Skördeman | Geiger | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 495 Seiten

Reihe: Geiger-Reihe

Skördeman Geiger

Thriller
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7517-0393-2
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Thriller

E-Book, Deutsch, Band 1, 495 Seiten

Reihe: Geiger-Reihe

ISBN: 978-3-7517-0393-2
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Das Festnetz-Telefon klingelt, als sie am Fenster steht und ihren Enkelkindern zum Abschied winkt. Agneta hebt den Hörer ab. 'Geiger', sagt jemand und legt auf. Agneta weiß, was das bedeutet. Sie geht zu dem Versteck, entnimmt eine Waffe mit Schalldämpfer und tritt an ihren Mann heran, der im Wohnzimmer sitzt und Musik hört. Sie setzt den Lauf an seine Schläfe - und drückt ab.
Als Kommissarin Sara Nowak von diesem kaltblütigen Mord hört, ist sie alarmiert. Sie kennt die Familie seit ihrer Kindheit ...

Gustaf Skördeman ist 1965 in Nordschweden geboren. Heute lebt er mit Frau und zwei Kindern in Stockholm. Er ist Drehbuchschreiber, Regisseur und Filmproduzent. Geiger ist sein schriftstellerisches Debüt. Die Idee für diesen Thriller kam ihm bereits vor zehn Jahren. Seitdem hat er an dem auf eine Trilogie angelegten Plot gefeilt. Geiger wurde gleich ein internationaler Erfolg und erscheint in 20 Ländern.

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1
Das Kaffeeservice von Royal Copenhagen stand noch auf dem Tisch, in den Tassen schwammen nur noch dunkle Pfützen, die Kuchenplatten waren leer und die Saftgläser ausgetrunken. Blau gepunktete Servietten lagen unbenutzt oder bekleckert herum. Das Tischtuch war voller Kaffeeflecken und Krümel, und hier und da hatte ein Glas einen hellroten Ring hinterlassen. Die Kleinen waren aufgestanden und die Stühle daher vom Tisch weggeschoben. Die eine Hälfte der Kinder lümmelte mittlerweile auf dem Josef-Frank-Sofa. Die andere Hälfte rannte, aufgepeitscht von dem vielen Zucker, herum und schrie. Von irgendwoher kam ein Tennisball geflogen, der glücklicherweise zwischen den Schmucktellern einschlug, die als Souvenirs aus etlichen europäischen Städten an der Wand hingen: Berlin, Prag, Budapest, Paris, Rostock, Leipzig, Rom. In der letzten Schulwoche vor den Ferien hatten die Enkelkinder bei den Großeltern gewohnt, damit ihre Eltern allein in der Bretagne Urlaub machen konnten. Die Schwestern Malin und Lotta wollten die Gelegenheit nutzen, bevor die Sommerferien begannen und halb Schweden nach Frankreich reiste. In der vergangenen Woche hatte Großvater Stellan also die Flucht ins Arbeitszimmer ergriffen, während Großmutter Agneta das Frühstück zubereitet, das Mittagessen gekocht und die Kinder zur Schule und zu den unterschiedlichen Freizeitaktivitäten chauffiert hatte. Und sie hatte an den außergewöhnlich warmen Frühsommerabenden das Baden am Steg überwacht. Die Großmutter übernahm es auch, anschließend die Schnorchel, Schwimmflossen, Badeanzüge, Taucherbrillen, Kubb-Steine und Sonnenölflaschen wieder einzusammeln und wegzupacken. Und später noch die Kleidung, Tablets, Ladekabel und Schulbücher. Inzwischen waren beide Schwestern mit ihren Männern wieder da, um die Kinder abzuholen. Das Haus schien gleichsam einen Seufzer der Erleichterung darüber auszustoßen, dass bald die gewohnte Ruhe zurückkehren würde. Die Tür zum Garten stand offen, und draußen spazierte Lotta an der Seite ihres alternden Vaters, der ihr zeigte, was er in den Beeten und Rabatten gepflanzt hatte. Die meisten Setzlinge kannte sie schon, aber einige waren neu. Ihr Vater Stellan hatte bestimmte Favoriten, während er bei der übrigen Bepflanzung variierte. Am schönsten fand sie die Blumen, kurz bevor sie sich öffneten. Wenn die Knospen aufsprangen. In diesem Punkt unterschieden sich Vater und Tochter. Lotta hörte aufmerksam zu, als ihr Vater voller Begeisterung die Blütenpracht präsentierte. Rudbeckien, Stockrosen, blauer Feldrittersporn, Bittersüßer Nachtschatten, der von selbst gekommen war, Oregano, Pfefferminze, Schafgarbe und Hornklee. Er liebte seine Blumen, und Lotta erinnerte sich daran, wie viel Zeit er im Garten verbracht hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Hier draußen durfte man Papa nicht stören, aber man wusste immer, wo er war. Während Stellan eine kurze Verschnaufpause einlegte, drehte sich Lotta unauffällig um, als wollte sie das Haus in Augenschein nehmen – das funktionalistisch entworfene Gebäude, das sie in- und auswendig kannte und eigentlich gar nicht mehr eingehend in Augenschein nehmen musste. Die großen Fensterflächen und die zwei Terrassen mit der großartigen Aussicht auf den Mälaren und die Insel Kärsön. Schließlich landete ihr Blick auf dem Gartenweg, den zwölf schweren Steinplatten, über die sie und ihre Schwester so oft gelaufen waren und die ihr Vater scherzhaft das ›Zwölf-Schritte-Programm zu einem besseren Leben‹ nannte, weil sie zum Geräteschuppen führten. Darin konnte er sich ungestört dem widmen, was er in seinem Leben am meisten liebte. Es war ein solcher Aufwand gewesen, die Platten zu verlegen, dass Stellan gesagt hatte, dass sie wahrscheinlich ewig dort liegen bleiben würden. Mittlerweile waren es immerhin vierzig Jahre, also könnte er mit seiner Prophezeiung recht behalten. Sie betrachtete ihren Vater. Er war fünfundachtzig Jahre alt, im Kopf immer noch so klar wie früher, doch der Körper war müde und gealtert. So sehr, dass er beim Rasieren bestimmte Teile des Halses nicht mehr erreichte. Er war sehr lang, ging aber mittlerweile gebeugt. Die Brille, deren Größe schon immer sein Markenzeichen gewesen war, saß ein bisschen schief, und der Blick hinter den Gläsern wirkte trübe. Lotta war beinahe genauso groß wie Stellan, ansonsten waren sie einander aber nicht besonders ähnlich. Der Vater hatte aschblondes Haar, die Tochter schwarzes. Laut Stellan hatte sie es von seiner willensstarken Mutter geerbt. Sein Blick war stets freundlich und warm, während Lottas skeptisch und abwartend wirkte. »Können wir uns vielleicht einen Augenblick setzen?«, sagte Lotta, die bemerkt hatte, dass ihr Vater erschöpft war, aber genau wusste, dass er das niemals zugeben würde. Sie ließen sich auf der grünen Bank vor dem Geräteschuppen nieder, von der die Farbe abblätterte. Stellan fächelte sich mit einem Pappteller, auf dem Blumenzwiebeln gelegen hatten, frische Luft ins Gesicht, und Lotta wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Hitze kam ihr beinahe übernatürlich vor. Schon seit Mai hatte sie das ganze Land fest im Griff und schien auch jetzt im Juni nicht abklingen zu wollen. Wie oft hatten sie hier nebeneinandergesessen. Eine Bank zum Verschnaufen, alle Werkzeuge in Reichweite: Hier erholte man sich, während man gleichzeitig einsatzbereit blieb. Zumindest konnte man sich das einreden. Im Geräteschuppen standen aufgestapelte Gartenmöbel und Werkzeuge, die seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden waren. Unkrautharken, Rasensprenger, Gießkannen aus Kupfer, die mittlerweile verschimmelte gestreifte Hängematte und die alten, knarrenden Liegestühle, mit denen die Schwestern so gerne gespielt hatten, als sie noch klein gewesen waren. Darauf hatten sie sich in den ersten Frühlingstagen noch zwischen Schneehaufen gesonnt, wolkige Sommertage durchdämmert, ganze Sommer lang gespielt, dass sie auf Booten, Autos, Flugzeugen, Raketen oder Stegen unterwegs waren, von denen sie in das eingebildete Wasser sprangen. Als die Schwestern zu groß für solche Spiele geworden waren, verschwanden die Liegestühle im Geräteschuppen, wo sie seitdem gestanden hatten. Nur Stellan nutzte sie noch und erholte sich heimlich auf ihnen von der Gartenarbeit, wobei ihn allerdings das leise Knirschen der alten Stühle verriet, das durch die Wände drang. Der Schuppen war zu einer Art Denkmal einer verschwundenen Zeit geworden. Nur der Gartentisch wurde jedes Jahr wieder herausgeholt, vom Gärtner Jocke, der immer noch regelmäßig wie ein Uhrwerk auftauchte, obwohl er längst im Ruhestand war. Er wollte sich auch nicht bezahlen lassen. Er war einmal pro Woche gekommen, seit Stellan und Agneta kurz nach ihrer Hochzeit Anfang der Siebzigerjahre hier eingezogen waren. Und auch als Rentner war er einfach weiter gekommen, ohne dass ihn jemand darum gebeten hätte. Vielleicht brauchte er solche festen Gewohnheiten, um nicht den Halt zu verlieren. Lotta schob die Tür zum Geräteschuppen ein Stückchen auf, und die Wärme schlug ihr entgegen. Die Sommerhitze hatte ihn zu einem Backofen gemacht. »Wollt ihr dieses Fenster nicht wieder öffnen?«, fragte sie und zeigte auf die Sperrholzplatte, die an die rückseitige Wand genagelt war. »Wir sind doch keine kleinen Kinder mehr, die herumspionieren.« »Nein, aber jetzt gibt es neue kleine Spione«, sagte Stellan und lächelte. »Die hängen doch nur an ihren Bildschirmen.« »Ich werde Jocke bitten, die Platte abzubauen. Vor dem Fenster steht so eine hübsche Kolkwitzie, aber ich bin ja nicht mehr so oft im Schuppen.« »Überhaupt nicht mehr, würde ich sagen«, erwiderte Lotta und betrachtete die verrosteten Liegestühle. »Die hier ist für dich«, sagte Stellan und reichte seiner Tochter eine Blume. Jedes Mal, wenn sie zu Besuch kam, gab er ihr eine seiner Pflanzen oder Blumenzwiebeln für ihren kleinen Nutzgarten, und sie nahm sie dankbar entgegen. »Was ist das?«, fragte sie. »Ich weiß nicht. Eine Sommerazalee, glaube ich. Jocke hat sie gepflanzt.« »Das behauptest du immer.« Lotta lächelte ihren Vater an. Joachim, den alle Jocke nannten, war schon immer ein selbstverständlicher Teil ihres Lebens gewesen, und ihr Vater und er hatten sich schon immer darum gekabbelt, wer von beiden mehr Ahnung von Blumen hatte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie von Jocke wohl mehr über Pflanzen und Gartenbau gelernt als von Stellan. Sie erinnerte sich gerne an die schon immer vorhandene Gartenleidenschaft ihres Vaters, denn sie bedeutete, dass er da gewesen war. Nicht immer nur auf der Arbeit und auch nicht immer nur mit Kollegen und Freunden im Haus. Es gab nicht nur die großartigen Feste und die Arbeit, sondern manchmal auch nur ein leises Hacken in den Beeten. Wie ruhig sein Leben in den letzten dreißig Jahren gewesen sein musste. Vermisste er die Zeit davor, als er im Zentrum der Aufmerksamkeit gestanden hatte? Zumindest hatten Malin und sie eine besondere Kindheit gehabt, ein Zuhause, um das sie alle anderen Kinder beneideten. Was hätte es eigentlich für einen Unterschied gemacht, wenn ihr Vater damals öfter bei ihnen gewesen wäre, wenn er sich nicht im Partykeller eingeschlossen hätte oder in den Garten geflohen wäre, sobald er zur Tür hereingekommen war? Sie hatten ja immer noch ihre Mutter gehabt. Es war ohne Zweifel spannend gewesen mit all den bekannten Gesichtern, die im Haus auftauchten, mit allen Festen und Veranstaltungen, bei denen die Erwachsenen merkwürdige Dinge taten. Vielleicht war es das intensive...


Gustaf Skördeman ist 1965 in Nordschweden geboren. Heute lebt er mit Frau und zwei Kindern in Stockholm. Er ist Drehbuchschreiber, Regisseur und Filmproduzent. Geiger ist sein schriftstellerisches Debüt. Die Idee für diesen Thriller kam ihm bereits vor zehn Jahren. Seitdem hat er an dem auf eine Trilogie angelegten Plot gefeilt. Geiger wurde gleich ein internationaler Erfolg und erscheint in 20 Ländern.



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