Simchen | Verunsichert, ängstlich, aggressiv | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 188 Seiten

Simchen Verunsichert, ängstlich, aggressiv

Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen - Ursachen und Folgen
überarbeitete Auflage
ISBN: 978-3-17-044880-3
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen - Ursachen und Folgen

E-Book, Deutsch, 188 Seiten

ISBN: 978-3-17-044880-3
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Länger bestehende Verhaltensstörungen entwickeln bei Kindern und Jugendlichen eine besondere Dynamik, die die Qualität und Entwicklung ihres gesamten Lebens beeinflussen kann. Ängste und Aggressionen signalisieren oft den Beginn einer psychischen Destabilisierung und können den Weg zum stummen oder oppositionellen Außenseitertum bahnen. Häufig führt die Summe vieler Belastungsfaktoren zu psychischen Störungen. Dieses Buch zeigt auf, wie Verhaltensstörungen in der Familie, in der Schule und im sozialen Umfeld frühzeitig erkannt und ursachenorientiert behandelt werden können. Die 2. Auflage wurde nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen überarbeitet.

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1 Ängstlich und aggressiv als Kind – psychisch krank als Erwachsener
1.1 Die Kindheit prägt unser Verhalten
Die meisten Kinder und Jugendlichen mit Verhaltensproblemen suchen in ihrem Elternhaus oder in der Schule nach den Ursachen ihrer Unzufriedenheit mit sich selbst, um ihre über Jahre bestehende Hilflosigkeit zu überwinden. Aus Selbstschutz und zur eigenen psychischen Entlastung richten sie gegen andere in ihrem persönlichen Umfeld Schuldzuweisungen. Bisher wurde, ausgehend von den Thesen der Psychoanalyse, eine von den Eltern ausgehende Beziehungsstörung als Hauptursache für psychische Auffälligkeiten im Kindesalter angesehen. Die Grundlagen dieser Theorie wurden vor gut 100 Jahren von Sigmund Freud formuliert, dessen Konzept auf dem sog. »Ödipus-Komplex« basiert. Dieser sieht, kurz gesagt, in der Rivalität von Mutter und Tochter um die Zuneigung des Vaters und der Rivalität zwischen Vater und Sohn um die Gunst der Mutter die Ursache für die Entwicklung einer gestörten Eltern-Kind-Beziehung mit den verschiedensten Folgen. Die aktualisierte Grundidee der Psychoanalyse ist, dass viele psychische Probleme auf unbewussten Konflikten, verdrängten Emotionen und frühen Erfahrungen beruhen, die in der Therapie aufgedeckt und somit behandelt werden. Die neurobiologisch orientierte Forschung der letzten Jahrzehnte zeigt jedoch immer deutlicher, dass Beziehungsstörungen durch Verhaltensauffälligkeiten der Kinder und Jugendlichen selbst – in Wechselwirkung mit ihrem häufig ebenfalls verhaltensauffälligen Umfeld – entstehen. Dabei beeinflusst die »besondere« Art der Verarbeitung von Wahrnehmungen und Informationen die Entwicklung von Selbstwertgefühl und Sozialverhalten. Eine meist angeborene Regulationsstörung erschwert es den Kindern von klein auf, den Anforderungen, die an sie gestellt werden und die sie an sich selbst stellen, gerecht zu werden. Die Betroffenen sind durch Überforderung ständigen Enttäuschungen ausgesetzt, sowohl im Leistungs- als auch im sozialen Bereich. Das vorwiegend erfolglose Streben nach gewünschter Veränderung beeinträchtigt ihr Selbstwertgefühl und Verhalten. Das gezeigte Verhalten irritiert Eltern, Geschwister, Freunde, Klassenkameraden und Lehrer, die es sich nicht erklären können und als gegen sich gerichtet deuten. So entsteht ein Kreislauf, der vom betroffenen Kind keinesfalls so gewollt ist, und bei dem es selbst am meisten unter dem Gefühl der Hilflosigkeit und der Isolation leidet. Häufige Aussagen eines betroffenen Kindes lauten: »Alle sind gegen mich!«, »Niemand versteht mich!« oder »Mich mag sowieso keiner.« Die Betroffenen entwickeln je nach Veranlagung ängstliche oder aggressive Verhaltensweisen, die ohne Behandlung an Dauer und Intensität zunehmen, bis sie schließlich nicht mehr tolerierbar sind. 1.2 Reaktionen der Umgebung
Durch erzieherische Maßnahmen wie Nichtbeachtung unerwünschter Verhaltensweisen, ständiges Kritisieren, dauerndes Zurechtweisen oder gute Ratschläge (»Strenge dich mehr an!«, »Es geht schon, wenn du dir mehr Mühe gibst!«, »Du kannst es, wenn du willst!« usw.) fühlen sich viele Kinder noch ungerechter behandelt und überhaupt nicht mehr verstanden. Denn ihr Problem ist es gerade, dass ihnen die Änderung des Verhaltens trotz großer Bemühungen ohne Hilfe von außen nicht gelingt. Manche Kinder reagieren aggressiv, andere mit Rückzug oder mit verschiedenen Ängsten, je nach genetischer Veranlagung und Umwelteinfluss. Die Ängstlichen geben sich selbst für alles die Schuld, ziehen sich zurück und entwickeln Autoaggressionen. Sie leiden am meisten, was häufig von der Umwelt gar nicht bemerkt wird. Der oberflächliche Betrachter bemerkt wohl ihr introvertiertes Verhalten, ansonsten hinterlassen sie einen angepassten, liebenswerten und unauffälligen Eindruck, solange ihre Fähigkeit zur Kompensation ausreicht. Ist diese erschöpft, führen ihre aufgestauten Emotionen zu unerwartet heftigen Reaktionen, die den Beginn einer schweren psychischen Störung einleiten können. Die Aggressiven leiden psychisch weniger, sie reagieren ihren Unmut nach außen hin ab. Sie geben für ihr Verhalten als Selbstschutz den anderen die Schuld. Das wird noch durch ihren oberflächlichen Wahrnehmungsstil und durch ihre Fähigkeit, Unangenehmes auszublenden begünstigt. Deshalb können sie über lange Zeit die Reaktionen der Umwelt auf ihr Verhalten besser ignorieren oder verdrängen. Abb. 1.1:Von den Eltern mitgebrachte Zeichnungen von Kindern und Jugendlichen, die auf ein Aggressionspotenzial hinweisen 1.3 Dauerstress – Ursachen und Folgen
Aggressivität und Ängste als Folgen einer angeborenen Reifungsstörung mit veränderter Verarbeitung von Wahrnehmungen können Defizite im Leistungs- und Verhaltensbereich verursachen und so über einen langen Leidensweg zum Kindheitstrauma werden. Je schwerer die Störung der Wahrnehmungsverarbeitung ist, umso stärker wird die Entwicklung der Persönlichkeit beeinträchtigt, deren erste Anzeichen immer Verhaltensauffälligkeiten sind. Sie signalisieren den Beginn einer psychischen Störung, deren Ursachen beim Kind selbst oder in seinem sozialen Umfeld liegen. Beide beeinflussen sich gegenseitig und lösen im Körper Stressreaktionen aus. Jede schwere und anhaltende psychische Belastung erzeugt Dauerstress, der wiederum Körper und Psyche noch mehr belastet. Ständige Enttäuschungen beeinträchtigen das Selbstwertgefühl, verunsichern, verursachen Ängste oder Aggressionen – deren Folge eine psychisch instabile Persönlichkeit mit Dauerstress sein kann. Ein ständig erhöhter Spiegel an Stresshormonen im Blut verringert die Bildung von Serotonin, dem sog. »Wohlfühl- oder Glückshormon«, dessen Mangel wiederum zu Ängsten, Zwängen und Depressionen führt. 1.4 Was tun bei mangelhafter Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung?
»Auffälliges Verhalten« als Folge innerer Verunsicherung kann aber auch bedeuten, dass Kinder und Jugendliche eigentlich anders sein wollen, es aber aus vielerlei Gründen nicht können. Diesem Konflikt sind sie hilflos ausgesetzt und erleben ihn als sehr belastend. Meist können sie ihre Probleme nicht verbalisieren, weil sie diese selbst nicht verstehen. Deshalb sollte auffälliges Verhalten möglichst von Beginn an hinterfragt werden. Dazu muss nicht immer gleich ein Therapeut hinzugezogen werden, sondern die Eltern sollten mit den Lehrern und natürlich mit dem Kind nach den möglichen Ursachen suchen. Eltern und Lehrer sollten ihre Kompetenzen und Möglichkeiten, die Kinder im Leistungs- und Sozialverhalten zu beurteilen oder durch entsprechende Maßnahmen deren Verhalten zu beeinflussen, nutzen. Gelingt das nicht, sollte ein Neuropädiater, ein Kinder- und Jugendpsychiater oder -psychologe die möglichen Ursachen für das veränderte Verhalten erforschen. Es muss immer das Ziel sein, die Ursachen zu beseitigen. Da es aber noch viel zu wenige entwicklungsneurologisch ausgebildete Ärzte und Psychologen gibt, brauchen viele Betroffene eine Anleitung zur Selbsthilfe. Bei der Vielzahl der angebotenen Therapien ist es erforderlich, dass sich die Betroffenen zuerst ausführlich über mögliche Ursachen und deren therapeutische Maßnahmen informieren. Die Selbsthilfegruppen leisten hierbei eine hervorragende Arbeit und sollten neben dem Kinderarzt die ersten Ansprechpartner sein. 1.5 Wann sollte ein Verhaltenstherapeut befragt werden?
Jede Therapie sollte den Betroffenen als Ganzes in seiner bio-psycho-sozialen Einheit sehen und das soziale Umfeld mit einschließen. Bei allen psychischen und psychosomatischen Auffälligkeiten sind die Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls und der Leidensdruck der Betroffenen die wichtigsten Parameter für die Schwere der Symptomatik und entscheiden über die Dringlichkeit einer professionellen Hilfe. Ein gutes Selbstwertgefühl in der Kindheit zu erlangen, ist die wichtigste Voraussetzung für psychische Stabilität im Erwachsenenalter. Das Selbstwertgefühl entwickelt sich in der frühen Kindheit, etwa zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr, und ist später nur noch sehr schwer zu verändern, da es viele Denk- und Verhaltensweisen prägt, die sich dann einschleifen (automatisieren). Die Fähigkeit zur Gefühlssteuerung und somit auch zur Steuerung von aggressivem Verhalten kann sowohl angeboren als auch erworben sein. Entsprechende angeborene Störungen können in den ersten Lebensjahren schon beobachtet und erzieherisch beeinflusst werden. Es ist immer die Summe verschiedener Störungen, die die Entwicklung des Kindes traumatisch belasten und professionelle Hilfe erfordern. Eine...


Dr. med. Helga Simchen ist Kinderärztin, Neuropädiaterin, Kinder- und Jugendpsychiaterin, Psychotherapeutin sowie Verhaltens- und Familientherapeutin. Nach stationärer Tätigkeit als Oberärztin an einer Universitätsklinik war sie seit 1995 in eigener Praxis tätig.



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