Die genannten Fehlerquellen können oft nur vermieden oder behoben werden, indem Lehrer ihre diagnostische Kompetenz immer wieder auf den Prüfstand stellen und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. Zur Erfassung und Verbesserung der pädagogischen Diagnosefähigkeit empfehlen wir Lehrern folgenden Zyklus (in Anlehnung an Helmke 2003): |21? ?22|
1. Auswahl eines Merkmals: Zunächst wählt der Lehrer ein Merkmal eines Schülers oder einer Aufgabenstellung aus, anhand dessen er seine diagnostische Kompetenz erfassen und verbessern will. So kann er das Augenmerk z.B. darauf richten, wie bestimmte Schüler beim Lösen mathematischer Textaufgaben vorgehen oder wie sie mit Prüfungssituationen umgehen.
2. Persönliche Prognose: Anschließend überlegt sich der Lehrer, welches Ergebnis er erwartet, und hält seine Einschätzung schriftlich fest. Dieser Schritt dient der Sensibilisierung und gegebenenfalls der Korrektur der bisweilen fragwürdigen subjektiven Deutungsmuster.
3. Erhebung des tatsächlichen Ergebnisses: Nun kann der Lehrer die zuvor festgelegten Merkmale einzelner Schüler sorgfältig beobachten und beschreiben. Die Erhebung kann durch einen Test, durch einen Frage- oder Diagnosebogen oder durch sorgfältige Beobachtung erfolgen, die an klaren Kriterien orientiert ist.
4. Vergleich zwischen persönlicher Prognose und dem Befund der Erhebung: Der Pädagoge vergleicht seine persönliche Prognose mit dem tatsächlichen Befund, um herauszufinden, ob es eine Differenz gibt und wie hoch diese ist (Helmke 2003, 99).
5. Analyse möglicher Diskrepanzen zwischen Prognose und Befund: Sofern Unterschiede zwischen dem erwarteten und tatsächlichen Ergebnis festgestellt werden, sucht der Lehrer gemeinsam mit dem Schüler und gegebenenfalls mit den Eltern nach Gründen und überlegt sich, wie er eine Fehleinschätzung künftig vermeiden kann. Auch ein Austausch mit Kollegen, welche die betreffenden Schüler aus dem Unterricht kennen, kann wichtige Hinweise für eigene Urteilsfehler geben.
6. Festlegung der nächsten Schritte zur Verbesserung der Diagnosekompetenz: Der Lehrer überlegt sich konkrete Schritte zur Weiterentwicklung seiner Diagnosekompetenz. Dafür wählt er ein Merkmal der Schüler, der Unterrichtsgestaltung oder der Aufgabenstellung aus, anhand dessen er seine diagnostischen Fähigkeiten auf den Prüfstand stellen und verbessern kann. Damit schließt sich der Kreis.