Seibold | Landpartie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 336 Seiten

Reihe: Allgäu-Krimis

Seibold Landpartie

Ein Allgäu-Krimi
14001. Auflage 2014
ISBN: 978-3-492-96790-7
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Allgäu-Krimi

E-Book, Deutsch, Band 3, 336 Seiten

Reihe: Allgäu-Krimis

ISBN: 978-3-492-96790-7
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das idyllische Bad Hindelang bereitet sich auf das alljährliche »Jochpass Memorial« vor - ein spektakuläres Bergrennen für Oldtimer. Der Titelverteidiger Rudi Groß geht als Favorit ins Rennen, doch in einer der letzten Kurven verliert er die Kontrolle über seinen Wagen und stürzt in die Tiefe. Schnell steht fest: Der Oldtimer war manipuliert. Als Kommissar Hansen mit seinen Ermittlungen beginnt, stößt er auf wahre Besessenheit und Oldtimer-Fans, die um jede Schraube ihrer auf Hochglanz polierten Schätze kämpfen.

Jürgen Seibold, geboren in Stuttgart, arbeitete als Redakteur und freier Journalist. 1989 veröffentlichte der SPIEGEL-Bestsellerautor seine erste Musikerbiografie. Es folgten weitere Sachbücher, Theaterstücke, Thriller, Komödien und Kriminalromane. Mit seiner Familie lebt Jürgen Seibold im Rems-Murr-Kreis.
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Donnerstag, 2. Oktober


Es war so kalt, dass Karl Schlitter den Kragen seines Wintermantels hochschlug, um seinen Nacken besser gegen den eisigen Wind zu schützen. Er mochte solches Wetter nicht, vor allem nicht so kurz vor dem Jochpass Memorial. Auch für die Veranstaltung selbst klang die Wettervorhersage wenig verheißungsvoll. Dabei hatten schon im vorigen Jahr Schnee und Graupel die Fahrt hinauf nach Oberjoch ziemlich ungemütlich gemacht.

Er schloss die Faust fester um den Griff des zerschlissenen braunen Lederkoffers und stapfte voran. Noch ein paar Schritte, dann hatte er den verabredeten Platz erreicht. Er blieb stehen und sah auf die Uhr. Es war zehn nach sieben. Im Internet wurde der Sonnenaufgang für Bad Hindelang mit 7.19 Uhr angegeben. Also würde er noch ziemlich genau eine Viertelstunde hier oben warten, dann würde er den alten Lederkoffer abstellen und zu seinem Pick-up zurückgehen, ohne sich noch einmal nach dem Koffer umzudrehen.

»300 000 – 2.10. – Sonnenaufgang«, stand auf dem Blatt Papier, das Schlitter in der Nacht auf Montag im Briefkasten gefunden hatte. Es war wie in einem schlechten Krimi: Die Buchstaben und Zahlen waren aus der Lokalzeitung und dem Boulevardblatt ausgeschnitten und auf ein DIN A4-Blatt geklebt worden. Daneben pappte ein kleiner Ausschnitt aus einem farbigen Computerausdruck, der in Vogelperspektive ein Stück vom Kanzel-Ringweg zeigte, ganz in der Nähe der letzten scharfen Linkskurve der Jochstraße. Und genau dort, wo er jetzt stand, war der Ausdruck mit einem roten Kreuz markiert. Das Ganze hätte eher wie ein schlechter Scherz gewirkt – wäre es nur dieser Zettel gewesen.

Am sehr späten Sonntagabend hatte bei ihm daheim das Telefon geklingelt. Er hatte abgehoben und sich gemeldet. Eine raue Stimme hatte ihm ins Ohr geknurrt, was er zu tun hatte: keine Polizei verständigen, dreihunderttausend Euro besorgen, das Geld in einem Koffer auf dem Platz abstellen, der auf einem Zettel beschrieben sei, der im Briefkasten stecke.

Die Stimme klang ein wenig, als würde sich der Sprecher ein Taschentuch vor den Mund halten, aber es schien auf jeden Fall ein Mann zu sein. Der Unbekannte gab noch die Anweisung, Schlitter solle das Geld in einem alten, unauffälligen Koffer verstauen und etwa zehn Minuten vor dem beschriebenen Zeitpunkt am genannten Platz auftauchen. Dort solle er bis etwa zehn Minuten nach dem Zeitpunkt warten.

Schlitter begriff erst nicht gleich, was da vor sich ging. Er war müde, hatte auch schon etwas getrunken, aber der Fremde redete einfach ohne Pause auf ihn ein. Danach wiederholte er alles noch einmal wortwörtlich, als lese er von einem Zettel ab. Ab und zu wechselte das Knurren des Anrufers in ein Raunen, manchmal musste er sich kurz räuspern, aber auch das ließ keine Rückschlüsse darüber zu, wie die Stimme unverstellt klingen mochte. Schließlich, als Schlitter längst verstanden hatte, dass das kein Klingelstreich war, kam die Drohung für den Fall, dass er nicht spuren würde: Genau dort, in der letzten Linkskurve, werde es während des diesjährigen Jochpass Memorial ein Attentat geben.

Dann hatte der Unbekannte aufgelegt, und Schlitter hatte totenbleich und am ganzen Körper zitternd im Flur gestanden, den Hörer noch am Ohr. Erst nach einer kleinen Ewigkeit hatte er sich aus der Starre gelöst und den Hörer aufgelegt, um zum Briefkasten zu gehen, wo er tatsächlich den Zettel mit der aufgeklebten Nachricht fand.

Und nun wartete er hier in der Kälte und sah sich um. Ein Stück entfernt stand sein Wagen. Ansonsten: Bäume ringsum, der Waldweg, die grasbewachsene Parkbucht und direkt neben ihm ein kleiner Haufen Pflastersteine. Sonst nur Stille, Kälte, Einsamkeit. Es war schon leidlich hell, aber mehr als diffuses Licht drang nicht durch die dicke Wolkendecke.

Er war natürlich schon oft hier oben gewesen, auch zu dieser Tageszeit, wenn er von der Jagd nach Hause fuhr. Manchmal stellte er seinen Pick-up dann auf diesem kleinen Weg ab, wenn auch nicht so weit von der B 308 entfernt. Aber häufiger war er in den Wäldern nördlich der Bundesstraße unterwegs oder weiter südlich im Gebiet zwischen Oberstdorf, Hinterstein und der österreichischen Grenze.

Wieder und wieder sah Schlitter auf die Uhr, dann war es endlich halb acht. Er stellte den Koffer am Wegesrand ab, steckte die Hände in die Manteltasche und zog die Schultern hoch. Trotzdem drang der Wind eiskalt durch seine Kleider.

Alles war still. Auf der Straße zum Jochpass hinauf war kein Fahrzeug unterwegs, und auch hier auf dem Waldweg war nichts zu sehen oder zu hören. Plötzlich knackte im Unterholz hinter Schlitter ein Ast, und er musste sich sehr beherrschen, um sich nicht zu dem Geräusch umzudrehen. Ganz langsam setzte er sich in Bewegung. Die Nackenhaare sträubten sich, er hatte Gänsehaut und wäre am liebsten losgerannt, aber das würde den Erpresser womöglich nervös machen, und mit einer Kugel im Rücken wollte Schlitter nun wirklich nicht enden. Also zwang er sich, einen Schritt nach dem anderen zu machen, sich dabei nicht zu schnell zu bewegen und die ganze Zeit über stur geradeaus zu sehen. Die Sekunden dehnten sich wie in einem schlechten Traum. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach, und als er die halbe Strecke zwischen dem Koffer und seinem Pick-up hinter sich gebracht hatte, rann es ihm warm über die Innenseite seiner Schenkel.

Auch schon egal, dachte Schlitter und ging stur weiter.

Schließlich erreichte er seinen Wagen. Als er den Türgriff mit der rechten Hand packte, stellte er fest, dass sie zitterte, und musste einen Moment lang stehen bleiben, bevor er sich wieder so weit unter Kontrolle hatte, dass er die Tür aufziehen und sich auf den Fahrersitz schieben konnte.

Die ganze Zeit hatte er sorgfältig darauf geachtet, sich nur ja nicht umzudrehen, denn was würde der Erpresser wohl mit ihm machen, wenn er erst dessen womöglich unmaskiertes Gesicht gesehen hätte? Nun riskierte er
doch einen kurzen Blick in den Rückspiegel. Das würde der andere auf diese Entfernung vermutlich gar nicht mitbekommen.

Aber es war niemand zu sehen.

Nur der zerschlissene braune Lederkoffer stand unverändert an seinem Platz.

Resi verabschiedete sich von Hansen mit einem langen, innigen Kuss, dann stupste sie mit dem Zeigefinger gegen seine Nasenspitze, und weg war sie. Er sah ihr durchs Fenster nach, wie sie mit ihrem neuen Kleinwagen vom Hof und auf die Ehrwanger Straße fuhr. Als sie auf der B 16 in Richtung Norden davonbrauste, war ihr Auto für wenige Momente zwischen den Bäumen zu sehen, aber Hansen winkte ihr trotzdem. Und es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass auch sie ihm winkte, ob er sie nun wirklich sehen konnte oder nicht.

Sie wollte bei ihren Eltern in Roßhaupten vorbeischauen, mit ihnen zu Mittag essen und Kaffee trinken. Am Nachmittag würde sie mit gepacktem Koffer zurückkommen und gemeinsam mit Hansen in einen Kurzurlaub starten. Er würde im Kommissariat in Kempten nur das Nötigste erledigen und gegen drei, halb vier wieder nach Hause fahren. Ein dringender Fall lag jedenfalls nicht auf seinem Schreibtisch.

Nach seinem etwas rumpeligen Start im Allgäu vor eineinhalb Jahren lief es mit den Kollegen inzwischen wirklich gut. Mit Willy Haffmeyer und Hanna Fischer sowieso, aber mittlerweile schienen auch die anderen ihren Frieden mit ihm als »neig’schmecktem« Niedersachsen gemacht zu haben. Ab und zu bekam er sogar einen Tipp, wo es einen Fischladen gab, in dem man frische oder frisch geräucherte Ware erhalten könne. Das eine oder andere Geschäft taugte tatsächlich etwas – auch wenn es natürlich kein Vergleich mit dem Steinhuder Räucheraal aus seiner alten Heimat oder mit den fangfrischen Tieren war, die er in seiner Zeit bei der Kripo Oldenburg in den Küstenorten der Nordsee überall bekommen konnte.

Vor allem sein Stellvertreter Hardy Koller tat sich mit Ratschlägen und hilfreichen Infos hervor. Womöglich plagte ihn das schlechte Gewissen, weil er nach Hansens Einschätzung die treibende Kraft hinter den Aktionen gewesen war, die ihm seinerzeit den Einstieg erschwert hatten. Für Hansen war das längst erledigt, zumal sich Koller und Kollegen ohnehin nur selbst ein Bein gestellt hatten. Auf Abstand hielt Hansen ihn trotzdem – das allzu nette und servile Auftreten war und blieb ihm suspekt. Da hatte er lieber den knurrigen Haffmeyer um sich oder die ehrlich besorgte Hanna. Mit ihnen arbeitete er nach wie vor gern zusammen.

In Kempten war es so ruhig, wie man es sich vor einem Kurzurlaub nur wünschen konnte. Koller und die anderen bereiteten die Unterlagen zu einem bereits abgeschlossenen Fall für die Gerichtsverhandlung auf, Willy Haffmeyer und Hanna Fischer wollten im persönlichen Gespräch zwei Aussagen in einem Totschlagfall überprüfen, danach stand auch für sie bis auf Weiteres nur Büroarbeit an.

Nach der morgendlichen Besprechung bat Kripochef Benedikt Huthmacher ihn zu sich ins Büro. Er bot ihm Kaffee und Gebäck an und fragte ihn ein wenig über die Kollegen aus, aber natürlich kam Hansen kein schlechtes Wort über die Lippen. Das Kommissariat 1 funktionierte, alle machten einen guten Job, und wenn jemand mal aus der Reihe tanzte, klärte Hansen das direkt mit der oder dem Betroffenen. Erst nach einer Weile, nachdem sie die anderen Themen durch hatten und der Kaffee ausgetrunken war, kam Huthmacher auf den wahren Grund für die vertrauliche Unterhaltung zu sprechen.

»Ja, mein lieber Hansen, wie Sie ja vielleicht wissen, geht bald unser Polizeipräsident in den verdienten Ruhestand. Ich bin gefragt worden, ob ich nicht ...«

Er räusperte sich.

»Wissen S’, als Allgäuer...


Seibold, Jürgen
Jürgen Seibold, geboren 1960 in Stuttgart, arbeitete als Redakteur und freier Journalist für Tageszeitungen, Zeitschriften und Radiostationen und veröffentlichte 1989 seine erste Musikerbiografie. Es folgten weitere Sachbücher mit einer Gesamtauflage von rund 1,2 Millionen Exemplaren. Außerdem schreibt er Theaterstücke, Thriller und seine erfolgreiche Allgäu-Krimi-Reihe um den Hauptkommissar Eike Hansen. Mit seiner Familie lebt Jürgen Seibold im Rems-Murr-Kreis.

Jürgen Seibold, 1960 in Stuttgart geboren, arbeitete als Redakteur und freier Journalist für Tageszeitungen, Zeitschriften und Radiostationen. 1989 veröffentlichte er seine erste Musikerbiografie. Es folgten weitere Sachbücher, Jugendbücher, Thriller und schließlich die sehr erfolgreiche Allgäu-Krimi-Reihe. Nach »Rosskur« und »Gnadenhof« ist »Landpartie« der dritte Fall des beliebten Hauptkommissar Eike Hansen.



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