E-Book, Deutsch, 264 Seiten
Schulze Bennos Weg
2. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7504-4576-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Beendorf Saga Teil II
E-Book, Deutsch, 264 Seiten
ISBN: 978-3-7504-4576-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hartmut Schulze, Jahrgang 1951, wohnt seit 27 Jahren in Beendorf. Ursprünglich stammt er aus Sachsen-Anhals Süden, dem heutigen Burgenlandkreis. Der Name des Kreises deutet auf eine bedeutende Mittelalter-Historie hin. Aber die ist ja überall in Mitteldeutschland in faszinierender Weise vorhanden. Und so entwickelte der Autor eine Beisterung dafür, diese Historie mit Geschichten zu vermischen und aufzuschreiben. Hartmut Schulze ist von Beruf Physiker und hat sich beruflich vor allem mit Strahlenschutz befasst, einem völlig anderen Gebiet. Vielleicht resultiert aus seinem sachlichen, wissenschaftlichen Beruf eine gewisse Abneigung zu den Phantasy-Mittelalter-Geschichten, die uns mit Drachen, Zauberern und fliegenden Gestalten fast überschwemmen. Diese Dinge kommen im vorliegenden Roman nicht vor. Andererseits ist eine Neigung zu Witz, verstecktem Humor und lustigen Anekdoten unübersehbar. Immerhin hat Hartmut Schulze über 30 Jahre lang Faschingsprogramme gestaltet. Phantasievolles Einbetten von Sachlichem in einen ausgedachten und vielleicht auch überspitzten Zusammenhang ist also nicht neu für den Autor.
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Der Reiter auf dem Rennweg
Bemesthorp, März 1099
Graf Lothar von Supplinburg hatte einen festen Hof auf dem Hagen10 bei Bemesthorp11 errichten lassen, der zur Verwaltung der Obliegenheiten diente, die sein Vasall und Freund Benno sowie ein paar weitere Bedienstete hier zu erledigen hatten. Sowohl die nach Benno benannte Siedlung Banenthorpe östlich des Lappwaldes als auch die Slawensiedlung Bemesthorp oben auf dem Hagen hatte Lothar an Benno als Lehen gegeben.
Der Hof bestand aus einem massiven Wirtschaftsgebäude sowie mehreren Holzhütten. Er war von einem Wassergraben umgeben und durch einen Wall mit Palisadenzaun geschützt. Des Weiteren waren um die zehn bis zwanzig Landsknechte im Bemesthorper Hof untergebracht. Immer und immer wieder gab es Schwierigkeiten, die Abgaben an die Grafschaft sowie an das Kloster Sankt Liudgeri12 von den Slawen, die aus Böhmen gekommen waren und in Bemesthorp siedelten, einzutreiben. Zwar hatte die Schlacht, die Lothar mit seinen Truppen vor vier Jahren gegen die aufständischen Bemesthorper Slawen geführt hatte, deren Abgabenbereitschaft etwas verbessert, aber es gab immer und immer wieder etwas Widerstand gegen die sächsische Obrigkeit.
Und so beließ es Lothar nicht damit, seinem Vasallen Benno ab und zu mit bewaffneten Soldaten beizustehen, sondern hatte die Krieger als dauerhafte Bekräftigung seiner gräflichen Zuständigkeit hier stationiert. Im Gegenzug war Benno zu den verschiedensten Diensten gegenüber seinem Lehnsherrn und Freund verpflichtet. So hätte Benno im Kriegsfall mit Männern aus Banenthorpe und aus Bemesthorp Graf Lothar unterstützen müssen. Gottseidank war es seitdem noch nicht wieder zu einem Krieg gekommen, sodass sich Benno ausschließlich um seine Aufgaben in der Heimat kümmern konnte.
Benno selbst wohnte nicht im Bemesthorper Hof, sondern in Banenthorpe. Letzteres wurde von den meisten Bewohnern inzwischen Bennenthorpe, das Dorf Bennos, genannt. Aber als Graf Lothar im Jahre 1097 das Anwesen seinem Freund als Lehen gegeben hatte, wurde dieser noch Banno genannt, und so war der Name Banenthorpe in die Urkunden des Klosters St. Liudgeri und der gräflichen Verwaltung von Supplinburg gelangt.
Das Haus von Benno und seiner Frau Milena stand direkt neben dem Anwesen, das Bennos Stiefvater Veyt mit Milenas Mutter Kalina und deren mittlerweile achtzehnjährigem Sohn Lentz bewohnte. Insgesamt betrachtet war eine ziemlich durcheinander gewürfelte Familie. Benno betrachtete Lentz wie einen jüngeren Bruder, obwohl zwischen ihnen keinerlei Blutsverwandtschaft bestand. Die einzige Blutsverwandte Bennos in Banenthorpe war seine Mutter Elen, die mit dem Priester der kleinen Dorfkapelle verbandelt war und die Benno erst vor Kurzem wiedergefunden hatte. Und natürlich gab es noch Bennos Sohn Marquard, den ihm seine schöne Slawenfrau Milena vor einem halben Jahr geboren hatte.
Die meisten der um die fünfzig Bewohner Banenthorpes hatten ihre Hütten um den kleinen Teich herum angeordnet. Auch entlang der Triole, dem Zu- und Abfluss dieses Teiches standen Hütten und Bauernhöfe. Bennos und Veyts Hof lag am östlichen Dorfrand. Zu vorchristlicher Zeit befand sich an der Stelle, an der nunmehr die Kapelle steht, der Thingplatz der sächsischen Siedler. Nach dem Bau der Kapelle wurde der Platz, an dem die wichtigsten Handlungen des Dorfes stattfanden, etwas weiter östlich von der Kapelle verlegt. Hier kamen die Bauern zusammen, um die wichtigsten Entscheidungen mit Benno zu besprechen, und hier wurden auch die Abgaben an den Grafen und der Zehnte an das Kloster Sankt Liudgeri zusammengetragen.
Im Wirtschaftshof Bemesthorp hatte Benno seinen Vertrauten Conradus eingesetzt, damit dieser dort für Recht und Ordnung im Sinne ihres Grafen Lothar sorgte. Conradus war der Sohn des alten Burgverwalters Conrat aus der Supplinburg, der mit seiner Familie den Grafen von Supplinburg seit Jahrzehnten treu gedient hatte. Somit genoss auch Conradus Lothars vollstes Vertrauen. Die eingetriebenen Abgaben überführte üblicherweise Conradus zur Supplinburg und an das Kloster, wobei er stets von einem Teil der Soldaten begleitet wurde, um die Abgaben in Form von Naturalien oder auch von Geld vor unbefugtem Zugriff im Lappwald zu schützen.
Lothar bezog Benno immer mehr in politische, diplomatische und wirtschaftliche Fragen seiner Grafschaft ein. So hatte Lothar darum gebeten, dass Benno ihn zu einer Reise nach Northeim begleitete, bei der wichtige strategische Entscheidungen für Lothars Zukunft anstanden.
Benno hatte vor seiner Abreise seinen alten Stiefvater Veyt und seinen Stiefbruder Lentz beauftragt, sich während seiner Abwesenheit um die Banenthorper Obliegenheiten zu kümmern, die sich im Hinblick auf den Wirtschaftshof in Bemesthorp und die Supplinburg ergaben. Benno selbst führte keine bäuerlichen Arbeiten mehr aus. Als Lothars Vasall und Herr über die Bauern der beiden Siedlungen musste er sich vor allem um die Verwaltung der Abgaben kümmern und selbst die von Lothar erbetenen Dienste erledigen.
Veyt hingegen hatte noch ein gehöriges Landstück zu bearbeiten. An einem freundlichen Vorfrühlingstag waren Veyt, Lentz und Milena mit der Feldarbeit beschäftigt. Kalina war mit dem kleinen Marquard zu Hause geblieben und kümmerte sich um den Haushalt und um ein wenig zum Essen. Die Bauern hatten in der Allerniederung Wölbäcker13 angelegt, um in feuchten Jahren bei dem recht morastigen Untergrund zumindest im jeweils oberen Teil der Ackerwölbungen etwas zu ernten.
Veyt drückte mit seinem massigen Körper hinten auf den Pflug, während die beiden Geschwister die Zugtiere führten. Milena hatte das Pferd am Zaumzeug gefasst und ging auf der linken Seite. Rechts war ein Ochse eingespannt, den Lentz mit viel Mühe zum Laufen brachte, sodass eine einigermaßen gerade Furche entstand. Der Pflug hatte ein schmiedeeisernes Schar. Ein Eisenschar war eine Rarität, ermöglichte viel tiefere Furchen und damit bessere Erträge als die herkömmlichen Holzschare und wurde im Dorf von Bauer zu Bauer ausgeliehen. Dementsprechend stark war der Eisenpflug in Mitleidenschaft gezogen worden. Und so kam es, wie es kommen musste. Es war noch nicht einmal die Hälfte des Ackers fertig bearbeitet, da riss ein Bolzen, mit dem das Schar am Rahmen des Pfluges befestigt war.
„Gottverdammich“, fluchte Veyt, „muss das ausgerechnet jetzt passieren?“
Erschrocken gab Milena ein vorwurfsvolles „Hör auf!“ von sich. „Veyt, lass Gott aus dem Spiel!“
„Kannst du den Ochsen nicht etwas ruhiger führen?“ raunzte Veyt seinen Sohn an. „Bei der Ruckelei muss ja hier alles kaputt gehen.“
Lentz war sich keiner richtigen Schuld bewusst, zog aber lieber schweigend den Kopf ein. In letzter Zeit war Veyt oft mürrisch und ungerecht, und es war meist vergebens, sich mit ihm zu streiten. Er litt unter starken Schmerzen in seinen Kniegelenken, konnte es sich aber nicht leisten, still zu Hause rumzusitzen. Die Feldarbeit musste erledigt werden, wenn die Familie ihren kleinen Wohlstand erhalten wollte.
„Und was nun?“ fragte Milena.
„Ich geh zum Bemesthorper Hof“, versuchte Lentz etwas Optimismus in die Situation zu bringen. „Die haben bestimmt irgendein Stück Eisen, das man hierfür nehmen kann. Gib mir das Pferd, Veyt, jetzt wird es eh nicht mehr zu Pflügen gebraucht. Heute Abend bin ich mit einem neuen Bolzen zurück.“
So verlockend es für Veyt auch war, sich auf die faule Haut zu legen, so unwohl wurde ihm bei dem Gedanken, dass es womöglich nicht gelingen würde, den Pflug wieder in angemessener Zeit zu reparieren. So fiel Veyt auch nichts anderes ein, als Lentz‘ Vorschlag zu folgen. Er spannte seinen Jütländer Wallach aus. Lentz führte ihn vom Feld zum Stallgebäude, legte dem Pferd den Sattel auf und ritt ohne weitere Verzögerung los in Richtung Bemesthorper Hof.
Lentz führte seinen Bogen und ein Kurzschwert mit sich, folgte dem kleinen Bach Triole und erreichte nach einer halben Stunde den Wirtschaftshof.
„Tut mir leid, mein junger Freund“, musste Conradus Lentz enttäuschen. Sie hatten gemeinsam den einzigen Pflug mit Eisenschar begutachtet, den die Bemesthorper benutzten. „Das Schar ist völlig anders gearbeitet als bei unserem Pflug und auch ohne solch einen Bolzen befestigt“, stellte Lentz resignierend fest.
„Ich könnte mir denken, dass der Schmied in der Suanevelder14 Burg so ein Eisenteil hat oder zumindest eins zurechtschmieden kann“, grübelte Conradus.
„Tja, dann werde ich eben noch nach Suaneveld reiten“, Lentz war nicht im Geringsten traurig über seine wichtige Aufgabe. Mit dem Jütländer im Lappwald unterwegs zu sein, bereitete ihm deutlich mehr Vergnügen als die Feldarbeit.
Lentz ritt in Richtung Lappwaldkamm und erreichte nach wenigen Minuten mit seinem Pferd den „alten Rennweg“, eine Verbindung der beiden Klöster St. Liudger und Waldbeke. Er überlegte, ob er den geraden Rennweg nehmen und dann erst in östliche Richtung nach...




