E-Book, Deutsch, 216 Seiten, Format (B × H): 1150 mm x 185 mm, Gewicht: 205 g
Silo Die Erde menschlich machen
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-907127-10-0
Verlag: Edition Pangea
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 216 Seiten, Format (B × H): 1150 mm x 185 mm, Gewicht: 205 g
ISBN: 978-3-907127-10-0
Verlag: Edition Pangea
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Silo ist das Pseudonym von Mario Luis Rodríguez Cobos. Er wurde am 6. Januar 1938 in Mendoza, Argentinien, geboren, wo er bis zu seinem Tode 2010 lebte. Seine Werke umfassen ein breites Spektrum, das von Philosophie über Psychologie, Soziologie, Mythologie bis hin zur Fiktion und Spiritualität reicht. Er ist u.a. Verfasser der Werke Der Innere Blick (1972), Die Innere Landschaft (1981) und Die Menschliche Landschaft (1988), die später in der Trilogie Die Erde menschlich machen (1989) veröffentlicht wurden. Später verfasste er Geleitete Erfahrungen (1988), Beiträge zum Denken (1988), Universelle Wurzelmythen (1990), Der Tag des geflügelten Löwen (1991), Briefe an meine Freunde (1993), Silo spricht (Vorträge 1969 - 1995), Wörterbuch des Neuen Humanismus (1996), Silos Botschaft (2002 und 2007) sowie Notizen zur Psychologie I - IV (1975 - 2006). Seine Schriften erschienen als Gesammelte Werke I und II erstmals 2002 in Mexiko. Er gilt als Gründer der international als Neuer Humanismus (oder auch Universalistischer Humanismus) bekannten Denkströmung sowie als Wegbereiter einer neuen Spiritualität, welche die auf Gewaltfreiheit basierende, gleichzeitige persönliche Entwicklung und gesellschaftliche Veränderung hin zu einer 'universellen menschlichen Nation' fördert.
Weitere Infos & Material
Vortrag anlässlich der Vorstellung des Buches
Die Erde menschlich machen
Bei der vorliegenden Arbeit, Die Erde menschlich machen, handelt es sich in Wirklichkeit um eine Zusammenstellung von drei Büchern. Das erste davon, Der Innere Blick, wurde 1972 beendet und 1988 überarbeitet. Das zweite, Die Innere Landschaft, wurde 1981 fertiggestellt und 1988 einigen Veränderungen unterzogen. Die menschliche Landschaft schließlich wurde 1988 verfasst. Es handelt sich somit um drei Werke, die zu verschiedenen Zeitpunkten geschrieben wurden. Dennoch stehen sie – wie wir später sehen werden – auf verschiedene Art und Weise zueinander in Beziehung. Darüber hinaus weisen sie eine kontinuierliche Entwicklung auf und stehen in einer Abfolge. Wenn es erlaubt ist, würde ich das Werk zunächst gerne vom formalen Standpunkt aus betrachten.
Es handelt sich um drei in poetischer Prosa geschriebene Bücher, die in Kapitel aufgeteilt sind, welche sich ihrerseits in nummerierte Absätze gliedern. Diese Unterteilung hat in Verbindung mit dem sehr häufig vorkommenden appellierenden Stil dieser Schrift sowie der Art der behandelten Themen dazu geführt, dass einige Kritiker das Werk in die Gattung der mystischen Literatur einordneten. Selbstverständlich habe ich nichts gegen diese Klassifikation einzuwenden, aber ich glaube, dass die aufgeführten Elemente dafür nicht ausreichen.
Das erste in dieser Kritik verwendete Kriterium, die Unterteilung in nummerierte Absätze, findet sich üblicherweise in vielen Werken der mystischen Literatur. So finden wir diesen Stil in den biblischen Versen oder in den Suren des Koran oder in den Yasnas und Fargards der Avesta oder schließlich auch in den Upanishaden. Wir müssen allerdings auch festhalten, dass es andere Werke dieser Gattung gibt, die von diesem Schema völlig abweichen, während sich andererseits viele juristische Schriften finden, die auf eben diese Weise eingeteilt sind. Tatsächlich sind die zivil-, straf- und verfahrensrechtlichen Gesetzbücher in Sektionen, Titel, Artikel, Absätze usw. gegliedert. Ähnlich ist es bei Werken, die aus dem Bereich der Mathematik und der Logik stammen. Wer in Russels Principia oder Wittgensteins Tractatus nachschlägt, wird mit uns übereinstimmen, dass es sich dabei nicht gerade um mystische Werke handelt.
Untersuchen wir das zweite Kriterium, den appellierenden Stil der Schrift, der in Form von Aufforderungssätzen (im Unterschied zu den Aussagesätzen) zu Tage tritt, die keinem Wahrheitsbeweis unterworfen werden können. Dies kommt in vielen Werken der religiösen Literatur häufig vor, aber auch in anderen, die nicht zu dieser Gattung gehören. Andererseits treten die Aussprüche nicht ausschließlich in Aufforderungsform auf, sondern werden oft genauer besprochen, wobei dem Leser die Möglichkeit gegeben wird, anhand seiner eigenen Erfahrung die Gültigkeit des Dargelegten zu überprüfen. Damit will ich sagen, dass wenn man dieses Werk als „mystisch“ einstuft und dabei in Wirklichkeit indirekt auszudrücken versucht, dass es sich um ein „dogmatisches“ Werk handle, so sind die dazu angeführten Kriterien nicht geeignet.
Das dritte Kriterium, dass sich auf einige der behandelten Themen bezieht, scheint Verbindungen zur Religion herzustellen: Tatsächlich wurden Themen wie der „Glaube“, das „Nachsinnen“, der „Sinn des Lebens“ usw. von den Religionen behandelt, aber auch von Dichtern und Denkern, die sich mit grundlegenden Fragen des Menschen beschäftigten, denen dieser sich in seinem alltäglichen Dasein gegenübergestellt sieht.
Es wurde auch gesagt, dieses Werk hätte philosophischen Charakter. Aber jeder, der sich in seine Seiten vertieft, wird feststellen, dass es keinerlei Ähnlichkeit mit Texten dieser Art, geschweige denn mit einer streng systematischen Abhandlung aufweist. Die Menschliche Landschaft, das dritte Buch dieses Werkes, verleitet am stärksten zu diesem Einordnungsfehler. In diesem Buch wurde auch eine soziologische oder psychologische Schrift gesehen, obwohl all das in Wirklichkeit fern jeder Absicht des Autors gelegen hat. Was wir nicht leugnen können, ist die Tatsache, dass über das ganze Werk hinweg Beurteilungen gemacht werden, die in den Bereich dieser Disziplinen fallen. Das kann auch nicht anders sein, wenn man Situationen darzustellen versucht, in welchen sich das menschliche Leben entfaltet. Zu sagen, dass einige Themen von einem psychologischen, soziologischen, philosophischen oder gar mystischen Blickwinkel aus angegangen werden, wäre also völlig richtig, und ich gebe das selbstverständlich zu. Das Werk aber spezifisch irgendeiner dieser genannten Formen zuzuordnen, scheint nicht korrekt. Letzten Endes wäre ich schon zufrieden, wenn man einfach sagen würde, dass diese Arbeit verwirklicht wurde, ohne an eine festgelegte Zuordnung zu denken und dass sie die allgemeinsten, am weitesten gefassten Themen hervorhebt, auf die ein Mensch im Laufe seines Lebens trifft. Und wenn man von mir eine Art Definition verlangte, so würde ich sagen, es handle sich um ein Werk des Denkens über das menschliche Leben, das in poetischer Prosa abgefasst ist. Nachdem wir diese kurze Diskussion bezüglich der formalen Aspekte abgeschlossen haben, wollen wir jetzt zum eigentlichen Thema kommen.
Das erste Buch mit dem Titel Der Innere Blick handelt vom Sinn des Lebens. Das Hauptthema, das studiert wird, ist der Zustand des Widerspruchs. Dabei wird erklärt, dass die Registrierung, die man vom Widerspruch im Leben hat, das Leiden ist; dass die Überwindung des geistigen Leidens in dem Maße möglich ist, wie das eigene Leben in Richtung nicht-widersprüchlicher Handlungen ausgerichtet wird und dass es diese Handlungen sind, die über das Persönliche hinausgehen und auf positive Weise auf andere Menschen gerichtet sind. Zusammengefasst: Der Innere Blick handelt von der Überwindung des geistigen Leidens, indem man die eigenen Handlungen auf die gesellschaftliche Welt richtet, auf die Welt der anderen Menschen – vorausgesetzt, diese Handlungen werden als nicht-widersprüchlich empfunden. Der Text dieses Buches ist oft schwer zu durchdringen, und zwar aufgrund der großen Menge an Allegorien und Symbolen, die in Form von Wegen, Stätten und fremdartigen Landschaften erscheinen, durch die eine Person entsprechend ihrer Lebenssituation schreitet. Eines der wichtigsten Sinnbilder ist das des Baumes – dieser alte Baum des Lebens, der in der Kabbala erscheint ebenso wie in den Schöpfungs-Legenden der Makiritare-Ureinwohner, die den Ye‘kuana-Kult in den Dschungelgebieten Amazoniens praktizieren. Es ist der Weltenbaum, welcher den Himmel und die Erde verbindet und der in eurer isländischen Völuspa Yggdrasil genannt wird. In diesem Buch gibt es also eine Art Lageplan oder Landkarte der inneren Zustände, in denen sich ein Mensch in einem bestimmten Moment seines Lebens befindet. Die Zustände der Verwirrung, der Rache oder der Verzweiflung erscheinen in der Lage der Wege und Stätten versinnbildlicht, die im Yggdrasil des Inneren Blicks durchlaufen werden. Man findet dort aber auch die Auswege aus den widersprüchlichen Situationen – die Hoffnung, die Zukunft, die Freude, kurz gesagt: den Zustand innerer Einheit oder des Nichtwiderspruchs. In diesem Buch finden wir auch einen Teil, der den Grundsätzen der gültigen Handlung gewidmet ist. Dabei handelt es sich um eine Gesamtheit von Empfehlungen oder Sinnsprüchen zur Erinnerung an bestimmte Gesetzmäßigkeiten des Verhaltens, die dazu beitragen, ein einheitliches und sinnerfülltes Leben zu erlangen. Da auch diese Grundsätze vom allegorischen Stil des ganzen Buches geprägt sind, besitzen sie einen metaphorischen Charakter. Ich möchte ein paar Beispiele zitieren: „Wenn für dich Tag und Nacht, Sommer und Winter gleich gut sind, dann hast du die Widersprüche überwunden.“; „Widersetze dich nicht einer großen Kraft. Weiche zurück, bis sie schwächer wird, dann aber gehe mit Entschlossenheit voran.“ Ähnliche Empfehlungen finden wir zum Beispiel im Havamal, in dem gesagt wird: „Der taktvolle Mensch sollte seine Kraft abschätzen können; wenn es Tapfere gibt, kommt man nicht gegen alle an…“ Die Grundsätze sind in Wirklichkeit eine Art Verhaltensgesetze, aber sie sind nicht im Sinne von moralischen oder gesetzlichen Vorschriften gedacht, sondern fast wie Kräftekonstanten, die als Aktion oder Reaktion wirken, je nachdem, wie sich der Handelnde platziert.
Das zweite Buch, Die Innere Landschaft, setzt den Stil des ersten fort, wobei hier weniger Gebrauch von Allegorien und Symbolen gemacht wird. Die Beschreibung verlagert sich allmählich nach außen, auf die Welt der kulturellen Werte, mit immer deutlicher werdender Bezugnahme auf den gesellschaftlichen Bereich. Zu Beginn dieses zweiten Buches kann man lesen: „… Spring über dein Leiden hinweg. Dann wird nicht der Abgrund, sondern das Leben in dir wachsen. Es gibt keine Leidenschaft, keinen Gedanken und keine menschliche Handlung, die nicht auch den Abgrund kennen. Daher...




