E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Schumann The Tokyo Diaries
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-8419-0042-5
Verlag: Edel Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-8419-0042-5
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(S. 34-35)
Autorität. Ekelhaft. Werkzeug machtloser, armer Penner. Sollte ich jemals eines dieser selbstgerechten, autoritären Arschlöcher werden, erschießt mich bitte. Ohne Scheiß, lieber tot als so. Wie armselig muss man sein? Hier ist das auch nicht anders. In einer Firma arbeiten, unter einem Chef ? Vergiss es! Ohne mich. Da verreck ich lieber unter irgendeiner Brücke, ob in Nagatachô oder Sülz, scheißegal. Auch wenn der Chef mein eigener selbst ernannter otôsan Vater ist.
Wir waren mal wieder saufen, und was sich die letzten Male in Zusammenhang mit dem Sich-näher-Kommen und seinen Angeboten bezüglich Arbeit und ähnlichem schon angedeutet hat, verdichtet sich so langsam in einer Art, die unerträglich ist. Mit diesem Vater-Ding entstehen von seiner Seite aus gewisse Machtspiele, angefangen damit, dass er immer das letzte Wort haben muss, egal bei welcher Diskussion, und das, obwohl er meistens gar nicht checkt, worum es überhaupt geht, da sein Englisch einfach viel zu verfickt schlecht ist, um Konversation über Angelegenheiten wie die Besuche des japanischen Premierministers Koizumi beim Yasukuni-Schrein, in dem auch Kriegsverbrechern gedacht wird, zu betreiben.
Japanisch spricht er ja nicht mit mir, teilweise um sich in seiner eigenen vermeintlichen Kenntnis des Englischen zu sonnen, teilweise im über Jahrhunderte gepflegten japanischen Irrglauben, ihre Sprache sei für Ausländer zu schwer zu meistern, da sie ja diese überlegene Herrenrasse seien. Also kommt er mir, wenn er mal wieder nicht weiterweiß, mit irgendwelchen fadenscheinigen Argumenten über »japanese customs«, mit denen das aber so was von nichts zu tun hat, ich kenne Japaner, die würden kotzen, damit in einem Atemzug genannt zu werden, um am Ende irgendwie als der Gewinner dazustehen, was ich ihm jedes Mal zugestehe, wie ein Erwachsener, der mit einem Kind Monopoly spielt. Ist mir echt selber fast peinlich, dass ich mit einem Mittfünfziger auf diese Art und Weise umgehen muss.
Dann klopft er mir auf die Schulter, bestellt neues Bier und lobt meine Intelligenz, was natürlich seine, die meiner überlegene, umso mehr mit einschließt, er kennt das auch einfach nicht anders, als der Firmenchef, der er ist. Da gibt’s wahrscheinlich auch niemanden, der ihm mal sagt: »So Alter, bis hier hin und nicht weiter!«, ein Satz, den ich fast schon mit Gewalt unterdrücken muss. Und so bleibt eben alles beim Alten, ich mach gute Miene und spiele die Rolle, als ob ich mit einem verzogenen Kind im untersetzten, langsam vor die Hunde gehenden Körper eines 55-Jährigen rede. Sick. Wobei es aber natürlich nicht bleibt. Wäre ja auch zu schön. Je näher wir uns kommen, umso mehr verlagert er das ganze Spiel zusätzlich auf die körperliche Ebene.
Im Sushi-Restaurant wollte er, dass wir nebeneinander Liegestütze auf den Knöcheln machen, dann, dass ich ihn angreife, damit er mit Karate, Aikido oder was weiß ich abwehren kann. Dann nimmt er mich in den Arm und sagt mir mal wieder, dass ich sein Sohn sei, woraufhin er mir volles Rohr von hinten auf die Schulter schlägt, eine Mischung aus Liebesbekundung und Aufforderung zum Duell. Ich bin auf dem Rückweg, nachdem ich ihn nach Hause gebracht hatte, noch mal eine Runde gelaufen, irgendwie um die Aggressionen loszuwerden, er meint das ja alles nicht böse. Habe mir, trotz Nichtraucher, eine Scheiß-Packung Kippen gekauft, ne halbe geraucht und den Rest weggeschmissen, draußen gesessen und erst mal durchgeatmet.