E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Paul David
Schulte Eifeldeal
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96041-468-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eifel Krimi
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Paul David
ISBN: 978-3-96041-468-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eine Serie rätselhafter Todesfälle sorgt in der Eifel für Aufsehen. Paul David, ehemaliger Militärpolizist, geht der Sache auf den Grund und stößt dabei auf eine neue Designerdroge, die ihre Konsumenten offenbar in den Tod treibt. Die Suche nach den skrupellosen Hintermännern bringt David mehr als einmal in Lebensgefahr – bis er erkennt, dass der Schlüssel in seiner eigenen Vergangenheit liegt …
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St. Nikolaus-Stiftshospital/Andernach
Tanja und Kalle warteten am Informationsschalter des Krankenhauses. Neugierig wurden sie von etlichen Patienten gemustert, die in Bademantel, Sporthosen und Hausschuhen durch den Haupteingang nach draußen strebten, um dort eine schnelle Zigarette zu rauchen oder einfach nur auf einer der Bänke in der Frühlingssonne zu dösen. Tanja stieß Kalle an. »Schau mal, ich glaube, da kommt unser Doc.« Von den Aufzügen kam ihnen ein Arzt entgegen, suchte den Blickkontakt und lächelte sie an. »Entschuldigen Sie bitte, dass Sie warten mussten. Ich bin noch aufgehalten worden. Zunder. Dr. Jakob Zunder.« »Meine Kollegin Polizeikommissarin Dievenbach. Und ich bin Polizeioberkommissar Seelbach«, sagte Kalle. »Hätten Sie beide etwas dagegen, wenn wir uns draußen in die Sonne setzen? Ich bin jetzt schon seit einer kleinen Ewigkeit auf den Beinen und würde mich wirklich über ein wenig Sonnenlicht freuen.« Kalle musterte Zunder. Der Arzt trug seine langen braunen Haare zurückgekämmt, was die Geheimratsecken deutlich hervorhob. Eine schmale Lesebrille mit hellrotem Gestell baumelte an einem Band um seinen Hals. Sie war der einzige Farbfleck an dem ansonsten in Weiß gekleideten Mediziner. Kalle wechselte einen kurzen Seitenblick mit Tanja, die zuckte nur kurz mit den Schultern, was Kalle als Zustimmung auslegte. »Natürlich. Vorausgesetzt, dass wir draußen auch ungestört miteinander sprechen können«, sagte er. »Ich glaube kaum, dass es bei mir um sensible Patientendaten geht.« Zunder deutete eine kleine Verbeugung gegenüber Tanja an und wies mit der flachen Hand zum Haupteingang. »Bitte, Frau Kommissarin, nach Ihnen.« Tanja bedankte sich mit einem Lächeln und steuerte draußen eine der leeren Bänke an, die möglichst weit von den übrigen Patienten entfernt stand. Zunder setzte sich und streckte die Beine mit einem leisen Seufzen aus. »Ah, ja. Ob Sie es glauben oder nicht, aber als ich so alt war wie Sie beide, haben mir die Nachtschichten noch nichts ausgemacht. Heute dagegen fühle ich mich nach so einer Nacht wie ein alter Mann.« Kalle schätzte den Arzt auf höchstens zehn Jahre älter, allerdings fielen ihm hier in der Morgensonne auch die fahle Hautfarbe und die dunklen Ringe unter den Augen auf. Zunder war also tatsächlich erschöpft und kokettierte nicht gegenüber Tanja mit seinem Alter. »Herr Dr. Zunder, Sie haben bei uns angerufen, weil Sie einen verdächtigen Patienten haben«, begann Kalle. »Nein, da muss ich Sie korrigieren. Der Patient ist nicht verdächtig, nur die Begleitumstände seiner Einlieferung.« Zunder lächelte schief. »Dann erzählen Sie doch am besten einfach von vorne«, bat Tanja. »Also heute früh so gegen vier haben ein paar Frühaufsteher den Notruf angerufen. Die Kollegen sind zum Marktplatz gefahren und haben dort neben dem Bäckerjungenbrunnen einen jungen Mann gefunden, der lag der Länge nach auf dem Bauch, hielt sich die Ohren zu und weinte hemmungslos. Er war nicht ansprechbar, Ringfinger und Mittelfinger der rechten Hand waren gebrochen, also brachten sie ihn zu mir in die Notaufnahme.« »Sie sagten gerade, der Mann sei nicht ansprechbar gewesen? Auch nicht, nachdem er bei Ihnen eingeliefert worden war?« »Also das Weinen ging recht schnell in einen Wutausbruch über, und zwar so heftig, dass wir uns gezwungen sahen, ihm ein Beruhigungsmittel zu spritzen. Er hätte sonst sich selbst und andere verletzt.« »Waren da Alkohol oder Drogen im Spiel?« Kalle hatte sich ein paar Notizen gemacht und schaute jetzt von seinem Block hoch. »Sehen Sie, deshalb habe ich bei Ihnen angerufen. Normal ist das ja nicht, dass ein junger Mann auf dem Boden liegt und wie ein Schlosshund heult. Und bei seinem Tobsuchtsanfall hatte ich auch nicht das Gefühl, dass er gezielt mich oder die Schwestern angriff. Ich habe genug Drogenfälle erlebt. Für mich wirkte es so, als wüsste er nicht einmal, wo er war. Ja, das alles sah nach Drogenmissbrauch aus. Doch jetzt kommt das ganz große Aber. Wir haben einen Drogenschnelltest mit Speichel durchgeführt. Der Mann ist absolut clean. Keine Drogen, kein Alkohol, der hat nicht mal ein Pfefferminzbonbon gelutscht. Den Laborbefund des Bluttests werde ich natürlich erst in vierundzwanzig Stunden haben, aber das Ergebnis des Schnelltests in Kombination mit diesem Verhalten hat mich dann doch sehr überrascht.« »Können wir mit ihm sprechen?«, fragte Tanja. »Nein, im Moment schläft er. Aber sobald er wach ist, werde ich oder ein Kollege Sie informieren.« »Hatten Sie in der letzten Zeit schon einmal einen vergleichbaren Fall?« »Nein, Herr Seelbach. Aber wie gesagt, ich dachte, die Umstände sind ausreichend merkwürdig, um Sie zu verständigen.« »Gut, herzlichen Dank.« Kalle steckte den Block ein und stand auf. Tanja folgte seinem Beispiel. »Ach ja, eines habe ich noch vergessen, auch wenn das mit der aktuellen Situation meines Patienten nichts zu tun hat.« »Ja, Herr Doktor?« »Der Mann hat auf beiden Beinen schmale Schnitte, ich schätze, ein gutes Dutzend oder mehr. Alle nicht länger als drei, vier Zentimeter. Ich schätze, die sind bestimmt schon zwei, drei Wochen alt.« »Irgendeine Erklärung für die Schnitte, ein Arbeitsunfall oder etwas Ähnliches?«, fragte Tanja. »Nein, dafür waren sie zu regelmäßig. Es gibt ja Patienten, die sich selber ritzen, aber in der Menge an den Beinen … hmm, ich kann mir darauf keinen Reim machen. Ich würde auf jeden Fall unsere Psychologin bitten, mit dem Mann zu sprechen, sobald er wieder wach ist.« *** »Was hältst du davon?«, fragte Kalle Tanja, als sie durch den kleinen Park an der Ruine der kurfürstlichen Burg zurück zur Polizeiinspektion gingen. »Für mich klingt das schwer nach Drogen, auch wenn der Speicheltest etwas anderes sagt. Wir sollten noch kurz zum Marktplatz rübergehen. Vielleicht haben die Notfallsanitäter ja etwas übersehen, was uns weiterhelfen kann.« »Gute Idee«, sagte Kalle. *** Fünf Minuten später inspizierte er den Bäckerjungenbrunnen. »Na, weit ist er ja nicht gekommen, unser kleiner Künstler.« Tanja trat näher und musterte den angefangenen Schriftzug. »Der Farbton passt zu den Graffitis am Friedhof. Warte mal.« Tanja zog ihr Smartphone aus einer Tasche ihrer Cargohose und öffnete die Bildergalerie. »Hier, schau mal.« Sie hielt das Smartphone neben den Basaltstein des Brunnens. »Wo ist das?«, fragte Kalle. »Das ist eine der Schmierereien auf dem Friedhof. Hier unten«, sie vergrößerte mit zwei Fingern die Aufnahme, »siehst du, dass der Spiralbogen an dem tag ›Dead-Man‹ mit dem Anfangsbogen auf dem Stein nahezu identisch ist. Ich würde mal sagen, wir haben unseren Sprayer gefunden.« »Meinst du, unser Freund ist auch für deinen blauen Fleck auf dem Rücken verantwortlich?« »Ich befürchte, das werden wir ihm nur schwer nachweisen können. Ich hab ihn ja nicht einmal richtig gesehen. Aber sollte er dahinterstecken, kann er sich auf was gefasst machen.« *** Zur selben Zeit schenkte sich Jakob Zunder einen großen Becher Kaffee ein. Mit einem leichten Schaudern sah er die öligen Schlieren auf der Oberfläche. Was gäbe er jetzt für einen Cappuccino mit geschäumter Milch und einer Prise Zartbitterkakao. Zunder schaute auf die Uhr. Noch zwei Stunden Schreibarbeit in seinem Büro, dann hatte er frei. So lange musste diese gut durchgezogene Plörre hier im Becher reichen. Er trank einen Schluck und schüttelte sich kurz. Egal, besser als nichts. »Dr. Zunder!« Ein junger Pfleger stand heftig atmend in der Tür. Zunder kannte ihn nur vom Sehen, weil er erst seit einer Woche im Krankenhaus arbeitete. »Ja, was gibt es denn?« »Schwester Katrin schickt mich, es geht um den Patienten in 317.« Zunder wunderte sich, dass die Stationsschwester ihn nicht einfach über das interne Pager-System informiert hatte. Zunder goss den Kaffee in den Ausguss. Er hätte ihn ja gern mitgenommen, aber ein Arzt mit einem Kaffeebecher in der Hand, der über die Flure läuft und sich womöglich noch mit Kaffee bekleckerte … nee, besser nicht. »Ich komme direkt mit.« Vor der Tür des Zimmers 317 standen zwei weitere Schwestern und tuschelten aufgeregt miteinander. Respektvoll traten sie zur Seite und gaben Zunder die Tür frei. Der junge Mann mit den gebrochenen Fingern war der einzige Patient im Zimmer 317. Die beiden Betten rechts und links von ihm waren derzeit nicht belegt. Katrin Plauer war eine erfahrene Krankenschwester, und Zunder schätzte ihre Besonnenheit und ihren Humor, doch jetzt sah sie todernst und schreckensbleich aus. »Was ist denn los, Katrin? Er sieht doch ganz ruhig aus.« »Jakob, er ist tot.« Die Krankenschwester trat zur Seite und gab jetzt den Blick auf den Patienten frei. Jakob Zunder traute seinen Augen nicht. Blut, überall war Blut. Es war aus der Nase gelaufen, aus dem Mund, sogar aus den beiden Augen hatte der Patient geblutet. Lange, dünne Rinnsale zogen sich wie makabre Tränenspuren die Wangen entlang. Zunder räusperte sich. »Ruf bitte die Kriminalpolizei in Koblenz an und informiere bitte auch Polizeioberkommissar Seelbach bei der Andernacher Polizei. Ich möchte, dass dieses Zimmer sofort versiegelt wird. Hast du den Patienten angefasst?« »Ja, aber nur kurz, er war schon tot, aber ich habe natürlich den Puls kontrolliert.« Zunder wollte schon etwas sagen, als sie nachschob: »Und ich habe Handschuhe getragen.« Katrin warf einen nervösen Seitenblick auf den Mülleimer in der Ecke. »Gut, der Mülleimer darf dieses Zimmer nicht...