E-Book, Deutsch, 219 Seiten, E-Book
Simon Selbstverantwortung im Unternehmen
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-648-13653-9
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Was Sie als Führungskraft dafür tun können
E-Book, Deutsch, 219 Seiten, E-Book
ISBN: 978-3-648-13653-9
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Joachim Simon ist Leadership-Experte und Führungskräfteentwickler. In seiner Arbeit führt er Menschen in die Selbstverantwortung und stärkt sie damit in ihrer Entscheidungsfindung, um selbst aktiv die Zukunft mitgestalten zu können. Mittlerweile hat Joachim Simon mit Tausenden Führungskräften aus den Branchen IT, Automotive, Chemie, Finanzen und Handel gearbeitet. Seinen Kunden bietet er absoluten Praxisbezug und messbare Ergebnisse. Er verschafft Klarheit und definiert die nächsten Schritte. Sein Wissen gibt Joachim Simon im Rahmen seiner Leadership-ID-Online-Academy sowie im Rahmen von Trainings, Coachings und Vorträgen sowie in zahlreichen Fachpublikationen weiter.
Autoren/Hrsg.
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Weitere Infos & Material
Perspektive 1: Selbstverantwortung - Worüber reden wir?
- Der Mensch - Zwischen Verantwortung, Helfersyndrom und Egoismus
- Unsere Freiheit - Der kurze Moment zwischen Reiz und Reaktion
- Wer war das? - Warum wir Verantwortung von Schuld trennen sollten
Perspektive 2: Die Psychologie der Selbstverantwortung
- Yes we can - Warum die einen jagen und die anderen die Flinte ins Korn werfen
- Empowerment - Die wichtigsten Voraussetzungen für kraftvolle Mitarbeiter
- Alt versus jung - Wer kann es besser?
Perspektive 3: Selbstverantwortung und Führung
- Leadership - Autorität trifft Verantwortung
- Du kannst, wenn du willst - Über Trainingsprogramme und Personal Mastery
- Sprache - Von Konjunktiven, Sarkasmus und verbalen Weichspülern
- Was ist, ist - Wie erfolgreiche Führungskräfte mit der Realität umgehen
- Ihre Leadership ID - Führungsstärke durch innere Klarheit
Perspektive 4: Selbstverantwortung und Organisation
- Ober sticht Unter? - Wie Sie mehr Demokratie entfalten
- Kultur entwickeln - Wichtig, wertvoll und gar nicht mal so weich
- Purpose schaffen - Wie Sie ein Unternehmen sinnvoll führen
- Ihr Mitarbeiter als Unternehmer - Wenn Träume wahr werden
1 Der Mensch – Zwischen Verantwortung, Helfersyndrom und Egoismus
Der Begriff der Selbstverantwortung ist relativ neu. Warum wurde er eingeführt und was macht ihn so wichtig? Verantwortung und Selbstverantwortung sind Geschwisterpaare. Das eine braucht das andere. Allerdings kann eine Führungskraft auch zu viel Selbstverantwortung und Verantwortung übernehmen. Manchmal kommen Führungskräfte auch in ein Verantwortungsdilemma: Halte ich mich an die Regeln und Vorgaben von oben und lasse mir nichts zuschulden kommen oder folge ich meinen Werten und habe dann ein reines Gewissen? Solche und weitere Fragen werden in diesem Kapitel geklärt.
Was bedeutet Verantwortung und Selbstverantwortung für Sie?
In der Vorbereitungsphase dieses Buches habe ich viele Interviews und Gespräche mit Unternehmern, Führungskräften, Freunden und Familienangehörigen geführt, um besser einschätzen zu lernen, was die Menschen eigentlich unter Verantwortung und Selbstverantwortung verstehen. Alle befanden Verantwortung und vor allem Selbstverantwortung für sehr wichtig, aber bemängelten zugleich ein Fehlen dieser Eigenschaften – bei Unternehmen, in der Politik, bei Mitarbeitern, Führungskräften oder einfach generell.
Zur Einstimmung in das Thema und zur persönlichen Verortung hier ein paar der mir gelieferten Antworten:
Verantwortung bedeutet/ist …
… wenn ich mich als Mutter darum kümmere, dass es meinen Kindern gut geht
… wenn ich als Chef für gute Arbeitsbedingungen für meine Mitarbeiter sorge
… wenn ich als Vorgesetzter für die Fehler meiner Mitarbeiter geradestehe
… das möglichst gut umzusetzen, was der Kunde mir aufträgt
… nicht nur auf sich zu schauen, sondern auch auf die anderen Menschen
… weniger Müll zu produzieren und weniger Fleisch zu essen
… nicht unbedingt das zu machen, was alle tun
… selbst nachzudenken
… wenn Mitarbeiter oder Azubis ihre Aufgaben zuverlässig bearbeiten und mitdenken
… entsprechend den 10 Geboten zu leben
… sich an die Führungsleitlinien zu halten
… zu seinen Fehlern zu stehen
… in Zeiten von Corona Social Distancing zu praktizieren
Was würden Sie antworten? Was bedeutet Verantwortung für Sie? Um sich auf das Buch einzustimmen, empfehle ich Ihnen, kurz innezuhalten und drei mit dem Thema Verantwortung verknüpfte Assoziationen zu notieren. Das hilft Ihnen im Verlauf des Buches, alle praktischen und theoretischen Überlegungen direkt an Ihre eigenen Erkenntnisse zu koppeln.
Verantwortung bedeutet/ist für mich …
Meine Frage nach Selbstverantwortung wurde u. a. wie folgt beantwortet:
Selbstverantwortung bedeutet/ist …
… mich gesund zu ernähren/auf meine Gesundheit zu achten
… nicht alles stumpf nach Vorschrift zu tun
… die Schuld für meine Probleme nicht bei anderen zu suchen
… mich so zu akzeptieren, wie ich bin
… mir mein eigenes Bild zu machen
… mein Leben in die Hand zu nehmen
… meinem Chef auch mal zu widersprechen
… ohne Reiseveranstalter nach Nepal zu fliegen
Was würden Sie antworten? Was bedeutet Selbstverantwortung für Sie? Keine Sorge, dieses Buch ist kein Workbook, in dem Sie ständig etwas ausfüllen sollen. Ich empfehle Ihnen aber trotzdem, drei Assoziationen zum Thema zu notieren.
Selbstverantwortung bedeutet/ist für mich …
Wenn man sich die gelieferten Antworten auf beide Fragen ansieht, wird auf den ersten Blick deutlich, dass es bei der Verantwortung fast immer um andere Menschen oder zumindest etwas außerhalb von uns selbst, wie z. B. die Umwelt oder eine Organisation, geht. Bei der Selbstverantwortung hingegen geht es – wenig überraschend – um einen selbst. In beiden Antwortgruppen geht es um Aspekte, die in der Vergangenheit liegen (»Als Chef für die Fehler meiner Mitarbeiter geradestehen«, »Die Schuld für meine Probleme nicht bei anderen suchen«). Und es geht um Aspekte, die in der Zukunft bzw. Gegenwart liegen (»Mich gesund ernähren«, »Sich an die Führungsleitlinien halten«, »Auf die Umwelt achten«). Die Unterscheidung zwischen Vergangenheit und Zukunft im Zusammenhang mit Verantwortung und Selbstverantwortung ist wichtig, ich gehe später im Buch noch genauer darauf ein. Denn insbesondere die Fragen nach Schuld und Verantwortung im juristischen Sinne gehen eher auf die Vergangenheit ein. Wohingegen die Frage nach Verantwortung und Selbstverantwortung im Sinne von Führung und Gestaltung in die Zukunft weist.
Gibt es eine »richtige« Definition von Verantwortung und Selbstverantwortung? Was sollten Führungskräfte unter diesen Begriffen genau verstehen? Und wie sollten sie diese Begriffe Mitarbeitern vermitteln und vorleben?
Rein juristisch betrachtet bedeutet Selbstverantwortung, dass eine Person die Verantwortung für ihr eigenes Handeln oder Unterlassen trägt. Fahre ich im Straßenverkehr zu schnell, muss ich dafür die Verantwortung übernehmen. Ich kann die Schuld nicht dem Beifahrer geben, der mich vielleicht abgelenkt hat. Wenn ich in einer für einen Menschen bedrohlichen Unfallsituation keine Erste Hilfe leiste, werde ich mich wegen des Unterlassens meiner Hilfeleistung dafür verantworten müssen. Doch diese Definition greift für das Führungshandeln zu kurz. Um besser zu verstehen, wie wir die Begriffe heute benutzen und warum wir das tun, möchte ich Sie zunächst auf einen kleinen Ausflug in die Geschichte der (Selbst-)Verantwortung mitnehmen.
Die Entstehung der Selbstverantwortung
Als Kind habe ich mit meinen Eltern gerne alte Burgen aus dem Mittelalter besichtigt. Trotz meiner Begeisterung für die alten Rittererzählungen, die vielen Waffen und Rüstungen haben mich die grausamen Geschichten aus der damaligen Zeit schockiert. Dieben wurde die Hand abgehackt oder die Zunge abgeschnitten, Menschen wurden grausam durch Folterstrafen wie Rädern oder Aufspießen hingerichtet. Dies geschah immer öffentlich. Die Körper der hingerichteten Menschen wurden nicht begraben, sondern den Tieren und der natürlichen Verwesung überlassen. Bei leichteren Vergehen wurden die Menschen an den Pranger gestellt und durften von anderen bespuckt und mit Kot beworfen werden. Die Idee dahinter: Menschen sollen für das, was in der Vergangenheit geschehen ist, büßen.
Zudem galt der Mensch nicht als vernünftig und von sich aus verantwortungsvoll. Man versuchte daher nicht mit Einsicht und Argumenten zu arbeiten, sondern setzte darauf, die Menschen mit Angst vor Strafe und dem Fegefeuer gefügig zu machen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein war die Idee der Verantwortung im Denken der Menschen auf die Vergangenheit bezogen – der Aspekt der Buße für die Tat in der Vergangenheit stand im Vordergrund. Heutzutage hingegen ist es selbstverständlich, dass Menschen nicht nur für vergangene Taten zur Verantwortung gezogen werden, sondern auch für die zukünftige Auswirkung ihres heutigen Handelns die Verantwortung tragen.
Bei heutigen Demonstrationen wie z. B. der Bewegung »Fridays for Future« geht es, so wie es der Name schon sagt, wie selbstverständlich um die Zukunft. Die Demonstranten mahnen, dass wir heute die Verantwortung dafür tragen, wie die Welt in Zukunft aussieht. Diese Idee, bereits für noch nicht Vorgefallenes die Verantwortung zu haben, ist ein relativ junger Gedanke.
Hans Jonas gilt mit seinem 1979 erschienenen Werk »Das Prinzip Verantwortung« als einer der Protagonisten der Idee, dass Menschen auch für ihre Zukunft die Verantwortung tragen. Jonas' Grundgedanke ist, dass Menschen schon immer für die ihnen nahestehenden Menschen und Lebewesen Verantwortung übernommen haben. Doch jetzt, durch die zunehmende Komplexität und Technologisierung der Welt, ist die Wirksamkeit und Zerstörungskraft eines Menschen so groß, dass nicht mehr unmittelbar erfahrbar ist, was die Auswirkungen unseres Handelns sind. Obwohl wir selbst die Folgen dieses Handelns nicht spüren, haben wir dennoch die Verantwortung dafür.
Und dieser Gedanke, dass wir heute die Verantwortung für unsere Zukunft haben, wird, vermutlich sogar in exponentieller Form, immer wichtiger. Denn seit Jonas' Überlegungen hat sich die praktische Zerstörungskraft des Menschen noch weiter erhöht. Durch die aktuellen sich gegenseitig verstärkenden Entwicklungen in Biotechnologie und künstlicher Intelligenz sind wir in der Lage, Dinge zu tun, die alles, was bisher an Zerstörung und Macht möglich war, in den Schatten stellen. Wir können heute gezielt die Gehirne von Menschen manipulieren und in näherer Zukunft wird es vermutlich möglich sein,...