E-Book, Deutsch, Band 02, 181 Seiten, Format (B × H): 160 mm x 230 mm, Gewicht: 460 g
Reihe: Edition NFO
Schrader / Dignum / Martens Digital Fix – Fix Digital
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-9818711-6-6
Verlag: Next Factory Ottensen
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Wie wir die digitale Welt von Grund auf erneuern können
E-Book, Deutsch, Band 02, 181 Seiten, Format (B × H): 160 mm x 230 mm, Gewicht: 460 g
Reihe: Edition NFO
ISBN: 978-3-9818711-6-6
Verlag: Next Factory Ottensen
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Drohen die Heilsversprechen digitaler Technologien ins Gegenteil umzuschlagen? Wie können die verschiedenen Probleme gelöst werden, vor denen unsere Gesellschaften heute angesichts der negativen Auswirkungen der digitalen Revolution stehen? Strategen, Designer, Ingenieure, Forscher, Journalisten, Philosophen, Praktiker, Unternehmer und Künstler stellen in diesem Buch verschiedene Lösungsansätze vor. Ihnen allen ist ein konstruktiver Blick auf die digitale Welt gemeinsam, in der wir heute leben. Herausgegeben von Matthias Schrader und Volker Martens, den Veranstaltern der NEXT Conference in Hamburg. Mit Beiträgen von Virginia Dignum, Pamela Pavliscak, François Chollet, Stephan Dörner, Martin Recke, Adam Tinworth, Nika Wiedinger, Fifer Garbesi, Tobias Revell und David Mattin.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
ADAM TINWORTH Vom unschuldigen Idealismus zu pragmatischen Lösungen Zwei Jahrzehnte Internetkultur Wie viele Menschen meiner Internetgeneration, die Mitte bis Ende der 9oer-Jahre schon ernsthaft online waren, war auch ich von der Welle der idealistischen Euphorie mitgerissen, die die ersten Online-Communitys umgab. Es ist leicht zu verstehen, warum wir die Cyberwelt durch rosafarbene Spiegelscheiben betrachtet haben. Wir waren eine selbst gewählte Gruppe von technisch versierten Nerds, die es genossen haben, sich mit Leuten genau wie uns zu treffen, manchmal zum allerersten Mal. Wir waren in der Lage, Communitys um die Dinge herum aufzubauen, die uns wichtig waren, und die Diskussion darüber zum ersten Mal in unseren Alltag zu integrieren. Das Internet hat unser Leben deutlich verbessert. Verbindungen und Beziehungen brachten uns zusammen, in einer Weise, die die Geografie irrelevant gemacht hat. Wenn wir das alles in die ganze Welt bringen würden, würde sicher alles besser werden. Das zu denken, war ein Fehler. Wir waren vielleicht die ersten Opfer von digital erzeugten Blasen. Wir waren in unserer eigenen kleinen Blase von selbst erwählten Early Adopters gefangen. Wir wussten noch nicht, wie homogen diese Gruppe war und wie anders die Dinge werden würden, sobald der Rest der Menschheit uns in den Cyberspace folgt. Jung zu sein und mit einer leidenschaftlichen, idealistischen Gruppe zusammen zu sein, ist ein tolles Gefühl. Jeder sollte es haben, zumindest für eine Weile. Aber wir müssen auch irgendwann einmal erwachsen werden und erkennen, dass die Welt komplizierter sein könnte, als es unsere Evangelisation zulässt. Wir wären auch nicht die erste Generation, die desillusioniert würde. Zwei Jahrzehnte vor dem Internet träumten die Menschen davon, dass Musik die Welt zusammenbringen würde. Mark Hamill, der Schauspieler hinter Luke Skywalker in den Star-Wars-Filmen, hat uns eine weitere Kostprobe davon gegeben. Er beschrieb kürzlich, wie er erkannte, dass Lukes Reise in dem jüngsten Film The Last Jedi seine eigene Reise vom Idealismus zur Desillusionierung widerspiegelt: ? 1 “It is tragic. I’m not a method actor, but one of the techniques a method actor will use is to try and use real-life experiences to relate to whatever fictional scenario he’s involved in. The only thing I could think of, given the screenplay that I read, was that I was of the Beatles generation – ‘All You Need Is Love’, ‘Peace and Love’. I thought at that time, when I was a teenager: ‘By the time we get in power, there will be no more war, there will be no racial discrimination, and pot will be legal.’So I’m one for three. When you think about it, [my generation is] a failure. The world is unquestionably worse now than it was then.” Wir alle, die wir ein paar Jahrzehnte später folgten, fanden unseren Idealismus nicht in Protestsongs und Hippie-Idealismus, sondern in den utopischen Welten, die wir uns im entstehenden Internet und Web erschufen. Und es gibt eine Verbindung zwischen den beiden Gruppen von Träumern. Viele derjenigen, die das frühe Internet aufgebaut haben, waren Produkte der Hippie-Generation. Idealismus ist eine wunderbare Sache. Aber er muss mit Vorsicht abgetönt werden. Während wir in den letzten Jahren die Dichotomie von DIGITAL SUCKS und DIGITAL FIX erforscht haben, lautet der Satz, auf den ich immer wieder zurückkomme: „Hope for the best, plan for the worst“. Meine Internetgeneration war so damit beschäftigt, das Erste zu tun, dass wir das Zweite vergessen haben. Und so zog eine neue Generation von Internetnutzern ein, mehr getrieben von Geld und Zynismus, aber grausam genug, um die Sprache der frühen Träumer nachzuäffen. Sie „verbinden die Welt“ und „machen die Informationen der Welt zugänglich“, aber mit keiner Silbe erwähnen sie das gesamte Thema „Erstellen von Datenprofilen über Sie, damit Sie für politische und kommerzielle Zwecke manipuliert werden können“. Es sei daran erinnert, dass nicht alle Songs, die die Beatles geschrieben haben, idealistisch waren. Wie Martin Recke, der Editor dieses Bandes, gerne anmerkt, ist Happiness is a Warm Gun ein Beatles-Song. Und bei all seinen scheinbaren Drogenanspielungen geht es eigentlich um den Schrecken der Waffenwerbung. Das behauptet John Lennon, dessen Begeisterung für Drogen bekannt war und nichts, was er zu verbergen versuchte, also können wir ihm wahrscheinlich glauben. Die Fähigkeit, in allem das Schlimmste zu sehen Die eher homogene Charakteristik vieler digitaler Unternehmer – reich, weiß, männlich und hetero – mag zu den Problemen beigetragen haben, vor denen wir heute stehen. Wie Mike Monteiro in seinem Beitrag über die strukturellen Probleme mit Twitter feststellte: ? 2 “Their goal was giving everyone a voice. They were so obsessed with giving everyone a voice that they never stopped to wonder what would happen when everyone got one. And they never asked themselves what everyone meant. That’s Twitter’s original sin. Like Oppenheimer, Twitter was so obsessed with splitting the atom they never stopped to think what we’d do with it.” Den Menschen eine Stimme zu geben ist ein nobles Ziel, aber man muss mit Menschen rechnen, die sich das zunutze machen würden, um das Leben anderer Menschen zu beeinträchtigen. Die Tatsache, dass so viele Gründer noch nie missbraucht wurden, sei es rassistisch, sexuell oder anderweitig, bedeutet, dass sie schlecht dafür gewappnet waren, die Probleme zu durchdenken: “Twitter, which was conceived and built by a room of privileged white boys (some of them my friends!), never considered the possibility that they were building a bomb.” Nun, diese Bomben sind explodiert, in einer Reihe von Explosionen auf der ganzen Welt. Wir haben eine größere Polarisierung in unserer Politik gesehen, den Aufstieg von selbstgerechten Lynchmobs in sozialen Medien, die so sehr gefangen sind in ihrer Überzeugung, Gutes zu tun, dass sie den Schaden, den sie anrichten, nicht erkennen können. Wir haben gesehen, wie unser Leben auf Daten reduziert wurde und wie unsere psychologischen Schwächen ins Visier genommen wurden. Das alles scheint sehr weit entfernt von den Tagen, als wir online gehen und über Doctor Who oder Rollenspiele diskutieren konnten, ohne dass irgendein Idiot auftauchte, um uns als „SJW“ oder „Libtard Cuck“ zu bezeichnen und uns zu demütigen, um sich ins Gespräch zu bringen. Wenn wir damals in Chaträumen waren, benutzten wir den Ausdruck „AFK“, um zu signalisieren, wann wir von der Tastatur weg waren. Das ist schon ein Anachronismus geworden, denn die Vorstellung, dass wir von einer Tastatur weg sein können – wir haben immer eine digitale in unseren Telefonen –, ist unvorstellbar. Das erhöht nur den Druck. Wir versuchen, mit der Technologie Schritt zu halten, aber wir können es nicht. Das Internet kann Informationen zwar praktisch unmittelbar übertragen, aber der Mensch kann sie nicht mit der gleichen Geschwindigkeit verarbeiten. Mit den Maschinen Schritt zu halten, ist ein sinnloses Spiel, das wir schon seit einem Jahrzehnt spielen. So wie die Fast-Food-Revolution schließlich eine Slow-Food-Bewegung hervorbrachte, bettelt das Echtzeit-Internet um eine Slow-Web-Bewegung, und tatsächlich gibt es sie bereits. Und um die Fehler der Vergangenheit zu beheben, bedarf es längerer, langsamerer, besser überlegter Entscheidungen und Gedanken. Pragmatischer ausgedrückt: Die Konsolidierung der Macht im Internet auf eine Handvoll Plattformen ist nicht die Situation, in deren Genuss die meisten Unternehmen kommen würden. Es gibt das, was die Journalistenwelt das „Duopol“ nennt – Google und Facebook –, das den überwiegenden Teil der Werbeeinnahmen im Würgegriff hält. Amazon hat sich faktisch zum Schaufenster für den größten Teil der Welt entwickelt. Es ist der erste Ort, und oft der einzige Ort, an dem wir einkaufen. Wir sind darauf trainiert worden, nicht zu vergleichen, und jetzt zahlen wir höhere Preise für Waren, ohne es zu wissen. Aber Moment mal, sagen Sie, das ist DIGITAL SUCKS, Adam, nicht DIGITAL FIX. Und Sie haben völlig recht. Aber hier ist der Punkt: DIGITAL SUCKS war eine Voraussetzung für den DIGITAL FIX. Um mit diesem Problem fertigzuwerden, müssen Sie das tun, was so viele Akteure der Digitalindustrie verweigert haben: zugeben, dass es Probleme gibt. Moving fast and breaking things führt manchmal nur zu zerstörten Dingen. Nicht jede Disruption ist gut, und auf jeden Gewinner kommt oft auch ein Verlierer. Dinge müssen repariert werden, neue Wege müssen gefunden werden, denn Technologie kann nicht unerfunden werden. Wir müssen weitermachen mit dem, was wir haben. Digitale Entgiftungs- oder Entzugsmaßnahmen sind keine Lösung. Um zu Star Wars, Luke Skywalker und The Last Jedi zurückzukehren: Sein Rückzug aus der Galaxie ins Exil hat die Galaxie offensichtlich schlechter gemacht, und obwohl wir dafür dankbar sein sollten, da dies der Auslöser für den Konflikt in der neuen Reihe von Filmen war, würde ich lieber nicht die Errungenschaften der letzten Jahre in der realen Welt umgestürzt sehen. Regulierung Viele der Idealisten des frühen Internets sahen das Internet selbst quasi als eine supranationale Gemeinschaft und uns als Bürger des Internets. Wie der inzwischen verstorbene John Perry Barlow in der...