Schroeder | Eine Gigafabrik in Grünheide oder der Albtraum vom grünen Kapitalismus | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 200 Seiten, Format (B × H): 205 mm x 145 mm, Gewicht: 270 g

Schroeder Eine Gigafabrik in Grünheide oder der Albtraum vom grünen Kapitalismus


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-96317-975-4
Verlag: Büchner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 200 Seiten, Format (B × H): 205 mm x 145 mm, Gewicht: 270 g

ISBN: 978-3-96317-975-4
Verlag: Büchner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Heidemarie Schroeder hat in der ersten Hälfte ihres Lebens als Ostberlinerin miterlebt, wie die Idee eines sozialistischen Staates auf deutschem Boden scheiterte. Heute erlebt sie als Anwohnerin im brandenburgischen Grünheide, wo eine der größten Europäischen Industrieanlagen entsteht, wie Grundwerte grüner und roter Politik gerade von grünen und roten Politikern aufgegeben werden. In Grünheide nehmen nicht nur der Wald und das Wasser Schaden, sondern auch das Demokratieverständnis der Menschen. Es werden E-Autos produziert, die keinen Beitrag zu einer echten Verkehrswende leisten. Die Arbeitsbedingungen beim E-Autobauer Tesla sind schlecht. Der Einfluss auf die Politik, den Firmenleiter Elon Musk auch dank explodierender Teslaaktienwerte erhielt, ist ein verheerender. Ausgehend von ihren Erfahrungen mit der Unternehmensansiedlung vor Ort hat sich Heidemarie Schroeder auf eine ausführliche Recherche begeben, die tief in die Sachthemen hineinführt. Das Credo ihres Buches ist: Menschen können etwas für den Schutz von Natur, Umwelt und Bürgerrechten tun, gerade dort, wo Politik und Behörden dabei versagen. Dass dies eine zwar anstrengende, aber auch lohnende Sache ist, wird von ihr auf ebenso faszinierende wie humorvolle Art geschildert.

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Ein neuer Nachbar
Meine Familie nutzt seit der Mitte der 1970er Jahre ein altes Bauernhaus im Berliner Südosten als Sommer- und Wochenendbleibe. Zu DDR-Zeiten waren wir seine Mieter, nach der Wende konnten wir das Gebäude nebst Grundstück käuflich erwerben. Das Haus ist in der Literatur als »Büdnerhaus« beschrieben, was bedeutet, dass es zur Zeit seiner Erbauung im frühen 19. Jahrhundert ein bescheidenes Bauernhaus war, zu dem nur wenig Land gehörte. Es war zur damaligen Zeit das einzige bewohnte Gebäude weit und breit und es gibt bis heute auch keine Nachbarhäuser in seiner unmittelbaren Umgebung. Zu Beginn seiner Existenz dienten Haus und Hof dem Rittergut Rüdersdorf als Vorwerk, was bedeutet, dass seine Bewohner die Werksküche des Gutes mit landwirtschaftlichen Produkten zu versorgen hatten. Ich hatte mich um die Geschichte der Ansiedlung bei nur dünner Aktenlage gekümmert, weil wir Mitte der 2010er Jahre den Wunsch hatten, einen modernen Flügel an das Althaus anzubauen, der ein komfortableres Bad als das vorhandene und einen zusätzlichen Wohnraum mit großen Fenstern hin zu den Spreeauen bieten sollte. Für einen solchen Anbau die Genehmigung von Bau- und Umweltamt zu bekommen würde sich schwierig gestalten, warnte mich der Bauamtsleiter der Gemeinde Grünheide, dem ich unseren Plan schilderte. Da wir im »Außenbereich« lägen, müsste ich trotz der vergangenen mehr als 200 Jahre nachweisen, dass das Haus mit einer gültigen Baugenehmigung erbaut worden war und dass es sowohl als Wohnhaus errichtet als auch in den folgenden 200 Jahren durchgängig als solches genutzt worden war, und nicht etwa als Forsthaus oder sonstiges Wirtschaftsgebäude. Zudem bestünde die Gefahr, dass die Umweltbehörde ihre Zustimmung zu unserem Projekt verweigern würde, da wir nicht nur außerhalb des Ortes lagen, sondern auch noch am Rande eines sogenannten Flora-und-Fauna-Schutzhabitats. Angrenzend an ein solches FFH-Gebiet war es prinzipiell verboten, Neubauten zu errichten. Mit diesen mageren Erfolgsaussichten führte mich mein nächster Schritt zur Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Oder-Spree. Die Mitarbeiterin, die ich dort antraf, war in Kenntnis der Situation wenig motiviert, sich mit unserem Anliegen überhaupt zu beschäftigen. Als Erstes wäre sie arbeitsmäßig völlig überlastet und hätte nicht die Zeit, sich mit unserem aussichtslosen Unterfangen zu befassen. Dann war ich kurz vor Feierabend in ihrer Amtsstube erschienen und das auch noch an ihrem Geburtstag, was ich an der Fülle der kleinen Aufmerksamkeiten, mit denen ihr Schreibtisch überhäuft war, erkannte. Die Dame wollte definitiv nach Hause und ich störte. Der Ortstermin, um den ich sie gebeten hatte, fand dann dennoch kurze Zeit später statt. Die Behördenmitarbeiterin erschien zu diesem Termin nicht allein, sondern brachte im Interesse einer eindeutigen Urteilsfällung ihre ehemalige Chefin mit. Diese zeigte sich von Anbeginn viel weniger abweisend und sogar freundlich. Als sie sich nicht nur für unser romantisches Haus begeistern konnte, welches sie an das Haus ihrer Omi erinnerte, sondern auch noch den naturbelassenen Garten, das Futterhaus für die Eichhörnchen, die Brutkästen für die Vögel und unseren Tümpel samt Biberbau gesehen hatte, konnte sie sich vorstellen, dass wir das Haus mittels eines neuen Flügels als dauerhafte Wohnstätte für uns herrichten würden, ohne dem angrenzenden Schutzhabitat auch nur einen Grashalm zu krümmen. Mit diesem grünen Licht begannen wir, unsere Pläne für einen Spreeauer Alterssitz zu konkretisieren. Zunächst suchten wir einen Architekten, der das, was wir uns vorstellten, umsetzen könnte. Als wir ihn hatten, kam Elon Musk. Es war uns, als die freudige Nachricht der Tesla-Ansiedlung durch alle Medien ging, nicht sofort klar, was es für uns bedeuten würde, wenn eine E-Autofabrik in Grünheide errichtet werden würde. Der Ort ist weit verzweigt und in welchem Ortsteil genau die Fabrik entstehen sollte, wussten wir nicht. Wir feierten zum Jahresende 2019 mit Freunden in Spreeau den dritten Advent. Es gab Borschtsch, Maronensuppe, Rosinenschnecken und viel Rotwein. Die Gäste kamen unweigerlich auch auf Teslas Werkspläne zu sprechen. Die Westberliner unter ihnen frohlockten: Der Preis für unser Haus würde dank der Neuigkeiten sicher bald in astronomische Höhen klettern, was ja nur eine erfreuliche Nachricht für uns sein könnte. Uns wurde es mulmig zumute, denn unser Haus hatte eines nicht: Es hatte keinen Preis. Wir wollten es nie und nimmer verkaufen. Eine Frau, die in Begleitung von Freunden gekommen war, meinte, es sei doch gut, dass Tesla nach Brandenburg käme, denn dann könnten die ganzen Ossis endlich mal arbeiten gehen und müssten nicht andauernd von ihrem Soli leben. Ich ahnte, dass ich künftig wohl etliche Freunde verlieren und mir vielleicht auch einige Feinde machen würde. Wenig später erfuhren wir, wo genau das E-Autowerk entstehen sollte. Es war das Gebiet nördlich des Güterverteilungszentrums Freienbrink, welches nach der Wende auf dem Gelände des ehemaligen Logistikzentrums der Staatssicherheit entstanden war. Was uns, die wir nur sommers in dem Haus und entfernt von jeglicher Nachbarschaft lebten, verborgen geblieben war: Das Gelände war bereits Anfang der 2000er Jahre zum Industriegebiet deklariert worden, weil dort schon einmal eine Autofabrik errichtet werden sollte, nämlich die von BMW. Es protestierten damals sowohl die Einwohner als auch die Naturschutzverbände, denn das Gelände war Bestandteil des Landschaftsschutzgebietes Müggelspree-Löcknitzer Wald- und Seengebiet und auch inmitten eines Trinkwasserschutzgebietes gelegen. Andererseits steckte der Schock der Arbeitslosigkeit der ersten Nachwendejahre den Menschen vor zwanzig Jahren noch so tief in den Knochen, dass sie sich auf den Kompromiss der Zusage einer Rückgliederung des Gebietes in das Landschaftsschutzgebiet einließen, wenn BMW nicht in Freienbrink bauen würde. Jetzt aber war die Panik unter den Anwohnern, denen eine intakte Natur vor ihrer Haustür lieber war als die von der Gemeinde erhofften Steuereinnahmen, groß: Was war aus dem Versprechen einer Rückgliederung in das Landschaftsschutzgebiet geworden? Diese Erschrockenen, meist Mitglieder des Fürstenwalder Kreisverbandes des Naturschutzbundes NABU, gründeten noch Ende des Jahres 2019 die Bürgerinitiative Grünheide. Dieser Initiative schloss ich mich im Januar 2020 an. Unser Haus
Unser Haus trägt den eigenartigen Namen Manik Maya. Auf den wurde es von unserem Freund Herbert getauft, als er es ab Mitte der 1960er Jahre als Sommerresidenz nutzte. Herbert war, als der Terror der Nazis wütete, kaum zwanzig Jahre alt. Weil er ein guter und ein anständiger Mensch war, konnte er diesen Terror nicht widerstandslos hinnehmen. Er versteckte jüdische Menschen und druckte Flugblätter gegen die Nazis. Er wurde gefasst und überlebte Gefängnis, Zuchthaus und Konzentrationslager nur dank glücklicher Zufälle und abenteuerlicher Fluchten. Später schrieb er ein Buch über diese unerwünschten Abenteuer, das mit den Schauspielern Armin Müller-Stahl und Katharina Thalbach in den Hauptrollen verfilmt wurde. Glücklich davongekommen steckte Herbert nach dem Krieg all seine Kraft in die Realisierung seines Traums von einem neuen, einem sozialistischen Deutschland. Dieser Traum bekam notwendigerweise bald tiefe Risse. Ein Mensch so freier Denkungsart wie unser Freund Herbert passte nicht in das piefige und repressive Gesellschaftsbild, das der real existierende Sozialismus der DDR zeichnete. Als wir ihn kennenlernten, lebte er zurückgezogen in seinem Manik Maya, wo er pausenlos schrieb und auch zu malen begonnen hatte. Das Haus war nicht an die öffentliche Wasserver- und -entsorgung angeschlossen. Im Hof gab es ein Plumpsklo und das Trinkwasser spendete eine Handpumpe in der Küche. Gekocht wurde auf einem zweiflammigen Propankocher und Wärme spendete ein Kachelofen, der im Wohnzimmer stand. In starkem Kontrast zu der Bescheidenheit des Innenlebens des Hauses stand die Opulenz der Natur vor dem Haus: Hier gab es eine Unzahl von Fliederbüschen, die die Welt im Frühjahr in ihr zartes Lila tauchten und ihren Duft verströmten und massenhaft Robinien mit ihren weißen Blütendolden im Juni. In Richtung Westen öffnete sich ein freier Blick über die Spreeauen bis hin zum Fluss. Hier konnte man den schönsten Sonnenuntergängen beiwohnen. An diesem Ort fanden in den Sommermonaten Gesprächsrunden bis in die Morgenstunden statt. Künstler aller Kunstgattungen fanden hier zusammen: Maler, Bildhauer, Grafiker und Schriftsteller. Auch Wissenschaftler gehörten zu dem Spreeauer Kreis und auch Menschen, bei denen jegliche Schulbildung aufgrund von Krieg, Flucht und Vertreibung schon mit dem zwölften Lebensjahr geendet hatte. Hier waren die Gedanken frei und konnten selbst die kühnsten Gedankenexperimente gewagt werden. Wenn Menschen im Alter auf ihr Leben zurückschauen, wird es immer eine Periode geben, die für sie die wichtigste war, die sie geprägt hat und in der sie glücklich waren. Diese Jahre mit unseren Freunden in Manik Maya waren für uns besonders glückliche Jahre. Diese Zeit und ihre Gespräche haben uns und unsere Art zu denken geprägt. Und deshalb ist der Ort für meine Familie nicht einfach eine Immobilie, die man verkaufen und für deren Erlös man sich ein anderes Haus irgendwo an einem anderen grünen Platz kaufen kann. Unser Haus: Eine »Immobilie«?
Zu Beginn des Jahres 2020 waren die Menschen, die die Bürgerinitiative Grünheide gegründet hatten, damit beschäftigt, die Antragsunterlagen Teslas zur Errichtung der E-Autofabrik durchzuarbeiten. Sie teilten die sehr umfangreichen Akten untereinander...


Schroeder, Heidemarie
Heidemarie Schroeder wurde 1953 in Leipzig geboren und ist im südöstlichen Berliner Umland aufgewachsen. Im Anschluss an ihr Studium der Zahnmedizin an der Berliner Charité war sie siebzehn Jahre lang als wissenschaftliche Assistentin im Physiologischen Institut der Charité tätig. Diese Zeit der Forschung und Lehre hat ihre wissenschaftliche Herangehensweise an komplexe Probleme geprägt und auch ihren Wunsch begründet, Wissen zu teilen und zu vermitteln. Ab Mitte der 1990er Jahre betrieb Heidemarie Schroeder zusammen mit ihrem Mann eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain.
Als von der Teslaansiedlung Betroffene ist Heidemarie Schroeder Mitglied der Bürgerinitiative Grünheide und gründete zusammen mit Berliner Wasseraktivisten die Wassertafel Berlin-Brandenburg. Sie verfasste zahlreiche Artikel zu den Themen E-Mobilität, Bürgerbeteiligung und Umweltschutz, hält Vorträge und organisiert themenspezifische Konferenzen und Tagungen.



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