E-Book, Deutsch, Band 6483, 256 Seiten
Reihe: Beck Paperback
Schuler / Schwarzinger Die Masken der Psychopathen
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-406-79191-8
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie man sie durchschaut und nicht zum Opfer wird
E-Book, Deutsch, Band 6483, 256 Seiten
Reihe: Beck Paperback
ISBN: 978-3-406-79191-8
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jeder achte Mensch weist psychopathische Persönlichkeitszüge auf. Personen mit dieser Störung sind eminente Stressoren für ihre Mitmenschen. Man begegnet ihnen überall: in der Familie und im Freundeskreis, in Beruf und Freizeit, als Verkehrsteilnehmer, in der Politik und beim Sport und natürlich auch im Internet. Überproportional viele Psychopathen finden sich unter Unternehmern, Anwälten, Finanzmarktakteuren und Politikern. Sie sind dort oft überaus erfolgreich. Das kurzweilig geschriebene Buch zeigt, wie man die menschlichen «Raubtiere» durchschaut und ihnen nicht zum Opfer fällt.
Im Unterschied zu gewöhnlichen Kriminellen oder Menschen mit einer anderen psychischen Störung sind für Psychopathen sogenannte «Maskeneigenschaften» charakteristisch. Sie erlauben es ihnen, ihren regelbrechenden, menschenverachtenden Neigungen nachzugehen, ohne sonderlich aufzufallen: Dazu zählen etwa Charme, Intelligenz, mentale Stabilität und klarer Verstand. Unter dieser Maske liegen enorme Defizite, etwa in der Impulskontrolle oder der Emotionsverarbeitung, die sie zu ihren ausbeuterischen Vergehen treiben und befähigen. Die Psychologen und Psychopathie-Forscher Heinz Schuler und Dominik Schwarzinger zeigen anschaulich auf, was Psychopathie eigentlich ist, wie sich diese schwere antisoziale Persönlichkeitsstörung entwickelt und woran man diesen Typus von Menschen erkennt, die anderen das Leben zur Hölle machen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Der Blick hinter die Maske: drei Psychogramme und ein Selbsttest
Drei Psychogramme
James Bond
«Ich bringe Menschen um», lautet James Bonds Antwort auf die Frage, worin seine berufliche Tätigkeit bestehe. Die Frage wird ihm von einer Psychotherapeutin gestellt, die ihn für einen Klienten hält, während er von ihrem Vater den Auftrag bekommen hat, sie zu beschützen (Spectre, 2015). Die Rollenambiguität ist nicht untypisch für die Abenteuerwelt dieses britischen Geheimagenten, typisch ist dagegen, dass die Begegnungen Bonds mit schönen Frauen gewöhnlich ein erotisches Ende nehmen, oft kurz vor deren Aufdeckung als Lockvogel des Feindes und ihrer Ermordung. «Es macht dir nichts aus, Leute umzubringen», sagt eine andere seiner Geliebten, nachdem sie zunächst bemerkt hat: «Du kannst blitzschnell umschalten» (nämlich von einer wilden Kampfszene zu einem Flirtgespräch beim Dinner). «Wenn es mir etwas ausmachen würde, wäre ich der Falsche für den Job», gibt er darauf zurück (Casino Royale, 2006). Ebenso wenig ist unser cooler Held davon berührt, wenn eine seiner kurzfristigen Eroberungen den Tod findet – hat er sie doch oft nur dazu missbraucht, an seine Gegner heranzukommen. Ein differenziertes Verständnis seiner Mitmenschen ist bei James Bond nicht zu erkennen, er nimmt an ihnen nur wahr, was seinen Absichten entgegenkommt. Er scheint Menschen überhaupt nur wahrzunehmen, wenn sie (potenzielle) Feinde oder ihm von Nutzen sind. Männliche Freunde sind nicht erkennbar, und auch gegenüber seinen Vorgesetzten ist sein Benehmen sehr antagonistisch. Das passt, denn auch im «Dienst» gilt das Motto, das Bonds Vorgesetzte M ausgibt: «In diesem Job geht es nur darum, wem man trauen kann» (Stirb an einem anderen Tag, 2002). Und unter Psychopathen ist das eigentlich niemand. Trotz seiner vielfältigen Talente – ohne die er seine Abenteuer natürlich nicht bestehen könnte – denkt James Bond nicht im Entferntesten daran, sie für eine andere Berufstätigkeit zu nutzen als für eben dieses Abenteurerdasein, das ihm gefahrvolle Aufregung bringt und ihm einen beständigen Kampfmodus abverlangt, seine Neigung zur Missachtung von Regeln und Gesetzen legitimiert, die ihm gewissermaßen auf den Leib geschneidert ist. Selbst soziale Kompetenzen kann man ihm zubilligen, wenngleich sie eng darauf konzentriert sind, Frauen zu gewinnen und Gegner richtig einzuschätzen. Auch beim Pokern, das er meisterhaft beherrscht, kann er diese Kompetenzen einsetzen, denn, wie er seine Geliebte belehrt, «beim Pokern spielt man nicht seine Karten aus, sondern man spielt sein Gegenüber aus». Bond verfügt über unglaubliche Kühnheit und Furchtlosigkeit, hinter der ein unverwüstliches Selbstvertrauen steht. Seine Risikobereitschaft kennt keine Grenzen, er sucht geradezu das hohe Risiko. Witzig und charmant bleibt er sogar, als er gefoltert wird und seinem Peiniger Ratschläge gibt, wie er ihn besser treffen könne (Casino Royale, 2006). Die Nonchalance, mit der er lügt und betrügt, zeichnet wohl auch alle seine Berufskollegen aus. Geheimagent kann man nur sein, wenn man ein guter Schauspieler ist und (zumindest in den meisten Fällen) eine unscheinbare Parallelexistenz führen und seine Geheimnisse für sich behalten kann. Rücksicht zu nehmen oder Mitleid zu verspüren gehört nicht zu Bonds Stärken: Das Maß an Kollateralschäden, die seine Aktionen mit sich bringen, bekümmert ihn nicht erkennbar. Generell kennen wir Reue oder Schuldgefühle nicht an ihm. Emotional scheint er sehr stabil zu sein, er wird durch nichts aus der Bahn geworfen, erfährt durch die wildesten Kampf- und Tötungshandlungen keine Aufregung, die ihn hindern würde, unmittelbar anschließend in eine Liebesszene einzutauchen. Präpariert man alle diese fragwürdigen Eigenschaften aus dem Kontext des Filmgeschehens heraus, und blickt man hinter die Maske, so mag man sich erstaunt fragen, wie die Bewunderung dieses Helden zustande kommt, wie leicht sie den Filter unserer gewohnten Moralvorstellungen durchdringt. Aber wir erleben ihn ja nicht ohne Kontext. Der rechtfertigende Kontext sind seine Feinde, die auch unsere Feinde sind, die böse bis ins Mark sind und die nicht verhaftet, sondern erschossen oder ertränkt werden. Dr. No, Goldfinger und Konsorten werden uns als noch viel abgebrühtere, als leicht identifizierbare Psychopathen geboten, die nichts im Sinn haben, als Unheil zu stiften, unsere Werte zu torpedieren oder gar die Welt zu zerstören. Im Kontrast hierzu stechen die positiven Seiten von James Bond hervor, besser gesagt, legen für seine Handlungsweisen, die auch als schwerkriminell gelten könnten, positive Interpretationen nahe, die Identifikation ermöglichen oder sogar herausfordern. So fällt der Wunsch leicht, an der Stärke, Kaltblütigkeit und ethischen Ungebundenheit dieses Supermanns teilzuhaben oder von ihm gerettet zu werden. So kommt es zu Millionen nicht nur zahlender Kinobesucher, sondern eingefleischter Bond-Fans. Die Unterhaltsamkeit der Filme und die Spannung, die sich zuletzt in Erleichterung auflöst, tun natürlich ein Übriges. Damit bewundern wir einen fiktionalen Charakter, der so gut wie alle Eigenschaften aufweist, die einen Psychopathen kennzeichnen, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden. Napoleon Bonaparte
Napoleon Bonaparte ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten der neueren Geschichte. Ohne ihn würde die Landkarte Europas heute anders aussehen, ihm verdanken wir die im Code Napoléon zunächst für Frankreich festgelegte, dann in großen Teilen Europas eingeführte und bis heute wirksame Rechtsordnung, die bewährte Elemente der monarchischen Staatsordnung mit den revolutionären Prinzipien religiöser Toleranz, rechtlicher Gleichheit und Freiheit verschmolz (so schaffte er die Leibeigenschaft ab) sowie die Verwaltung reformierte. Die Franzosen feiern den Korsen, der in jungen Jahren noch die französische Herrschaft über seine Heimat bekämpft hatte, als Nationalhelden, und sie tun das offenbar mit gutem Grund. «Die Menschen von Genie sind Meteore, bestimmt zu verbrennen, um ihr Jahrhundert zu erleuchten», so die Selbstbestimmung dieses Helden in seinem schon im Alter von 22 Jahren verfassten Discours de Lyon.[1] Von seinen Biografen wird Napoleon als multivalentes Genie beschrieben. Als Staatsmann und Diplomat leistete er ebenso Ungewöhnliches wie als Feldherr, Gesetzgeber, Organisator und Administrator. Auch seine Fähigkeiten als Schriftsteller werden gerühmt und im Besonderen seine Kunst der Menschenführung. Ein Meister sei er gewesen in der geschickten Verflechtung von Diplomatie und Kriegsführung. Seine Art der Herrschaft wird als geradezu «cäsarisch» bezeichnet.[2] Beschränkt man den Blick auf Napoleons Persönlichkeit und Taten allerdings nicht auf die positive Sichtweise der Biografen und die allenfalls neutrale der Historiker, so lässt sich vieles auch anders benennen: die Menschenführung als Manipulation, die Diplomatie als betrügerische Schachzüge, die Feldzüge als Überfälle zur Errichtung einer Zwangsherrschaft unter Abpressung von Reparationen. Diese Interpretation seines Vorgehens findet einige Bestätigung in dem, was über Napoleons Charakterzüge bekannt ist. Der Psychiater Wilhelm Lange-Eichbaum schildert ihn als skrupellosen, schrankenlosen Egoisten, dessen Ehrgeiz zur Machtgier gesteigert war. Kalt, unbeteiligt, nur an sich denkend, zeigte er immer wieder Ausbrüche von Zerstörungswut und sah sich außerhalb ethischer Verpflichtungen: «Ich bin nicht wie ein anderer Mensch, und die Gesetze der Moral und der Schicklichkeit können für mich nicht in Betracht kommen.»[3] Seine Eroberungen stabilisierte Napoleon durch ungezügelten Nepotismus: So setzte er Familienmitglieder als Herrscher in den besiegten Staaten ein, darunter seine Brüder Jérôme als König von Westfalen, Joseph erst als König von Neapel, dann von Spanien, Louis als König von Holland, seinen Stiefsohn Eugène de Beauharnais als Vizekönig von Italien. Seine Ehe mit Joséphine Beauharnais, die ihm keinen Erben schenken konnte, ließ er auflösen, um zum Machtgewinn die habsburgische Kaisertochter Marie-Louise zu...