E-Book, Deutsch, 464 Seiten
Reihe: Piper Taschenbuch
Schwartz Das Blut der Könige
17001. Auflage 2017
ISBN: 978-3-492-97371-7
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Lytar-Chronik 3
E-Book, Deutsch, 464 Seiten
Reihe: Piper Taschenbuch
ISBN: 978-3-492-97371-7
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Richard Schwartz, geboren 1958 in Frankfurt, hat eine Ausbildung als Flugzeugmechaniker und ein Studium der Elektrotechnik und Informatik absolviert. Er arbeitete als Tankwart, Postfahrer und Systemprogrammierer und restauriert Autos und Motorräder. Am liebsten widmet er sich jedoch phantastischen Welten, die er in der Nacht zu Papier bringt - mit großem Erfolg: Seine Reihe um »Das Geheimnis von Askir« wurde mehrfach für den Deutschen Phantastik Preis nominiert. Zuletzt erschienen die neuen Reihen »Die Eisraben-Chroniken« und »Die Sax-Chroniken«.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Prolog
Als Lamar di Aggio, Gesandter des Reiches und Mitglied des Ordens von Seral, an diesem Morgen sein Zimmer verließ, blieb er auf der Schwelle stehen und rieb sich erstaunt und verschlafen die Augen. Er war der Ansicht gewesen, früh aufgestanden zu sein, gleich beim ersten Hahnenschrei, doch nun sah er, dass er nicht der Einzige gewesen war.
Der alte Gasthof war das größte Gebäude im Dorf, doch an diesem Morgen schien er aus seinen Nähten bersten zu wollen. Bis auf den Tisch in der Mitte des Gasthofs, an dem nur zwei Stühle standen, war jeder Sitzplatz belegt, quetschten sich die Menschen auf den langen Bänken und wer keinen Platz gefunden hatte, der stand eng gedrängt an den Wänden oder zwischen den Tischen. Selbst auf dem Kaminsims hatte man es sich bequem gemacht und die umlaufende Galerie war derart voll von Menschen, dass man befürchten könnte, die alten Balken würden unter der Last brechen. Oder auch nicht, dachte Lamar indessen, als er die massiven Balken in Augenschein nahm.
Lytara war ein kleines Dorf und es schien ihm, dass sich hier eindeutig mehr Menschen versammelt hatten, als man ob der Größe des Dorfes hätte vermuten können.
Die Leute hatten sich überraschend leise unterhalten, nur ein stetiges Gemurmel war vom Gastraum aus zu ihm vorgedrungen, doch als man ihn am oberen Ende der Treppe wahrnahm, erstarb auch dieses und man schaute ihn still und schweigend an. Wahrhaftig jeder hier in diesem Gasthof.
Und doch waren es keine feindlichen Blicke, eher freundlich, neugierig und irgendwie auch erwartungsvoll.
Fast hätte Lamar über seine eigene Schulter geschaut, um nachzusehen, ob dort nicht jemand anderes stand, er selbst war solche Aufmerksamkeit nicht gewohnt.
Tatsächlich verlangte es Lamar einige Überwindung ab, um einen Fuß vor den anderen zu setzen und langsam die Treppe hinunterzugehen.
»Mistral zum Gruße und möge sie diesen schönen Morgen segnen!«, rief der Wirt und eilte herbei, um einige der Umstehenden vom Fuße der Treppe fortzuscheuchen. »Macht doch dem Manne Platz«, rief er mit seiner dröhnenden Stimme. »Und hört auf, ihn so anzugaffen! Er ist kein Kaninchen mit drei Ohren! Was soll er von uns halten?«
Gestern hätte der Gesandte noch nicht gewusst, was er auf eine solche Begrüßung hätte erwidern sollen. Eher hinter Wänden aus Büchern zu Hause, war der Gesandte etwas scheu, doch seit gestern hatte er viel gelernt.
»Der Segen der Göttin für euch alle«, ließ er sich also vernehmen und begrüßte damit nicht nur den Wirt, der mit einem ausgestreckten Arm zu dem Tisch in der Mitte wies, der sich unter der Last eines reichlichen Frühstücks fast zu biegen schien, sondern auch die anderen Gäste des Gasthofs.
Es war, als hätte man nur darauf gewartet, dass er solches oder Ähnliches sagte, denn überall nickten die Menschen oder lächelten, fast als ob sie erleichtert wären. Was nicht bedeutete, dass man ihn nicht weiterhin neugierig und irgendwie erwartungsvoll ansah.
»Was ist mit dem alten Mann, Wirt?«, fragte Lamar höflich, als der Wirt ihm den Stuhl zurechtrückte.
»Er wird gleich kommen, Ser«, antwortete der Wirt geflissentlich. »Er ließ Euch ausrichten, dass Ihr schon ohne ihn anfangen sollt zu speisen, er hätte nur noch kurz etwas zu erledigen, doch lange würde es nicht dauern.« Er sah fragend zu dem Gesandten hin. »Kann ich noch etwas für Euch tun? Begehrt Ihr vielleicht nach anderem?«
Lamar musterte den reich gedeckten Tisch. Falls überhaupt etwas fehlen konnte, fiel es ihm nicht auf. »Danke, nein, Wirt«, meinte der Gesandte höflich. »Zumal ich ja inzwischen weiß, dass mir alles aus Eurer Küche vorzüglich munden wird.«
»So sollte es auch sein«, strahlte der Wirt. »Ja, so sollte es auch sein. Wie soll ein Tag gut werden, wenn man ihn nicht mit gutem Essen anfängt?«
»In der Tat«, lächelte Lamar.
»Wie wäre es, wenn du uns den Tag gut anfangen lässt?«, rief einer der anderen Gäste, ein stattlicher Mann, dem das Wams spannte. »Jetzt, wo der Gesandte da ist, werden wir hoffentlich ebenfalls bedient?«
»Mach dir keine Sorgen, Timor«, lachte der Wirt. »Wir bekommen dich schon satt!«
»Das sagt mein Weib auch immer!«, grinste Timor und klopfte sich auf seinen Bauch. »Und schaut mich an, dünn wie eine Bohnenstange!«
Freundliches Gelächter ertönte, zugleich öffnete sich die Tür zur Küche und die Schankmädchen kamen heraus, jede mit mehreren Holztellern beladen, auf denen sich das Essen türmte, ein Wunder, dachte Lamar bewundernd, dass ihnen dabei kein Missgeschick geschah. Seit gestern hatte der Wirt seine Bediensteten verstärkt, drei Lamar bislang unbekannte junge Frauen und zwei junge Männer halfen zusätzlich dabei, die hungrigen Gäste zu bedienen, und auch sie warfen dem Gesandten neugierige Blicke zu, wobei sie versuchten, es sich nicht anmerken zu lassen.
Eine von den neu hinzugekommenen jungen Frauen schenkte dem Gesandten Kaffee ein, so sorgfältig, als ob ihr Leben davon abhängen würde, und atmete erleichtert aus, als es ihr gelungen war, seine Tasse zu füllen, ohne dass auch nur ein Tropfen danebenging. Mit einem tiefen Knicks eilte sie daraufhin wieder davon. Als der Gesandte nach der Tasse griff, schien es, als ob jeder hier im Gasthof den Atem anhalten würde.
Göttin, dachte Lamar verzweifelt und zwang sich, einen Schluck zu nehmen. Hat denn niemand etwas Besseres zu tun, als mich anzugaffen?
»Macht Euch nichts daraus, Freund Lamar«, hörte er die erheiterte Stimme des Geschichtenerzählers hinter sich, als der alte Mann um den Tisch herumging und sich mit einem zufriedenen Seufzer setzte. »Sie haben von Euch gehört und sind aus der gesamten Umgebung hierhergekommen, um sich ein Bild von Euch zu machen.«
»Warum?«, fragte Lamar erstaunt. »Ich bin nicht wichtig.« Er wies mit seiner Gabel auf die anderen Gäste. »Ich könnte verstehen, dass man neugierig ist, wäre ich der Prinz, bei ihm fallen die Menschen beständig über ihre eigenen Füße, um auch nur einen Blick auf ihn zu erhaschen. Doch ich bin nur ein besserer Bote.«
»Und bescheiden«, lächelte der alte Mann. »Bei uns gilt das als eine Tugend.«
Lamar war abgelenkt, er schaute sich suchend um. »Wenn wir schon bei Boten sind, was ist mit dem Herold des Königs?«
»Ich habe ihn fortgeschickt«, erklärte der alte Mann, während er nach seinem Frühstücksei griff. »Was ich heute hier zu erzählen habe, geht ihn nichts an.«
»Doch jeden, der hier ist?«, fragte Lamar.
Der alte Mann nickte. »Es ist unsere Geschichte. Doch sie ist nur für Eure Ohren bestimmt.«
»Wir hören sie immer wieder gerne«, rief eine junge Frau zu ihnen herüber. »Du erzählst sie nur so selten!«
Der alte Mann nickte. »So soll es sein. Eine besondere Geschichte für besondere Anlässe. Würde ich sie immer erzählen, wäre sie wohl nicht besonders!«
»Das bezweifle ich«, lachte ein anderer. »Diese Geschichte wird immer besonders sein!«
Der alte Mann lachte leise und hob seine Hand. Schlagartig wurde es still. »Dann lasst sie mich erzählen und stört nicht weiter!« In dem Moment wurde sein Lächeln weiter und Lamar drehte sich in seinem Sitz um, um zu sehen, was den alten Mann so guter Laune sein ließ. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, es war Saana, die auf Lamar zueilte und ihn mit einem weiten Lächeln herzlich umarmte, bevor sie Anstalten machte, ihm auf den Schoß zu klettern. Etwas hilflos schaute der Gesandte zu dem Geschichtenerzähler hin, doch Rettung nahte in Gestalt von Saanas Mutter, die ihre Tochter geschickt einfing. Sie schaute sich um, hielt mit der einen Hand Saana, während sie die andere in ihre Hüfte stemmte.
»Ihr«, wandte sie sich in freundlichem, aber bestimmtem Ton an zwei junge Burschen, »Ihr sitzt auf unserem Platz.«
»Verzeiht«, entgegnete einer der beiden, als sie hastig aufsprangen. »Das haben wir nicht gewusst.«
»Jetzt wisst Ihr es«, gab Saanas Mutter zurück und nahm mit ihrer Tochter Platz, während die beiden jungen Burschen sich einen Platz in der Menge suchten.
»Du kannst jetzt anfangen«, sagte Saana gewichtig. »Ich bin da.«
»Das ist nicht zu übersehen«, lachte der alte Mann. »Was willst du hören?«
»Erzähle, wie es mit Großmutter weiterging!«, forderte Saana aufgeregt.
...