E-Book, Deutsch, 528 Seiten
Reihe: Piper Taschenbuch
Schwartz Das Erbe des Greifen
16001. Auflage 2016
ISBN: 978-3-492-97372-4
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Lytar-Chronik 2
E-Book, Deutsch, 528 Seiten
Reihe: Piper Taschenbuch
ISBN: 978-3-492-97372-4
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Richard Schwartz, geboren 1958 in Frankfurt, hat eine Ausbildung als Flugzeugmechaniker und ein Studium der Elektrotechnik und Informatik absolviert. Er arbeitete als Tankwart, Postfahrer und Systemprogrammierer und restauriert Autos und Motorräder. Am liebsten widmet er sich jedoch phantastischen Welten, die er in der Nacht zu Papier bringt - mit großem Erfolg: Seine Reihe um »Das Geheimnis von Askir« wurde mehrfach für den Deutschen Phantastik Preis nominiert. Zuletzt erschienen die neuen Reihen »Die Eisraben-Chroniken« und »Die Sax-Chroniken«.
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Prolog
Als Lamar di Aggio, Gesandter des Reiches und Mitglied des Ordens von Seral, an diesem Morgen die Augen öffnete, bereute er es sofort. Die Nacht zuvor war lang gewesen, der Wein überreichlich geflossen, obwohl einer der besten, den er je getrunken hatte. Sein Kopf pochte, die Sonne schien ihm durch die Schlitze des Fensterladens direkt ins Gesicht und es war zu still. Für einen langen Moment wusste er nicht, wo er sich befand. Hier polterten keine Kutschen über die Pflastersteine, wurden keine Waren lautstark angepriesen.
Lytara. Er befand sich in Lytara, einem Dorf, dessen Namen er vor wenigen Wochen nicht einmal gekannt hatte. Schwerfällig erhob sich Lamar von seinem Lager und gähnte, tappte verschlafen zu dem Waschstand hin und tunkte den Kopf in die Waschschüssel. Er wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und gähnte erneut. Seit drei Tagen lauschte er einem verschrobenen alten Mann, der hier im Gasthaus eine lange Geschichte erzählte, von der Lamar noch nie zuvor etwas vernommen hatte. Eine Geschichte von der Wiedergeburt eines untergegangenen Reichs, einem Zwist der Götter und einem Krieg, den es nie gegeben hatte.
Und dennoch … es hatte einst einen Kanzler mit Namen Belior gegeben und einen Prinzen, der zu jung gewesen war, um zu regieren. Es gab diese zerstörte Stadt weit südlich der Kronstadt von Thyrmantor, vor allem gab es noch immer den Drachen Nestrok, der auch heute noch dem Paladin des Reiches diente. Wenn Lamar in die Kronstadt zurückkehrte, sollte er vielleicht den Mut aufbringen, Sera Sineale aufzusuchen und sie zu fragen, was ihr Drache von alledem noch wusste. Doch es waren die Worte des Prinzen selbst, die ihn am meisten ins Grübeln brachten. Sein Cousin, Prinz Teris.
Cousin war irreführend, denn die Bezeichnung war nichts weiter als eine Höflichkeit, um den Umstand zu vertuschen, dass Lamar im falschen Laken gezeugt worden war. Zum einen verkehrte der Prinz in anderen Kreisen als er, der sich eher als Gelehrter denn als Krieger verstand, zum anderen wusste Lamar nur zu gut, dass der Prinz ihn nicht ausstehen konnte. Als er damals mit schlotternden Knien an den Königshof gekommen war, stand der Prinz schon da und sah verächtlich auf Lamar herab. Ist man sechs Jahre alt, trifft es einen, wenn die Person, die man aus der Ferne bewundert hatte, einen als »Eine Unachtsamkeit meines Vaters« vorstellte. Bis zum heutigen Tage hatte der Prinz sich nicht die Mühe gemacht, sich Lamars Namen zu merken.
In den folgenden Jahren hatten sie wenig miteinander zu tun gehabt, bis in einer Nacht ein königlicher Bote ihn aus dem Bett geholt hatte, um ihn davon zu unterrichten, dass der Prinz ihn zu sehen wünschte. Während des Morgens danach und den größten Teil des Tages war Lamar zu Pferd unterwegs gewesen, um den Prinzen in seinem Sommerpalast aufzusuchen. Kaum angekommen, wurde er sofort zu ihm bestellt.
Schlank, wohlgestalt, mit pechschwarzen Haaren, dunklen Augen und einem sinnlichen Mund, war er der Liebling des Hofes, vor allem die Weiblichkeit war ihm zugetan. Drei Dutzend und acht Jahre alt, war er ein Kriegspferd, das an seinem Geschirr zerrte. Seit Jahren lag sein Vater, der König, krank danieder, doch noch immer hielt er an dem Leben und der Krone fest. Sein Körper mochte ihn im Stich gelassen haben, doch sein Geist war noch so wach wie eh und je. Doch jeder im Königreich wusste, dass es bald mit ihm zu Ende gehen würde.
»Cousin«, hatte der Prinz damals ohne Umschweife begonnen, als Lamar vor ihm auf die Knie ging. »Ihr müsst mir helfen.«
»Jawohl, Hoheit«, hatte Lamar geantwortet. Er war vom Reiten erschöpft gewesen, sein Knie tat weh, er war durstig, es wäre ihm lieber gewesen, hätte er sich nach dem Ritt erfrischen können. Der Prinz indes war für seine Geduld nicht sonderlich bekannt.
»Gestern kam eine dieser Priesterinnen Mistrals zu mir. Sie besaß die Unverschämtheit, mich in meinem Schlafgemach aufzusuchen, und forderte zudem, dass ich ihr meine Aufmerksamkeit unter vier Augen gewähren sollte.« Der Prinz war ruhelos zu einer Anrichte gegangen, wo er sich großzügig einen Wein einschenkte, um dann seiner Verärgerung weiter Ausdruck zu verleihen. »Dass die Priesterschaft zur königlichen Familie einfach so Zugang erhält, war schon immer etwas, das mich störte. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie herablassend sie mich ansah.«
Lamar hatte sich gehütet, dazu Stellung zu nehmen, kniete weiter und hörte zu.
»Sie teilte mir mit, dass es mit dem König zu Ende ginge. Nun müsse man Vorbereitungen für die Krönung treffen. Das war indessen noch der angenehme Part der Nachricht. Jetzt aber teilte sie mir mit, es wäre Tradition, dass der Prinz vor seiner Krönung eine Art Pilgerfahrt zu unternehmen hätte. Er habe ein Dorf im Süden aufzusuchen, eines, das sich Lytara nennt, und dort nach der Krone von Lytar zu fragen. Alles Weitere würde sich ergeben. Ich teilte ihr mit, dass ich für solches keine Zeit hätte. Wie ihr selbst sehen könnt, Cousin Kebel, erwarte ich Gäste.«
»Lamar, Hoheit. Mein Name ist Lamar«, hatte es Lamar gewagt, den Prinzen zu verbessern.
Dieser hatte ihm einen stechenden Blick zugeworfen. »Ich mag es nicht, unterbrochen zu werden, Cousin. Hört zu, dann bringen wir dies schnell zum Ende. Also, diese Priesterin sah über ihre lange Nase auf mich herab und teilte mir mit, dass ich durchaus darauf verzichten könnte, wenn es mir derart wichtig wäre, bräuchte ich nur ein anderes Mitglied der königlichen Familie dorthin zu schicken. Damit erdreistete sie sich, mir den Rücken zuzukehren, und ging ohne ein weiteres Wort davon. Wahrlich, die Arroganz mancher dieser Priesterinnen ist einfach unerträglich.«
Der Prinz nahm einen tiefen Schluck. »Diese eine war fast so unerträglich wie die Sera Sineale, die immer gerne darauf beharrt, der Paladin meines Vaters zu sein und nicht der meine! Ich schwöre Euch, Cousin, die Frau kann mich nicht leiden!«
Auch hierzu hatte sich Lamar jeden Kommentar gespart. Dem Gerücht nach war die Geschichte wenig rühmlich für den Prinzen gewesen, es hieß, er habe ihr ein eindeutiges Angebot unterbreitet, woraufhin sie ihn ausgelacht habe.
»Wie auch immer«, hatte der Prinz den Faden wieder aufgenommen. »Ihr seid mit mir verwandt, also werdet Ihr Euch dorthin begeben und nach dieser Krone fragen. Lasst sie Euch aushändigen und bringt sie mir. Einfach genug. Ihr dürft Euch entfernen.«
Mühsam hatte sich Lamar erhoben, seit einem Sturz neigte sein rechtes Knie dazu, schnell zu schmerzen. »Eines noch«, hatte der Prinz hinzugefügt, während er sich vom Wein nachschenkte. »Die Greifenlande sind tiefste Provinz, weit im Süden gelegen. Die Leute dort sind eigenbrötlerisch, zeigen wenig Respekt vor dem Adel und besitzen nur wenige Manieren. Ein unzivilisiertes Pack. Wundert Euch also nicht, wenn man Euch im Kuhstall schlafen lässt.«
Mit diesen Worten war Lamar endgültig entlassen gewesen.
Während sich Lamar ankleidete, sah er sich in dem großzügig ausgestatteten Raum um. Dieser war sauber und gepflegt, nur gab es keine polierten Möbel, auch die Brokattapeten konnte man vermissen, und die Seife neben der Waschschüssel roch nur leicht nach Rosen. Bislang hatte er hier nicht einen einzigen Menschen gesehen, der eine Perücke trug, und wenn die Leute sich unterhielten, verzichteten sie darauf, sich über den neuesten Klatsch bei Hofe die Mäuler zu zerreißen. Lamar zog sein Hemd zurecht und erlaubte sich ein kleines Lächeln. Wie der Prinz schon sagte, ein unzivilisiertes Pack! Als er die Treppe zum Gastraum hinunterstieg, kam ihm ein kleines Mädchen entgegen und strahlte ihn an. »Guten Morgen und der Göttin Gnade mit Euch, Lamar«, rief sie fröhlich und mit blitzenden Augen. Sie griff nach seiner Hand und zog ihn fast hinter sich her. »Wir warten alle schon darauf, dass Ihr kommt, Großvater sagt, er würde nicht weitererzählen, bevor Ihr nicht da seid!«
»Auch Euch einen guten Morgen, Saana«, antwortete Lamar, dem es schien, als habe alleine schon das Lächeln des jungen Mädchens den größten Teil seines Kopfschmerzes genommen. »Erlaubt Ihr mir, zuerst mein Frühstück zu mir zu nehmen?«
»Warum nicht?«, lachte Saana. »Er kann ja erzählen, während Ihr speist.« Sie stieß die Tür zur Gaststube auf. »Er ist da! Großvater, wie ging es weiter?«
Wie bereits am Vortag war der Gastraum voll, es...