einhergeht, die wiederum eine bessere Versorgung mit Sauerstoff (nicht nur im Belastungsfall) garantiert. Das erklärt auch, wieso der Ruhepuls sportlich aktiver Menschen geringer ist als der inaktiver; und je langsamer das Herz schlägt, desto besser wird es selbst mit Nährstoffen versorgt. Darüber hinaus möchten wir aber gern noch auf ein paar andere positive Effekte körperlicher Aktivität hinweisen, derer man sich vielleicht nicht immer unmittelbar bewusst ist.
Stärkerer Blutfluss lässt Konzentration und Fokussierung steigen
Der erhöhte Blutfluss versorgt all unsere Systeme (Muskeln, Gelenke, Sehnen, Bänder, Knochen und Organe) mit mehr Nährstoffen, so auch das Gehirn. Um arbeiten zu können, beziehungsweise den energetischen Bedarf zu decken, benötigt es die ständige Zufuhr von Sauerstoff und Glukose, da seine eigenen Speicher eine sehr geringe Kapazität besitzen. Unterbindet man diese, wird der Mensch bereits innerhalb weniger Sekunden bewusstlos. Im Gegenzug dazu verbessert ein erhöhter Blutfluss innerhalb des Gehirns die Energiezufuhr und damit die Leistungsfähigkeit, Konzentration und Fokussierung. Darüber hinaus wird die Ausschüttung von Neurotransmittern (zum Beispiel Stickstoffmonoxid) erhöht, denen nachgesagt wird, zahlreiche unterschiedliche Systeme des Körpers positiv beeinflussen zu können, wie zum Beispiel das Immunsystem, die Entspannung der Blutgefäße oder den Schlaf.
Mehr Ausdauer führt zu weniger Müdigkeit und schnellerer Regeneration
Ausdauer, oder der synonym verwendete Begriff Ermüdungswiderstandsfähigkeit, bezeichnet die Fähigkeit, die Energieversorgung des Körpers bei Belastung möglichst lange aufrechtzuerhalten. Dies geschieht energetisch zunächst überwiegend über die Sauerstoffversorgung (bei niedriger Intensität) oder, wenn diese aufgrund zu hoher Intensität nicht mehr ausreichend gewährleistet ist, durch antioxidative Prozesse. Letztere haben den Nachteil, dass sich Nebenprodukte – oder besser gesagt: energetische Zwischenspeicher (zum Beispiel Laktat) – anreichern, die früher oder später zum Leistungsabbruch führen. Ein erhöhtes Schlagvolumen und eine bessere Sauerstoffaufnahme unseres Herzens unter Belastung ermöglichen, die energetische Versorgung länger über oxidative Prozesse zu gewährleisten, verlängern also die Zeit bis wir ermüden.
Körperliche Aktivitäten regen den Fettstoffwechsel an
Schon die antiken Griechen und Römer verwendeten tierische (Schweineschmalz, Butter, Sahne) und pflanzliche Fette (vor allem Oliven) zum Verfeinern ihrer Speisen oder in Kosmetika. So hat der Geschmacksträger seinen Siegeszug lange vor der Diskussion um naturbelassene Qualität bereits in Stein gemeißelt. Auch galt eine gewisse körperliche Rundung als erstrebenswert. Denn Fette sind bedeutende Energieträger und wichtig für diverse Aufgaben innerhalb unseres Körpers.
Gänzlich unabhängig gesellschaftlich-konventioneller Schönheitsideale der Moderne hat das Ankurbeln des Fettstoffwechsels allerdings einen bedeutenden Vorteil für Ihre Gesundheit, der damaligen Gelehrten noch verborgen blieb. Es lässt sich nämlich ein erhöhtes Risiko zahlreicher Zivilisationskrankheiten mit viszeralem Bauchfett in Verbindung bringen, so zum Beispiel Herzinfarkt, Bluthochdruck, Schlaganfall, Diabetes oder Krebs. Da Fett jedoch ein lebensnotwendiger Baustein unseres Systems ist, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bis zu 30 Prozent des täglichen Gesamtbedarfs an Energie über diesen energiereichen Nährstoffträger abzudecken. Wenn Sie dies mit einem gering bis moderat intensiven Trainingsprogramm koppeln, können Sie, auch ohne sich durch endlos lange anstrengende Trainingseinheiten oder Diäten zu quälen, den Fettstoffwechsel anregen und langfristig Erkrankungen vorbeugen.
Sportliche Aktivitäten regen den Fettstoffwechsel an. Bereits leichtes regelmäßiges Training kann helfen, langfristig Erkrankungen vorzubeugen.
Mit Freude am Sport den Stress reduzieren
Sport hilft auf unterschiedliche Arten, Stress zu reduzieren. Zum einen ist während der Bewegung der Motorcortex des Gehirns besonders aktiv, weshalb anderen Bereichen, die zeitweise ursächlich für Stress sind (wie zum Beispiel der präfrontale Cortex), weniger Ressourcen zugeordnet werden. Zum anderen schütten wir bei der Ausübung Hormone aus, die den aufgrund der Stresssituation vorhandenen Hormonen Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin entgegensteuern: Endorphine und Serotonin, die in uns ein befriedigendes, wohliges Gefühl auslösen. Entscheidend ist jedoch, dass Sie einen Sport ausüben, der Ihnen Spaß bereitet und diesen dann nicht übertreiben. Die Richtlinien der WHO gelten hier als verlässliche Kontrollparameter.
Stärkung der koordinativen Fähigkeiten
Koordination ist als abstrakter und summativer Begriff schwer zu fassen. Er beschreibt hauptsächlich das Zusammenspiel des zentralen Nervensystems, der Skelettmuskulatur und unserer Sinneswahrnehmung anhand verschiedener weniger abstrakter Begrifflichkeiten (Differenzierungs-, Orientierungs-, Rhythmisierungs-, Kopplungs-, Umstellungs-, Reaktions-, Gleichgewichts- und Antizipationsfähigkeit). Wenn wir über eine Stufe stolpern, überhört haben, den Müll vor die Tür zu bringen, weil wir gerade mit etwas anderem beschäftigt sind, oder uns im Wald verlaufen haben, dann ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Missverhältnis in einem oder mehreren der angesprochenen Systeme situativ vorhanden gewesen. Dabei ist es mit den koordinativen Fähigkeiten wie mit Shakespeares Phrasen: Sie sind uns in Fleisch und Blut übergegangen, ohne dass wir uns des Ausmaßes vollkommen bewusst...