E-Book, Deutsch, Band 26, 180 Seiten
Reihe: Die Grimm-Chroniken
Shepherd Krieg der Farben
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7521-3995-2
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, Band 26, 180 Seiten
Reihe: Die Grimm-Chroniken
ISBN: 978-3-7521-3995-2
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Drei Farben, die über das Schicksal der Welt entscheiden. Zwei Schwestern, die um Leben und Tod kämpfen. Ein Labyrinth, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. Einst symbolisierten Margery und die Sieben das Gute, doch nun stellen sie sich gegeneinander. Kann jemand, der den Tod eines anderen will, wahrhaft gut sein? Ist jemand böse, nur weil er überleben will? Wenn sich das Gute nicht mehr vom Bösen unterscheiden lässt, steht das Ende bevor. In einem letzten Kampf zwischen Mutter und Tochter zeigt sich, ob dieses Märchen gut ausgeht.
Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Kindern und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher. Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren. 2019 gewann Maya Shepherd mit den Grimm-Chroniken den Skoutz-Award in der Kategorie "Fantasy".
Autoren/Hrsg.
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Holz gegen Stein
Mittwoch, 31. Oktober 2012 Labyrinth der Königin, dritter Ring Kratzer überzogen Philipps Gesicht und seinen Oberkörper, welche die Tauben ihm zugefügt hatten. Nur mit Mühe und dank seines Schwertes war es ihm gelungen, den aggressiven Tieren zu entkommen. Wie Bestien hatten sie sich auf ihn gestürzt und es dabei vor allem auf seine Augen abgesehen. Blind hatte er sich vorwärts kämpfen und seine Waffe führen müssen, ohne zu wissen, wie lange dieser Teil des Albtraums noch andauern würde. Sobald er den Wald hinter sich hatte und die Vögel von ihm abließen, traten ihm Tränen der Erleichterung in die Augen. Er war sich nicht sicher gewesen, ob er es schaffen würde. Sein weißes Hemd hing ihm in Fetzen über die Brust und war von seinem Blut getränkt. Aber er hatte überlebt. Das war alles, was zählte. Jeder Schritt in diesem Labyrinth brachte ihn ein Stückchen näher zu Ember. An diese Hoffnung klammerte er sich. Er verdrängte den Gedanken, dass ihr etwas geschehen könnte. Sie war stark, mutig und intelligent. Niemals würde sie sich von ein paar Tauben unterkriegen lassen. Vermutlich hatte sie das Ende längst erreicht und wartete dort auf ihn. Nein, sie würde nach ihm suchen und irgendwann mussten sie sich finden. So und nicht anders musste es sein. Viel Zeit zum Verschnaufen blieb ihm nicht. Kaum dass er den Schock abgeschüttelt hatte, knickte der Weg nach rechts ab und vor ihm erstreckte sich ein breiter Gang, zu beiden Seiten flankiert von Statuen. Es waren Gänse, Pferde, spärlich bekleidete Damen und noch viele andere Skulpturen in Lebensgröße. Sie reihten sich mit einigen Schritten Abstand aneinander. Ihre steinerne Haut glänzte im Mondlicht weiß wie Alabaster. Gewiss waren die Figuren nicht grundlos an dieser Stelle positioniert worden. Eine weitere Aufgabe erwartete den Prinzen. Langsam ging er weiter und schaute sich nach einem Schild, einer Papierrolle oder einem Umschlag um. Irgendetwas, das ihm Aufschluss darüber geben würde, was von ihm verlangt wurde. Unsicher ließ er seinen Blick über die Statuen gleiten, die alle so detailgetreu ausgearbeitet waren, dass sie beinahe lebendig erschienen. Er wartete nur darauf, dass eine der holden Jungfrauen ihm zuzwinkerte oder ihn mit einem koketten Lächeln beehrte. Aber ihre Augen waren starr, so wie der Rest ihrer Körper. Eine beängstigende Stille lag über ihm, die nur von Philipps eigenem Atem unterbrochen wurde. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust und er hielt sein Schwert vor sich, nur um sicherzugehen. Mit zum Zerreißen gespannten Nerven ging er weiter und wartete nur darauf, dass irgendetwas passierte. Er beachtete die einzelnen Figuren kaum noch, als auf einmal hinter ihm ein lautes Knurren erklang. Erschrocken wirbelte er herum und sah sich einem schneeweißen Löwen gegenüber. Er bewegte sich etwas steif, als wären seine Knochen eingerostet. Hinter ihm stand ein leerer Sockel, wo er zuvor noch gesessen haben musste. Durch sein Alabasterfell zogen sich Risse und winzige Gesteinsbrocken rieselten herab, während das Tier ihn nicht aus den Augen ließ. Unter der steinernen Oberfläche kam ein schwarzer Körper zum Vorschein. Ein lautes Brüllen erschütterte Philipp und als er dem Geräusch folgte, entdeckte er einen weiteren Löwen, der sich genau wie sein Gegenstück auf den Prinzen zubewegte. Synchron schüttelten sie sich und befreiten sich von dem Stein. Schwarz glänzendes Fell zog sich über ihre lebendigen Körper. So leicht wurde aus Weiß Schwarz. Das erinnerte Philipp an Margery, die ebenfalls ihre Farbe gewechselt zu haben schien. »Bleibt mir vom Leib«, rief er den Raubkatzen zu, die um ihn herumschlichen und mit einem zornigen Fauchen reagierten. Philipp musste jederzeit mit einem Angriff rechnen. Die Frage war nur, welcher Löwe den Anfang machen würde. Mit erhobenem Schwert drehte er sich im Kreis und folgte den Bewegungen der Tiere, die ihm immer näher kamen. Warum hatten nicht zwei der hübschen Frauen lebendig werden können? Mit ihnen wäre er sicher leichter fertiggeworden. Auch Scherze halfen ihm nicht, als der erste Löwe auf ihn zujagte. Gerade so schaffte Philipp es, ihm auszuweichen, da folgte bereits der nächste. Dieses Mal holte der Prinz mit seinem Schwert aus und registrierte mit Genugtuung, dass die Klinge ihr Ziel nicht nur streifte, sondern auch zu verletzen mochte. Das Tier brüllte vor Schmerz und Wut und stürzte sich erneut auf ihn. Mit gefletschten Zähnen schnappte es nach dem Prinzen, der es mit seiner Waffe auf Abstand hielt. Von hinten griff ihn der zweite Löwe an und verpasste ihm mit seiner Pranke einen tiefen Kratzer am Bein. Philipp schrie und zwang sich, Haltung zu wahren. Er durfte keine Schwäche zeigen. Anstatt zu fliehen, stellte er sich dem Kampf und schwang sein Schwert von der einen zur anderen Bestie. Er ließ ihnen keine Chance, näher zu kommen, und traf einen Löwen am Auge. Fauchend wich dieser zurück und ermöglichte Philipp dadurch, aus dem Kreis auszubrechen, den die Tiere um ihn gezogen hatten. Schnell suchte er hinter der Statue eines Pferdes Deckung und konnte nur hoffen, dass diese nicht auch zum Leben erwachen würde. Die Raubtiere kamen ihm nach, dieses Mal jedoch nicht von zwei Seiten, sondern vereint. Das machte es für den Prinzen leichter, sich gegen sie zu verteidigen. Mit einer schmerzenden Wade hievte er sich auf den Sockel und wehrte den Angriff eines Löwen von oben ab. Er kletterte auf den Rücken des steinernen Pferdes und stieß sein Schwert in die Flanke des anderen Löwen. Dieser jaulte auf und zuckte zusammen, bevor sein Körper erschlaffte. Stein, schwarz wie Onyx, nahm ihn in Beschlag. Philipp blieb keine Zeit, die Verwandlung zu beobachten, da das andere Tier ihn erneut attackierte. Nur knapp verfehlte es Philipps unverletztes Bein. Dieser ließ sich auf der anderen Seite der Statue heruntergleiten und humpelte zu einer der Frauen. Der Löwe setzte ihm nach, genau wie der Prinz es vermutet hatte. Sobald das Tier ihn fast erreicht hatte, gab er der Figur einen kräftigen Stoß. Diese fiel um, aber die Raubkatze sprang rechtzeitig zur Seite. Mit ihren scharfen Zähnen schnappte sie nach Philipp. Er schaffte es nicht, ihr auszuweichen, und das Maul der Bestie kam ihm bedrohlich nahe. Dies nutzte er zu seinem Vorteil, indem er seine Waffe gegen sie richtete. Kaum dass die Klinge sich in den Hals des Tieres bohrte, ließ dieses wimmernd von ihm ab. Der Schmerz wandelte sich jedoch sogleich in Zorn. Angeschlagen jagte es Philipp nach, als dieser zu dem leeren Sockel hastete, auf dem zuvor einer der Löwen gethront hatte. Der Löwe sprang darauf und in dem Moment stieß Philipp ihm von unten sein Schwert in den Kopf. Das Tier war augenblicklich tot. Das Leben erlosch in seinen Augen und es erstarrte zu Stein. Keuchend ließ Philipp sich zu Boden gleiten und besah sich die Wunde, die der Löwe ihm am Bein zugefügt hatte. Es war nur ein Kratzer, aber er brannte entsetzlich und tränkte den Stoff seiner Hose mit Blut. Sein Hemd war ohnehin zerfetzt, deshalb riss er sich einen Stoffstreifen davon ab und wickelte diesen fest um seine Wade. Furchtsam schaute er zu den Statuen, an denen er noch nicht vorübergekommen war. Da waren noch zwei Stiere, Hunde mit drei Köpfen und ein Ritter. Philipp wusste nicht, was davon ihm am liebsten wäre. Am besten blieben sie alle aus Stein, aber das bezweifelte er. Zumindest wusste er nun, was ihn erwartete. Er ignorierte den Schmerz, der durch sein Bein schoss, als er sich wieder hinstellte und humpelnd seinen Weg fortsetzte. Ängstlich betrachtete er die spitzen Hörner der Stiere, als er diese passierte. Es wäre ihnen ein Leichtes, ihn aufzuspießen. Der Kampf mit den Löwen hatte ihn an seine Grenzen gebracht. Vielleicht würde er gegen die Stiere nicht bestehen. Doch auch als er ein paar Schritte an ihnen vorbeigegangen war, bewegten sie sich nicht. Erleichtert atmete er auf und widmete sich den Hunden. Es waren insgesamt vier mit jeweils drei Köpfen, also insgesamt zwölf Mäuler, die nach ihm schnappen würden. Hunde waren nicht so stark wie Löwen, dafür aber agiler. Sie würden ihn angreifen, noch bevor er es kommen sah. Er richtete sein Schwert von einem auf den anderen, als er langsam durch ihre Mitte schritt. Ihre Alabasterhaut zeigte keinerlei Risse. Blieb nur noch der Ritter, der direkt mit zwei Schwertern bewaffnet war und nicht nur einen Helm, sondern auch eine Rüstung trug – ein unfairer Kampf. Aber lieber stellte Philipp sich dem Kampf mit einer Waffe als der Unberechenbarkeit eines Tieres. Er baute sich vor der Statue auf und rechnete damit, dass diese jeden Augenblick zum Leben erwachen würde, doch ihre Augen blieben starr und ausdruckslos. Herausfordernd tippte der Prinz mit seiner Klinge gegen den Stein, aber auch dies erweckte die Figur nicht zum Leben. Philipp trat zurück und konnte kaum glauben, dass es ihm gelungen sein sollte, auch dieses Hindernis erfolgreich zu überwinden. Rückwärts ging er weiter und brachte Abstand zwischen sich und den Ritter, immer noch in der Erwartung, dass dieser sich gleich auf ihn stürzen würde. Er stieß gegen die Hecke und bemerkte, dass der Weg nach links abging. Dort erblickte er eine weitere Statue, die ihm den Atem stocken ließ, und er wusste instinktiv, dass die Prüfung längst nicht bestanden war, weil er soeben seinen nächsten Gegner entdeckt hatte. Ein gewaltiger Drache. Seine...