Sinn / Trice | Religiöse Identität und Erneuerung im 21. Jahrhundert | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 60, 240 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm

Reihe: LWB-Dokumentation

Sinn / Trice Religiöse Identität und Erneuerung im 21. Jahrhundert

Jüdische, christliche und muslimische Perspektiven

E-Book, Deutsch, Band 60, 240 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm

Reihe: LWB-Dokumentation

ISBN: 978-3-374-04695-9
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Religionen haben klare Vorstellungen von Erneuerung und damit das Potential, in allen Sphären menschlichen Lebens Veränderungen einzuleiten. Religionen haben schon immer zu gesellschaftlichen Veränderungen beigetragen und Erneuerungsprozesse durch kontroverse theologische Debatten ausgelöst. Die Erneuerung religiösen Identität ist abhängig davon, wie religiöse Gemeinschaften ihre Traditionen und ihre gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen für sich selbst, die Gesellschaft, in der sie leben, und die Welt als Ganzes interpretieren. Wo sehen religiöse Gemeinschaften ihre eigenen Ressourcen und welches sind die Kriterien für Erneuerungsprozesse im 21. Jahrhundert?
In dieser Publikation analysieren reflektieren jüdische, christliche und muslimische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Bedeutung und Dynamiken religiöser Erneuerung und untersuchen die Bedeutung religiöser Erneuerung in den verschiedenen religiösen Traditionen.

[Religious Identity and Renewal in the Twenty-first Century. Jewish, Christian and Muslim Explorations]
Religions carry strong visions of renewal and thereby have the potential to trigger dynamics of change in all spheres of human life. Religions have contributed to societal transformation and processes of renewal spark intensive theological debates. The renewal of religious identity is informed by how religious communities interpret their traditions and past, present, and future challenges to themselves, society and the world at large. How do religious communities understand their own resources and criteria for renewal in the twenty-first century? In this publication, Jewish, Christian and Muslim scholars analyze and reflect on the meaning and dynamics of religious renewal and explore the meaning of religious renewal across religious traditions.
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DIE ZUKUNFT DER RELIGIÖSEN IDENTITÄT: EIN GEIST DER GROSSZÜGIGKEIT
Michael Reid Trice EINLEITUNG Welcher radikalen Fragestellung stehen die Religionen heute und morgen gegenüber? Wir nähern uns dieser „radikalen Frage“, indem wir zunächst einmal näher bestimmen, was die Welt von der Religion braucht, in der Annahme, dass Religion Anteil an der Heilung der Welt haben sollte. Wir beginnen also unsere Erörterung mit einem kurzen Blick auf unsere sozio-historische Verortung in der jüngsten Vergangenheit. Was geschieht in der Welt? Eine Stichprobe aus den Ereignissen in der heutigen Welt zeigt uns, dass Religion – oder was als sie ausgeben wird – als Mittel zur Rechtfertigung von Handlungen benutzt wird, zu denen gehören: die Entführung von der Kirche der Brüder angehörenden jungen Mädchen in Nigeria; die Ermordung israelischer und palästinensischer Kinder aus Blutrache und die weitere Eskalation zu einem ethnischen und internationalen Konflikt; die rasche Ausbreitung des „Islamischen Staates“ (IS) im Irak und in Syrien; eine Millionen Menschen betreffende Flüchtlingskrise im 21. Jahrhundert; die weiter andauernden Kämpfe von religiösen Minderheiten für ihre Rechte wie z. B. der Ahmadiyya und der protestantisch-christlichen Batak in Indonesien; das Weiterbestehen eines „biblisch begründeten“ weißen fremdenfeindlichen Christentums in Teilen der USA. Diese sozio-historischen Gegebenheiten sind Teil unseres aktuellen globalen Kontextes, in dem unsere verschiedenen Glaubensgrundsätze als Chiffren dazu herhalten müssen, Konflikte zu säen oder zu verstärken. Dass unsere geheiligten Tugenden und Werte Chiffren dieser Ordnung geworden sind, ist ein entsetzlicher Beleg für die Instrumentalisierung von Religion. Natürlich sind die Nachrichten nicht nur schlecht: Mennoniten und Lutheraner nehmen teil an einem weltweiten Dienst der Versöhnung, durch den die Folgen der Gewalt in ihrer gemeinsamen Vergangenheit überwunden werden sollen; Muslime und Christen von Indonesien bis Dearborn, Michigan, sind bestrebt mit anderen Gläubigen die anti-islamischen Vorurteile im Westen und anderswo zu bekämpfen; engagierte Gläubige und Aktivisten aus allen drei abrahamischen Religionen haben sehr viel bessere Möglichkeiten, miteinander in Kontakt zu treten, als jemals zuvor in der Geschichte. Trotzdem bleibt die große Herausforderung für uns religiöse Menschen, dass die schlechten Nachrichten so horrend sind und dem Geist der Religion so völlig zuwider laufen. GROSSZÜGIGKEIT – EINE ARBEITSDEFINITION Von einer kulturellen Perspektive aus betrachtet, zeigt Großzügigkeit eindeutige und unterscheidbare Merkmal auf. In manchen Kulturen muss jeder Akt des Gebens mit einem reziproken Akt erwidert werden, die Akzeptanz der Großzügigkeit ist hier ein Bekenntnis zur Existenz einer Beziehung. In anderen Kulturen handelt die generöse Person oder Gemeinschaft altruistisch oder empathisch: Das Geschenk des Gebens verliert seinen Sinn, wenn es von der Erwartung eines reziproken Vorteils für den Gebenden begleitet wird. Ich möchte jedoch vorschlagen, das Konzept der Großzügigkeit hier nicht an erster Stelle in Bezug auf menschliches Handeln, sondern eher in Bezug auf Gottes Sein zu erörtern. In der Heiligen Schrift hat Gott vor allem die Charakterzüge der Großzügigkeit, Barmherzigkeit, der Beständigkeit und Liebe. Ich meine Großzügigkeit in einer Bedeutung, wie sie im hebräischen Begriff chesed aufscheint, chesed verstanden als Großzügigkeit im Sinne einer dauerhaften liebevollen Güte, die zuallererst aus Gottes Wesen selbst entspringt, da er ein Gott ist, der mit seiner Schöpfung in Beziehung stehen will.2 Gott ist „der Barmherzige, der Erbarmer“, wie es in der eröffnenden Sure des Koran heißt, Eigenschaften, die der Schöpfung der Welt zugrunde liegen. Auch im Christentum findet das Motiv von Gottes überfließender Gnade als ein Geschenk an die Welt seinen Widerhall. Über die Natur der göttlichen Großzügigkeit gibt es innerhalb und zwischen Judentum, Christentum und Islam zahlreiche besondere Auffassungen. Jeder Versuch einer operativen Definition von Großzügigkeit erfordert deshalb ein genaues Hinschauen. Für unsere Zwecke genügt zunächst die Definition von Großzügigkeit als einer liebenden Güte, die ihren Ursprung und ihr Vorbild in Gottes Wesen selbst hat. Können wir diese Definition von Großzügigkeit, die heutzutage für Judentum, Christentum und Islam von so großer Notwendigkeit ist, noch näher bestimmen? Ich denke, das ist möglich. Dazu wenden wir uns zunächst der Schöpfungsordnung zu. EIN GEIST DER GROSSZÜGIGKEIT Gott handelt (Hebräische Bibel: Gen 1,1; Koran: Sure Ibrahim [Abraham], 14,32–34). Dieser ursprünglich göttliche Schöpfungsakt ist zuerst und vor allem ein höchster Akt der Großzügigkeit gegenüber den Menschen und der Welt; wodurch die Schöpfung selbst – das göttliche in eine Ordnung Rufen der Dinge aus dem Nichts – primum movens ist, oder erster Akt des sich selbst an die Schöpfung gebenden Gottes. Der Schöpfungsakt ist für Juden, Christen und Muslime eine heilige Tat; uns gehört die Geschichte eines Gottes, der in die Geschichte eintritt und die Erde und den gesamten Kosmos durch die Schöpfung weiht. Und innerhalb des göttlichen Gewebes der Welt schafft Gott auch den Menschen. So berichtet es das Buch Genesis. Doch was haben wir von dieser jüngsten Gattung zu halten, die am selben Tag wie der Esel geschaffen wurde und doch nach dem Himmel strebt? Kurz, warum und wozu ist diese Gattung auf der Welt? DIE GABE DES HEILIGEN – DAS HEILIGE SEHEN Wenn ein Geist der Großzügigkeit als eine Gabe Gottes wesentlich zu unserem Menschsein gehört, kann diese Gabe nicht unterdrückt werden. Es ist ein besonderes Geschenk der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam an die Welt, dass sie in der Bewahrung unserer Menschlichkeit einen durch die Schöpfung gegebenen Wert sehen, der die Gläubigen zur Mitmenschlichkeit verpflichtet, d. h. zu einem Geist der Großzügigkeit, der den Kosmos und uns in ihm formt. Diese Gabe tritt in den heiligen Schriften ganz deutlich zutage, wenn uns geboten wird, unsere Nächsten zu lieben, für sie zu sorgen und ihnen in Solidarität beizustehen.13 Wie wir gesehen haben, ist der großzügige Akt der Nächstenliebe niemals nur ein konventioneller zufälliger Akt der Güte. Darüber hinaus hat natürlich jede der drei Religionen ihren spezifischen Zugang zur Nächstenliebe. „Ich nehme diesen Brief mit Dankbarkeit zur Kenntnis [.] und stimme ihm zu, im Glauben, dass Juden, Muslime und Christen dazu aufgerufen sind, zueinander zu kommen wie zu einer heiligen Stätte, wo Gottes lebendige Offenbarung in der Welt von den Gläubigen in Ehrfurcht und nicht in Angst vor unseren Nächsten empfangen wird.“20 Zu anderen Zeiten sehen wir das Heilige nicht und missachten das Gebot, falsch Zeugnis zu reden. Wenn dies geschieht, kann die Heilung alter Wunden Generationen brauchen. Denken wir an die antijüdischen Schriften Luthers im 16. Jahrhundert, die sich auf einen verbreiteten christlichen Antisemitismus stützten und ihn stärkten. 1982 rief der Lutherische Weltbund alle Lutheraner auf, überall Hass und Verachtung der Juden zu „beseitigen“. In den 1990er Jahren gab es vielerorts von lutherischer Seite ablehnende Stellungnahmen zu Luthers antijüdischen Schriften. Es steht außer Zweifel, dass diese antijüdischen Schriften auf gefährliche Weise zur Entwicklung des modernen Anti-Judaismus beigetragen haben. Ihre Ablehnung und Zurückweisung war ein notwendiges theologisches und historisches Korrektiv, das zum Aufbau vertrauensvoller Beziehungen zu unseren jüdischen Mitmenschen beiträgt und zugleich ein Zeichen ist des Hineinwachsens der Lutheraner in die Gemeinschaft der verschiedenen Religionen in dieser Welt. DAS UNHEILIGE Statistiken über den engen Zusammenhang von Gewalt und Religion helfen uns, die großen Problemfelder unserer Tage zu lokalisieren. Wenn wir etwa mein Land, die USA, betrachten, so sehen wir zahlreiche verstreute radikalisierte religiöse Gruppen mit Konfliktpotential. Das angesehene Southern Poverty Law Center berichtete 2008 von landesweit 844 aktiven Hassgruppen, deren Entwicklung es verfolgt. Im Februar 2011 war die Zahl auf über 1000 gestiegen. Das Center konstatierte, dass „seit dem Jahr 2000 die Zahl der Hassgruppen [in den USA] um 54 Prozent gestiegen ist“.22 Diese Zahlen passen zu dem allgemein abnehmenden Vertrauen unter der Bürgerschaft zur öffentlichen Sphäre, der sinkenden Finanzkraft der privaten Haushalte und zur Existenz ideologisch zersplitterter, protektionistischer Gruppen, die bestrebt sind, ihre Gruppenidentität zu stärken. ...


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