Shepherd | Der Tanz der verlorenen Seelen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6, 81 Seiten

Reihe: Die Grimm-Chroniken

Shepherd Der Tanz der verlorenen Seelen


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7394-4220-4
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

E-Book, Deutsch, Band 6, 81 Seiten

Reihe: Die Grimm-Chroniken

ISBN: 978-3-7394-4220-4
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Margery fand sich an einem wundersamen Ort wieder, von dem sie nicht gewusst hatte, dass er existierte. Vor ihr erstreckte sich ein blühendes Feld. Es waren unzählige Mohnblumen. Alle erstrahlten in der verbotenen Farbe - Rot. »Spürst du den Windhauch?«, fragte Ember, während sie langsam durch die Wiese schritt. Sie hatte ihre Arme ausgebreitet, sodass sie mit den Fingerspitzen die Blüten im Vorrübergehen berührte. »Der Wind kommt von den vielen Seelen, welche über diese Wiese tanzen. Es sind die ruhelosen Geister der Mädchen, die deine Mutter in ihrem Keller getötet hat. Ihr Blut hat die Blumen rot gefärbt. Sie müssen nun sieben Jahre über dieses Feld tanzen, erst dann sind sie frei und dürfen in ein nächstes Leben weiterziehen.«

Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Tochter und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher. Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren.

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Der Turm der Erdenmutter
Irgendwo in den Sieben Weltmeeren auf dem Rücken eines Wals, Januar 1594 Wir hielten uns nah an dem gewaltigen Stamm, als wir uns Blatt für Blatt der Rapunzelpflanzen immer weiter den Baum emporkämpften. Unter uns befand sich die tosende See. Weit und breit war kein Land, nicht einmal ein Schiff, in Sicht. Das bedeutete immerhin, dass Vlad Dracul uns wohl noch nicht gefunden hatte. Dabei hatten wir bereits einen ganzen Tag mit dem Aufstieg verbracht. Erst als es so dunkel geworden war, dass wir nichts mehr hatten erkennen können, hatten wir uns dicht aneinander gekauert auf einem der Blätter niedergelassen und für wenige Stunden versucht, Schlaf zu finden. Es war mir nicht gelungen, da die Angst, hinabzustürzen, zu groß gewesen war. Zudem hatte mein Magen vor Hunger geknurrt. Ich hatte versucht, mir ein Stück von den gewaltigen Rapunzelpflanzen abzureißen, doch sie waren zu fest gewesen. Nur so konnten sie unser Gewicht tragen. Nicht einmal Dorian mit seinen übermenschlichen Vampirkräften hatte daran etwas ändern können. Für ihn musste der Aufstieg noch viel anstrengender sein, denn er trug zusätzlich den Glassarg mit dem schlafenden Jungen auf seinem Rücken. Sosehr es mich auch erleichterte, kein Schiff zu sehen, bedauerte ich es zugleich. Insgeheim hatte ich gehofft, dass es Jacob Grimm gelingen würde, uns rechtzeitig zu finden, sodass wir gemeinsam die neue Welt hätten betreten können. Unsere Bekanntschaft war nur kurz gewesen, nicht einmal eine Stunde lang, trotzdem dachte ich oft an ihn. Nicht nur wegen seines Bruders, sondern auch weil ich zwischen uns eine Vertrautheit empfunden hatte. Es war nicht wie bei Dorian, dem ich auf den ersten Blick verfallen war, sondern mehr eine Verbundenheit der Seelen. Jacob war mir gegenüber ehrlich gewesen, während ich ihn belogen und behauptet hatte, ein Kind zu erwarten. Ohne mich zu kennen, hatte er mir genug Vertrauen entgegengebracht, um das Wichtigste bei mir in Obhut zu geben, das er hatte – Wilhelm. Er hatte nichts von der Prophezeiung über mich gewusst, von dem Unheil, das ich über die Welt bringen würde. Er hatte mich so gesehen, wie ich jetzt war – und das, obwohl ich nicht einmal mehr eine Seele besaß. Irgendwann würde der Tag kommen, an dem der Teufel mich spüren ließ, was es bedeutete, einen Handel mit ihm eingegangen zu sein. Er war geduldig, da Zeit für ihn keine Rolle spielte. Jahre könnten vergehen, sodass ich mich in Sicherheit wiegen würde und beinahe vergessen hätte, was einst inmitten der Sieben Weltmeere geschehen war. Vielleicht wartete er nur auf den richtigen Augenblick. Dann, wenn ich am wenigsten mit ihm rechnete. Diese Ungewissheit legte sich wie ein schwarzer Schatten über mein Herz. Er dämpfte meine Hoffnung und schürte meine Angst. Am Abend des zweiten Tages, als die Sonne bereits zu sinken begann, erreichten wir die Wolken. Sobald wir sie durchbrachen, waren wir wie in einen dichten Nebel gehüllt, der uns das Vorankommen erschwerte. Wir konnten nicht weiter sehen als von einem Blatt zum nächsten. Vorsichtig setzten wir einen Fuß vor den anderen und versuchten trotz der Erschöpfung, nicht unsere Konzentration zu verlieren. Nur ein unbedachter Schritt konnte unseren Tod bedeuten. Wir hatten nun seit fast achtundvierzig Stunden nichts mehr gegessen oder getrunken. Dorian mochte das nichts ausmachen, aber meine Kehle fühlte sich so rau wie Schleifpapier an. Kopfschmerzen plagten mich und ich war wacklig auf den Beinen. Plötzlich hielt Dorian an. Direkt vor ihm, mitten im Baumstamm, befand sich eine massive Tür. Mein Herzschlag beschleunigte sich und Euphorie bahnte sich einen Weg durch meinen Körper, wenn ich mir vorstellte, dass uns dahinter das Ziel unserer Reise erwarten würde – die Erdenmutter. Wir brauchten nur die Klinke hinunterzudrücken und schon wären wir bei ihr. Dorian drehte sich zu mir um und schenkte mir ein glückliches Lächeln. Wir hatten es geschafft. All die Strapazen waren nicht umsonst gewesen. Wir würden unsere Welt bekommen. Er legte bedeutungsschwer seine Finger um den Messinggriff, holte noch einmal tief Luft und drückte ihn dann hinunter. Er drückte dagegen und zog daran, doch nichts tat sich. Auf die Zuversicht folgte die ernüchternde Wahrheit, dass die Tür verschlossen war. Warum hätte es auch einmal leicht sein sollen?, dachte ich zynisch. Wer auch immer die Fäden des Schicksals zog, ihm schien es große Freude zu bereiten, uns immer wieder vor neue Herausforderungen zu stellen. Noch bevor Dorian den Mund aufmachte, wusste ich bereits, was er von mir verlangen würde. »Schau in den Beutel. Vielleicht können wir die Tür mit einem der Gegenstände öffnen.« Schon drei Mal hatte ich mein Versprechen an Jacob gebrochen. Den Teller, die Samen und das Messer hatte ich bereits verloren. Er hatte mir eingeschärft, dass die Erdenmutter uns ihre Hilfe nur dann gewähren würde, wenn ich alle sieben Gaben überreicht hatte. Noch besaß ich mehr als die Hälfte der Dinge. Während ich zögerte, veränderte sich auf einmal die Luft um uns herum. Ein kühler Wind zog auf, der es beinahe unmöglich machte, sich auf dem Blatt zu halten. Dorian klammerte sich an den Türgriff, welcher unseren einzigen Halt darstellte, und zog mich beschützend an sich. Der Nebel wurde hinfort geweht, stattdessen peitschten uns eisige Regentropfen ins Gesicht. Das Rauschen des Meeres war plötzlich zu hören, als wäre der Wal nun tatsächlich untergetaucht und brächte uns den Fluten wieder näher. Eine gewaltige Welle schwappte wie aus dem Nichts über uns hinweg und hätte uns fast von den Füßen gerissen. Keuchend klammerte ich mich an Dorian. »Mary, gib mir die Gabel«, schrie er mich an. Sie war einer der Gegenstände aus dem Sack. Ich rang mit mir und wusste nicht, was ich tun sollte. »Es gibt kein Zurück«, brüllte er verzweifelt. »Wir müssen durch diese Tür, sonst werden wir ertrinken.« Wie zur Bekräftigung seiner Worte traf uns die nächste Welle. Sie war noch stärker als die vorherige. Ich hätte mich niemals allein gegen sie stemmen können. Ohne Dorian hätte sie mich hinfort gerissen. Wenn wir überleben wollten, hatten wir keine Wahl. Ich griff in den Sack und reichte Dorian die silberne Gabel. Ohne Zögern steckte er die Zacken in das Schlüsselloch, welches sich daraufhin drehen ließ. Als Dorian dieses Mal die Klinke hinunterdrückte, gab die Tür nach und ließ uns ein. Ich wollte die Gabel wieder herausziehen, um sie mitnehmen zu können, doch sie steckte fest. Vor der Tür brauste weiterhin das Meer. Eine dritte Welle erfasste uns und schleuderte uns in das Innere. Aber nicht sie war es, die mich letztlich überzeugte, sondern die Frauenstimme, welche aus weiter Ferne zu singen begann. Ich konnte die Worte nicht verstehen, aber sie klangen lockend, so als wollte sie, dass wir den Weg zu ihr fanden. Schnell stemmte ich mich gegen die Tür und schloss sie. Der Sturm konnte uns nun nichts mehr anhaben, doch mit ihm verstummte auch der Gesang. Verunsichert drehte ich mich zu Dorian, der mich tröstend in eine Umarmung zog. Er sah, wie sehr ich darunter litt, dass ich mein Wort gebrochen hatte. »Nicht alle Versprechen können gehalten werden«, flüsterte er mir einfühlsam zu, bevor er mich wieder losließ und wir sahen, wo wir gelandet waren. Es war längst nicht das Ende unserer Reise. Nicht die Erdenmutter erwartete uns, sondern eine weitere Herausforderung. Wir befanden uns in einem steinernen Turm und vor uns erstreckten sich unzählige Stufen. Am liebsten hätte ich vor Enttäuschung zu weinen begonnen. Je mehr Zeit verging, desto schlechter wurde meine Laune und meine Erschöpfung nahm zu. Ich konnte vor lauter Durst nicht mehr klar denken. Ein pochendes Hämmern hatte sich in meinem Kopf eingenistet, das mir die Sicht erschwerte. Ständig verschwamm alles vor meinen Augen und meine Beine verweigerten mir den Dienst. Seit vier Tagen hatte ich nichts mehr getrunken und ich konnte nicht sagen, wie lange ich noch durchhalten würde. Jede weitere Minute erschien mir schon unerträglich. Dorian hatte mir angeboten, mich zu tragen, doch das hätte bedeutet, dass er den Glassarg hätte absetzen und zurücklassen müssen. Auch wenn er behauptet hatte, dass er ihn später holen könnte, wollte ich das Risiko nicht eingehen. »Was ist, wenn der Turm niemals endet?«, entfuhr es mir irgendwann leise, als ich mich kraftlos zu Boden sinken ließ. Selbst das Sprechen tat weh, weshalb ich es in den letzten beiden Tagen weitestgehend vermieden hatte. Wir waren hier zwar sicher vor Dracula und auch sonst lauerten keine Gefahren in dem Gemäuer, aber es war ungemein deprimierend, immer weiter Treppen emporzusteigen, ohne auch nur eine Veränderung festzustellen. Zwar gab es Fenster, aber wenn wir hinausblickten, sahen wir nichts als Wolken. Es wurde weder Tag noch Nacht. Alles war grau und trist. Obwohl wir unserem Ziel näher als je zuvor waren, fühlte es sich unerreichbar an. Dorian kniete sich vor mir nieder und legte seine Hände behutsam um meine Oberarme. »Du darfst den Glauben nicht verlieren«, bat er mich eindringlich. Er hatte als Vampir leicht reden. Wie lange mochte es bei ihm wohl dauern, bis er verdurstete? »Ich kann nicht mehr«, brachte ich mühsam hervor. Ich spürte, wie sich mir der Hals zuschnürte und Tränen in meine Augen traten. Ich durfte jetzt nicht weinen, denn das würde meinem Körper nur noch mehr Flüssigkeit entziehen. Verzweifelt blinzelte ich dagegen an, aber damit machte ich es nur noch schlimmer. Ein verzweifeltes Schluchzen entwich meiner Kehle. »Nicht«, bat...



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