E-Book, Deutsch, Band 732, 64 Seiten
Seeberg Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 732
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7517-7119-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Träume der Burgherrin
E-Book, Deutsch, Band 732, 64 Seiten
Reihe: Die Welt der Hedwig Courths-Mahler
ISBN: 978-3-7517-7119-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Auf dem ersten Ball ihres Lebens lernt die hübsche und reiche Beatrix von Holde, die bis vor Kurzem noch Schülerin eines noblen Schweizer Internates war, den attraktiven Harro Gotenstein kennen. Noch am selben Abend verloben die beiden sich. Mit Charme, Zärtlichkeit und Schmeicheleien gaukelt Harro Beatrix tiefe Gefühle vor, und das unerfahrene Mädchen ist überzeugt davon, durch eine schicksalhafte Fügung der großen Liebe begegnet zu sein.
Wie im Rausch erlebt Beatrix das herrliche Hochzeitsfest und die wundervollen Flitterwochen. Doch als kurz darauf eine alte Jugendfreundin von Harro für einige Zeit zu Besuch auf Burg Gotenstein weilt und Beatrix zufällig ein Gespräch der beiden belauscht, da zerspringt die Illusion von ihrer ach so glücklichen Ehe wie Glas ...
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Die Träume der Burgherrin
Als auf Gotenstein endlich das Glück einzog
Auf dem ersten Ball ihres Lebens lernt die hübsche und reiche Beatrix von Holde, die bis vor Kurzem noch Schülerin eines noblen Schweizer Internates war, den attraktiven Harro Gotenstein kennen. Noch am selben Abend verloben die beiden sich. Mit Charme, Zärtlichkeit und Schmeicheleien gaukelt Harro Beatrix tiefe Gefühle vor, und das unerfahrene Mädchen ist überzeugt davon, durch eine schicksalhafte Fügung der großen Liebe begegnet zu sein.
Wie im Rausch erlebt Beatrix das herrliche Hochzeitsfest und die wundervollen Flitterwochen. Doch als kurz darauf eine alte Jugendfreundin von Harro für einige Zeit zu Besuch auf Burg Gotenstein weilt und Beatrix zufällig ein Gespräch der beiden belauscht, da zerspringt die Illusion von ihrer ach so glücklichen Ehe wie Glas ...
»Das war das schönste Fest meines bisherigen Lebens, Tante Ilse.« Beatrix von Holde stand mit glänzenden Augen vor ihrer zierlichen weißhaarigen Tante, die zarten Wangen sanft gerötet.
Seufzend betrachtete die alte Dame ihre Nichte.
»Du machst mir Sorgen, mein Kind. Es ist viel zu rasch gegangen mit deiner Verlobung.«
»Warum soll ich warten, wenn ich genau weiß, dass ich mit Harro glücklich werde?«
»Kann man das wissen, wenn man sich gar nicht kennt?«
»Das fühlt man, Tante Ilse! Harro Gotenstein will nichts anderes, als mich glücklich zu machen. Das hat er gesagt.«
»Vielleicht sagen das alle Männer, wenn sie ein Mädchen hübsch finden, Beatrix. Ich verstehe nichts von der Liebe, denn ich bin eine alte Jungfer.«
Ilse von Holde hatte sich mit ihrem einsamen Leben abgefunden. Sie war reich, wie auch ihre Nichte seit ihrem einundzwanzigsten Geburtstag über ein Vermögen von rund einer Million verfügte.
Beatrix' Tante war zeitlebens fast nie auf Gesellschaften gegangen. Den großen Wohltätigkeitsball hatte sie am Vorabend nur mit ihrer Nichte besucht, weil sie Beatrix, die seit vier Wochen aus einem Schweizer Internat entlassen worden war, eine Freude machen wollte. Ihre Freundin Paola Weitz hatte ihr noch gut zugeredet, nicht immer jede Veranstaltung abzusagen. Sie müsse an Beatrix denken.
Also hatte Ilse für sich und Beatrix neue Abendkleider gekauft und war hingegangen. Die Tänzer hatten sich um die hübsche Beatrix geradezu gerissen.
Es hatte auch eine Tombola gegeben, und Harro Gotenstein hatte seinen Gewinn Beatrix überreicht. Es war ein Korb mit Sekt, und seine Bemerkung, den würden sie auf ihrer Hochzeit trinken, hatte Tante Ilse nicht ernst genommen. Immerhin hatte Beatrix seit der Tombola nur noch mit Harro Gotenstein getanzt.
Und als sie im Wagen zurückgefahren waren zu der großen alten Villa, hatte Beatrix ihrer Tante strahlend berichtet, dass sie Harro heiraten werde.
»Du hast doch noch keinerlei Erfahrungen«, hatte die Hausherrin zu bedenken gegeben.
»Nein, woher auch, Tante Ilse?«, hatte die Nichte erwidert. »Ich kann Englisch, Französisch, Reiten, Skifahren, Tennis, weiß über die moderne Literatur Bescheid, aber einen Freund hatte ich bisher nie. Und jetzt bin ich verlobt und sehr glücklich.«
Draußen läutete es. Sie lauschten gespannt auf die Schritte des Hausmädchens, das wenige Augenblicke später mit einem in weißes Papier eingeschlagenen Blumenstrauß ins Zimmer trat.
»Das ist abgegeben worden für Fräulein Beatrix.«
Das junge Mädchen riss ungeduldig das Papier ab. Rote Rosen leuchteten ihr entgegen.
»Wie schön, Tante Ilse!«, flüsterte Beatrix. »Die letzten Rosen habe ich von Papa bekommen, als ich sechzehn wurde. In dem Jahr ist er gestorben. Ich wünschte, er lebte noch, um an meiner Hochzeit teilnehmen zu können. Burg Gotenstein! Bist du früher mal dort gewesen?«
»Ja, einmal vor sehr vielen Jahren. Es wurde ein Fest dort gegeben. Deine Eltern hatten so lange auf mich eingeredet, bis ich endlich mitgekommen bin. Es ist eine schöne alte Burg auf einem Hügel.«
»Ich weiß. Harro hat mir Bilder gezeigt. Ich finde es großartig, dass ich auf einer Burg leben werde.« Ihre Finger strichen über die samtigen dunklen Blüten.
»Du solltest die Blumen ins Wasser stellen, Beatrix«, mahnte die Tante.
Beatrix lief in die Küche und kehrte nach einigen Minuten mit einer Kristallvase zurück, in der sie die langen Stiele arrangiert hatte.
Wieder ging draußen die Türglocke. Kurz darauf erklang eine Männerstimme.
Obwohl Beatrix im Pensionat gelernt hatte, dass eine Dame zu warten habe, bis der Besucher angemeldet war, stellte sie die Vase hastig auf die Seite und lief hinaus in die Diele.
»Eben sind deine Rosen gebracht worden, Harro!«, erzählte sie mit strahlenden Augen.
Harro Gotenstein ergriff ihre Hand und führte sie an die Lippen.
»Zuerst wollte ich nur die Rosen schicken. Aber dann wurde mir klar, dass ich dich sehen musste. Hier bin ich.«
Beatrix stellte sich auf die Zehenspitzen und bot dem geliebten Manne die Lippen.
»Noch müde von gestern?«, fragte er zärtlich.
»Kein bisschen. Ich hätte vierundzwanzig Stunden weiterfeiern mögen. Aber meine liebe Tante hatte Kopfschmerzen.«
»Ist sie zu sprechen?« Er strich ihr über das helle Haar. »Ich hätte deine verehrte Frau Tante gern gesehen, wenn es möglich ist.«
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Wohnzimmer, Ilse von Holde erschien.
»Guten Morgen, Herr Gotenstein«, sagte sie. »Es ist nett von Ihnen, dass Sie uns besuchen. Kommen Sie doch herein. Ich fürchte, Beatrix hat ganz vergessen, dass wir außer der Diele auch noch Zimmer im Hause haben.«
Harro Gotenstein verneigte sich höflich. Kaum waren sie im Wohnzimmer, als er auch schon sein Anliegen vorbrachte.
»Nein, gnädige Frau, ich möchte mich nicht setzen«, lehnte er ab. »Ich habe eine wichtige Frage zu stellen. Vielleicht hat Beatrix Sie schon vorbereitet.«
Ilse von Holde nickte.
»Es ist sehr rasch gegangen«, erklärte Harro gleichsam entschuldigend. »Und nun stehe ich vor Ihnen, um Sie um die Hand Ihrer Nichte zu bitten. Wir lieben uns.«
Er begegnete Beatrix' Blick, die am Fenster stand und ihn unverwandt ansah.
»Meine Nichte muss selbst über ihr Schicksal entscheiden, Herr Gotenstein. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie den Weg zu mir finden. Aber ich kann Ihnen keine Antwort geben. Die müssen Sie sich bei Beatrix holen, wenn Sie sie nicht schon haben«, erwiderte die Tante.
Beatrix lief auf Harro zu und schlang die Arme um ihn.
»Längst hat er sie, Tante Ilse. Und wir wollen so rasch wie möglich heiraten.«
Ilse von Holde zwang sich, ihren Kopfschmerz zu vergessen. Auch an die unbestimmte Angst, die sie bedrängte, wollte sie jetzt nicht denken. War es Beatrix nicht zu gönnen, dass sie das erfüllte Leben einer verheirateten Frau führte, Kinder hatte und glücklich wurde?
»Wollen wir uns nun nicht setzen?«, fragte Ilse mit nicht ganz echter Fröhlichkeit. »Die Fragen sind geklärt, und Sie gehören jetzt zu unserer Familie, Herr von Gotenstein, wenn ich so sagen darf.«
»Ich danke Ihnen, gnädige Frau.« Harro küsste ihr die Hand, machte aber keine Anstalten, sich zu setzen. Stattdessen zog er aus der Tasche seines Anzuges ein Päckchen, entfernte das Papier und öffnete das kleine Kästchen. Dann überreichte er Beatrix sein Geschenk.
Es war ein Ring mit einem großen Brillanten.
»Willst du ihn nicht probieren?«, fragte Harro lächelnd, als das Mädchen sprachlos vor Freude auf das Schmuckstück starrte.
»Ja, Harro, natürlich will ich. Der Ring ist so schön.« Vorsichtig zog sie ihn aus dem Seidenfutter des Kastens und streifte ihn über. »Er passt genau!«
Sie hielt die Hand ausgestreckt und bewegte sie langsam. Das Licht brach sich vielfältig in dem geschliffenen Stein.
»Bildschön, Harro. Ich werde ihn von heute an immer tragen.«
Er griff nach ihrer Hand mitsamt dem Ring.
»Das musst du auch, liebe Beatrix. Jetzt bist du meine Braut, und bald wirst du meine Frau sein – Burgherrin von Gotenstein.«
»Ja, Harro, Burgherrin von Gotenstein.«
Endlich hielt Harro die Zeit für gekommen, sich zu setzen. Er lachte.
»Zuerst hatte ich gar keine Lust, wegen des Festes in die Stadt zu fahren. Mein Vater hat mich praktisch überredet. Wenn ich ihm jetzt erzähle, dass ich mich verlobt habe, wird er es kaum glauben.«
»Wird es deinem Vater auch recht sein?«, fragte Beatrix ängstlich.
»Er wird dich mit offenen Armen aufnehmen. Wir zwei einsamen Männer auf der alten Burg brauchen dich.«
»Ich werde euch auf dem Gut helfen. Du musst mir alles zeigen.«
»Gern. Arbeit gibt es auf einem Gut genug. Ich denke, es wird dir gefallen. Aber vergiss nicht, dass es eine alte Burg ist. Dicke Mauern, viele Treppen und Winkel, alles ein bisschen aus Urgroßvaters...




