Schödlbauer | Wahnbegegnungen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 384 Seiten, PDF

Reihe: Anthropologische Psychiatrie

Schödlbauer Wahnbegegnungen

Zugänge zur Paranoia
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-88414-901-0
Verlag: Psychiatrie-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Zugänge zur Paranoia

E-Book, Deutsch, Band 1, 384 Seiten, PDF

Reihe: Anthropologische Psychiatrie

ISBN: 978-3-88414-901-0
Verlag: Psychiatrie-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der erste Band der neuen Reihe 'Anthropologische Psychiatrie' zeigt eindrucksvoll, wie philosophische Betrachtungen zum Wesen des Menschen die soziale und somatische Psychiatrie, Medizin und Psychologie bereichern. Sie verschaffen nicht nur Zugang zu neuen therapeutischen Ansätzen, sondern fördern auch den notwendigen Diskurs zwischen allen Akteuren und Akteurinnen in psychiatrischen Berufs- und Erfahrungsfeldern.
Wo genau liegen die Grenzen zwischen Formen einer wahnhaften Psychose und anderen psychologischen Phänomenen? Was unterscheidet die kreative Entfremdung vom Gewohnten vom Erfinderwahn, was den Massenwahn von kollektiven Überzeugungen? Anders gefragt: Wo begegnen und berühren sich psychotische und 'normale' menschliche Wahrnehmungsmöglichkeiten und Verarbeitungsprozesse?
Ein neues Standardwerk sichtet psychiatrisches und philosophisches Wissen und zeigt das ganze Spektrum von Wahnhaftigkeit in Kunst, Wissenschaft, Politik und Religion. Kenntnisreich konturiert der Autor ein rätselhaftes Phänomen und eröffnet so auch therapeutisch neue Zugänge zum wahnerkrankten Menschen.
Der Wahn ist das zentrale Moment der psychotischen Erfahrung und Ausdruck des menschlichen Wunsches nach Sinnbildung. Das Buch kontrastiert dimensionale und kategoriale psychiatrische Diagnostik des Wahns und diskutiert souverän die psychiatrische und philosophische Literatur und ihre Fallbeispiele aus zwei Jahrhunderten. Mehr kann man gegenwärtig über Wahnbildung und die Zugänge zu wahnerkrankten Menschen nicht erfahren!

Schödlbauer Wahnbegegnungen jetzt bestellen!

Zielgruppe


Empfehlenswert für alle psychiatrisch Tätigen und philosophisch Interessierte.


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Wahnverwandtschaften
Wesensunterschiede oder Zonen des Übergangs?
Schon im einleitenden Fall Der heimliche Verehrer ging es um die Frage: Liebe oder Liebeswahn? Im Folgenden geht es systematischer um den Unterschied zwischen »echtem« Wahn und den verschiedenen wahnnahen, wahnähnlichen Phänomenen. Worin besteht die Differenz zwischen Wahngewissheit und nichtpsychotischen Überzeugungen, zwischen dem Wahn eines Einzelnen und kollektiven Ideologien? Unter der Überschrift »Wahnverwandtschaften« geht es um Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Einfällen, wie wir alle sie kennen, und Wahneinfällen, zwischen kreativen Einfällen und dem Erfinderwahn, zwischen den Gedanken, die sich dem Zwangsneurotiker aufdrängen, und Wahngedanken, zwischen dem gedanklichen Kreisen um das Aussehen des eigenen Körpers und körperbezogenem Wahn, zwischen fixen Ideen und Wahnideen sowie schließlich um die Frage, ob Wahn und Wissenschaft vielleicht mehr miteinander gemein haben, als Letztere glauben will. Wo gibt es womöglich gleitende Übergänge zwischen den genannten Wahnverwandten und dem Paranoiden, wo ist das, was wahnverwandt scheint, zwar wahnähnlich, gehört jedoch einer ganz anderen Ordnung an? Haben wir es also mit Wesensunterschieden zu tun oder handelt es sich vielmehr um Zonen des Übergangs? Einfall und Wahneinfall
Wahnsymptome sind zuweilen schwer, manchmal auch gar nicht sicher von Phänomenen zu unterscheiden, die nicht psychotischer Art sind. Eine »Schwierigkeit im Wahnproblem« hat schon Kurt Schneider 1938 darin gesehen, dass der Wahneinfall nicht einmal von normalpsychologischen Einfällen sicher zu differenzieren sei. Kurt Kolle geht so weit, dass »wahnhafte ›Ideen‹ und Einfälle […] in die Streuungsbreite des gesunden Seelenlebens [!]« (KOLLE 1957, S. 16) gehören. Kreativer Einfall und Erfinderwahn
Wenn einem die Idee zu einer neuen technischen Erfindung kommt, können paranoide wie nichtparanoide Erfinder intensiv, wenn nicht »überwertig« mit ihrem Einfall befasst sein, ihm nachgehen, an ihm gedanklich basteln, Skizzen zu der Erfindung verfertigen, sich vielleicht Fantasien von Erfolg und Reichtum hingeben – solche Phasen kennt auch fast jeder Künstler. Ein technischer Einfall kann in einen Erfinderwahn münden, aber auch zum Patent angemeldet werden und Marktreife erlangen. Abbildung 1 Zeichnung der von Heinrich A. Müller patentierten Maschine (1903); Quelle: KURZMEYER 1994, S. 63 Ob Müller wirklich auf einen Diebstahl seines geistigen Eigentums hin eine reaktive Psychose entwickelte – erst 1926 soll eine elektrisch betriebene Maschine nach diesem Prinzip gebaut und einige Jahre im Einsatz gewesen sein – oder nicht eher einen Plagiatswahn entwickelte, muss offenbleiben. Jedenfalls blieb Müller nicht bei der Idee einer schöpferischen und transkontinentalen Vereinigung von Pflanzen dank des mechanisierten Kopulationsschnitts stehen, in seinem späteren Größenwahn wurde er – in Verleugnung der »Kastration« (des »Kopulations-Schnitts«), würde man psychoanalytisch sagen – ewiger Vatergott, wie er 1919 kundgab; »›papa Dieu‹ & L’Eternelle« (ebd., S. 172). Abbildung 2 Heinrich A. MÜLLER, »Maschine, um 1914/22«; Quelle: KURZMEYER 1994, S. 65 In den Jahren seiner Hospitalisierung von 1906 bis zu seinem Tod in der Anstalt Münsingen bastelte Müller aus einer nicht gerade appetitlichen Mischung aus Abfällen wie Lumpen, Draht, Geäst, Körpersekreten und -exkreten komplexe, teils fahrbare Apparate, die er in Schwung zu setzen schien, wenn ihm jemand zu nahe kam; man kann vermuten, dass es sich um Maschinen handelt, die für ihren Erbauer lebensrettend waren, mit denen sich Müller wohl auch gegen zönästhetisches Beeinträchtigungserleben zu erwehren versuchte. Wenn man bedenkt, dass Müller an katatonen Krisen gelitten haben soll, liegt der Gedanke nahe, dass seine »kinetischen« Werke ihn nach katatoner Starre in Bewegung bringen oder halten sollten. Zwangsgedanken
Unter den klinischen Phänomenen machen besonders Zwangsgedanken Schwierigkeiten, sie von psychotischen Phänomenen klar zu unterscheiden. Die Erwartung, dass die ganze Welt untergehe, wenn man nicht dies oder jenes denke oder tue, kann für einen schizophren Erkrankten reale Gefahr sein, beim Zwangsneurotiker ruft sie Gedanken und Gegengedanken oder ein anderes anankastisches Zeremoniell auf den Plan. Auch der Zwangsneurotiker macht sich dann zur »Ursache des Weltunterganges. In dieser Hinsicht gleichen sie manchen Schizophrenen, die zwischen Erlöser- und Zerstörerideen pendeln. Nur schmal ist die Grenze, die den Zwangskranken von dem Schizophrenen trennt. In dem Glauben an die Allmacht der Gedanken, in den Erlöser- und Weltzerstörerideen, in der Christus- und Satanidentifzierung weisen die beiden Leiden ähnliche Züge auf« (STEKEL 1927, S. 407). » Fällt mir der böse Gedanke ein (mein Mann könnte krank oder überfahren werden), so muß ich ängstlich die Stelle ausradieren, wo mir der Gedanke eingefallen ist. Ich trete mit dem Fuße die Stelle ab, ich scharre, ich wiederhole ›Lieber Gott – Nein!‹, zweifle dann, daß ich es gut getan habe « (STEKEL 1927, S. 285). Zwangsneurotiker wie Schizophrene sind beide irgendwie mit der »Allmacht der Gedanken« (Freud) befasst. Aber der Zwangskranke lebt irgendwie im Glauben an die magische Allmacht seiner Gedanken, während der Psychosekranke mit Ich-Störungen entsprechender Art um seine Allmacht weiß und gedanklich in der Welt wirkt. Schematisch gesagt, erlebt sich der Wahnkranke im Feld der Gewissheit, der Zwangskranke dagegen oszilliert zwischen Zwang und Zweifel. Zwanghafte Beschäftigung mit dem Äußeren – körperbezogener Wahn
Die Beschäftigung mit dem eigenen Äußeren kann zwanghafte Formen annehmen, was diagnostisch schwer einzuordnen ist: pubertäres Durchgangssyndrom, zwanghaftes Grübeln, Körperdysmorphophobie, Prodrom einer Schizophrenie oder körperbezogener Wahn? Überwertige Idee und Wahnidee
Je mehr der Wahn akut ist und aktive »Wahnarbeit« besteht, desto mehr zieht er so gut wie alles psychische Interesse auf sich. Ähnlich ist das bei einer »überwertigen Idee«, die stark affektiv besetzt wird und den Betroffenen stark beschäftigt. Beispiele einer solchen »fixen Idee«, wie man alltagssprachlich sagt, wären die oben erwähnte »überwertige Erfindungsidee« (BIRNBAUM 1915, S. 50), die man vom Erfinderwahn unterscheiden möchte, der Gedanke erlittenen Unrechts und des Anspruchs auf Genugtuung gegenüber dem sogenannten Querulantenwahn oder auch die krankhafte Eifersucht gegenüber dem wahnhaften Othello-Syndrom. Idiosynkratischer Wahn und kollektive Überzeugung
Eugen Bleuler schreibt in seinem Lehrbuch: »Die Wahnideen haben […] ihr normales Analogon […] in irrationalen Überzeugungen eines Einzelnen oder in gefühlsgetragenen und unbeweisbaren Bekenntnissen ganzer Gruppen« (zitiert nach LENZ 1976, S. 17). Aber ist Massenwahn nicht ein Widerspruch in sich? Schließlich kann man einwenden, dass Weltanschauungen, Ideologien, wissenschaftliche oder parawissenschaftliche Anschauungen oder der Glaube von Sekten per se von jedem Wahnverdacht frei sind, eben weil sie von einer Gruppe an Menschen geteilt werden. Denkt man an das Beispiel der früheren UdSSR, in der politisch missliebige Personen ihrer Überzeugungen wegen in psychiatrische Anstalten verbracht wurden, liegt es auf der Hand, wie missbräuchlich es sein kann, Überzeugungen etwa einer Gruppe von Dissidenten zu »psychiatrisieren«. Wer hat dann den Wahn? Nach dem DSM-IV und -5 dürfen kollektive Überzeugungssysteme gar nicht als Wahn diagnostiziert werden. Eine Einschränkung, die nicht nur politischen Missbrauch verhindern soll, sondern auch, dass ein Diagnostiker ihm fremde religiöse, spirituelle oder andere Überzeugungssysteme, die (sub-)kulturell tradiert und verankert sind, fälschlich pathologisiert. ...


Schödlbauer, Michael
Dr. Michael Schödlbauer, Dipl.-Psychologe, arbeitet als Psychologischer Psychotherapeut am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, und ist Geschäftsführer, Dozent und Supervisor am Adolf-Ernst-Meyer-Institut für Psychotherapie in Hamburg.

Dr. Michael Schödlbauer, Dipl.-Psychologe, arbeitet als Psychologischer Psychotherapeut am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, und ist Geschäftsführer, Dozent und Supervisor am Adolf-Ernst-Meyer-Institut für Psychotherapie in Hamburg.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.