E-Book, Deutsch, 380 Seiten
Skowronnek Sturmzeichen (Historischer Roman)
1. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-5369-5
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Russeneinfall im Ersten Weltkrieg
E-Book, Deutsch, 380 Seiten
ISBN: 978-80-268-5369-5
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Sturmzeichen (Historischer Roman)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Richard Skowronnek (1862-1932) war ein deutscher Journalist, Dramaturg und Schriftsteller. Seine Romane Sturmzeichen und Das grosse Feuer waren überaus erfolgreich. Aus dem Buch: 'Neuer Sieg der Bulgaren ... die Türken in vollem Rückzuge ... zweitausend Tote, fünftausend Verwundete ... Das neueste, das neueste, das allerneueste Extrablatt ...' Gellend schrillte die laute Knabenstimme über den in vornehmer Ruhe liegenden Königsplatz, der Portier des Großen Generalstabes verließ seine Loge und trat durch die schwere Flügeltür auf die schon in abendlichen Dämmer getauchte Straße hinaus. 'Kostenpunkt, Kleener?' und er griff in die Tasche. 'For Sie, Herr Jeneral, jratis! Kinder unter zehn Jahren und Militär von' Feldwebel abwärts man bloß de Hälfte ...' Der kecke Junge in der Uniform einer großen Berliner Zeitung zog das oberste Blatt von dem hohen Stapel, den er im linken Arme trug, und rannte weiter: 'Neuer Sieg der Bulgaren ... die Türken in vollem Rückzuge ... zweitausend Tote ... fünftausend Verwundete ...' Der Alte in dem würdigen dunkelblauen Uniformrocke befestigte umständlich einen schwarzen Hornkneifer vor den weitsichtigen Augen und entfaltete das noch feuchte Zeitungsblatt...'
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2.
Ueber der weiten Bahn im Grunewald schien die helle Sommersonne, zauberte schimmernde Reflexe auf den grünen Rasen und die bunten Toiletten, die den weiten Platz vor den Tribünen füllten. Ab und zu brachte ein leichter Wind den würzigen Duft der hohen Kiefern herüber, die die riesige Bahn umsäumten, überall in der Runde mit ihren dunklen, gezackten Kronen den Ausblick schlossen.
Als Gaston von Foucar sein Billett am Eingange vorzeigte, kam von den Tribünen her ein wirres Durcheinander von Schreien und lauten Zurufen: »Mohnblüte macht's ... Mohnblüte ... feste, Bullock ... feste ...,« und schließlich ein einziges, wüstes Geräusch, in dem nichts mehr zu unterscheiden war. Jäh danach eine kurze Pause, dann wieder wie ein übers Feld rollender Donner: »Mohnblüte ... Bullock ... Mohnblüte ...«
Er schlenderte langsam der Tribüne zu. Anscheinend hatte er den Anfang versäumt, die ersten Rennen waren schon geritten. Im Grunde interessierte ihn nur das vorletzte. So stumpf wurde man im täglichen Dienst, daß man kaum noch teilnahm an den Kämpfen auf dem grünen Rasen, die jedes Reiterherz doch höher schlagen lassen mußten. Aus der aufgezogenen Nummer an dem hohen, weißen Gestell und aus dem Programm ersah er, daß die Graditzerin »Mohnblüte« ein Lot von vierzehn, zum Teil in England gezogenen Pferden geschlagen hatte. Das war ja ganz erfreulich, gewiß, aber er sah doch mit einem leisen Kopfschütteln zu, wie das elegante Tribünenpublikum dem in schwarz-weißem Dreß zur Wage zurückreitenden Jockei eine Huldigung bereitete wie einem aus siegreicher Schlacht heimkehrenden Feldherrn. Wenn die Damen aus so unbeträchtlichem Anlaß schon mit begeisterten Schreien Blumen warfen, Schirme schwenkten und dem blasiert lächelnden Jockei im Sattel die Hand schüttelten, welche Steigerung gab es da noch, wenn irgend eine große Tat zu krönen war im Dienste des Vaterlandes? Rissen sie sich da die Kleider herunter und warfen sie die nackten Leiber vor die Rossehufe? Ungesund war das alles, hysterische Uebertriebenheit, die sich kein Maß zu finden wußte.
Er ging durch die Gruppen, die sich um die Erfrischungsstellen drängten, die Kassen des Totalisators stürmten. Ueberall fieberte es von Erregung. Die Kapelle der Gardedragoner im Musikpavillon intonierte ein militärisches Potpourri, das mit dem alten Schlachtgesang anfing: »Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben ... die Fahne schwebt mir schwarz und weiß voran.« Ein Teil des Publikums sang mit ... wie eine Entweihung kam es ihm vor.
Die Hauptrennen waren gelaufen, der Himmel verfinsterte sich plötzlich, ein leichter Sommerregen strich über die Flur. Da nahm die geputzte Menge Reißaus. Nur die Wenigen blieben zurück, die an dem Ausgange der letzten Ereignisse interessiert waren. Er mitten darunter – er hatte dem Malchower Dragoner ja versprochen, ein Goldstück auf – wie hieß der Gaul doch gleich? – ja, richtig, auf Marghilan zu setzen.
Das Pfund ging verloren, der hochbeinige Schinder zeigte schon am Start das Gelüst, seitwärts auszubrechen. Vor dem Wassergraben streikte er, war weder mit Peitsche noch Sporn hinüberzubringen. Da machte sich der Hauptmann von Foucar auf den Weg. Und er lächelte. Das Selbstvertrauen des kleinen Dragoners war ein wenig größer als sein reiterisches Können gewesen. Auf solch einen Riesengaul gehörte einer, der stärker war, der diesem Verbrecher den Herrn und Meister zeigte, mit Faust und Schenkeln. An den Tribünen ging er vorbei, über den zweiten und dritten Platz, wo Gentlemen ohne Hemdkragen, laut streitend, den Gewinn der Wettgenossenschaft verrechneten. Die Treppe hinauf zu dem Restaurant. Laute Musik – in dem weiten, von einen Glasdache überdeckten Raume kein Platz mehr frei.
An einem langen, dichtbesetzten Tische in der Nähe des Einganges reckte sich ein blauer Aermel in die Höhe, besetzt von Silberlitzen. Ein Landsberger Husar, der mit ihm zusammen die Akademie besucht hatte. Leider mit mangelhaftem Erfolge, nicht mal zur höheren Adjutantur hatte es gereicht. Er diente in der Front weiter als ein mißvergnügter alter Oberleutnant.
»Holla, Foucar, suchen Sie jemanden?«
»Nur einen Platz, um ein Kotelett zu essen! Ich komme fast um vor Hunger.«
»Na, denn hierher, ran! Wenn wir ein bißchen zusammenrücken, geht's schon!«
Er zwängte sich durch die engen Stuhlreihen. Der Landsberger Husar sagte laut mit einer vorstellenden Handbewegung: »Herr Hauptmann Baron von Foucar vom Großen Generalstab ... Frau Rheinthaler – noch vor kurzem eine unserer gefeiertsten Bühnenkünstlerinnen – Herr Rheinthaler. Die anderen Herrschaften mögen sich gefälligst selbst ...«
Die in der Nähe sitzenden Herren murmelten mit leichter Verneigung einen Namen, die übrige Gesellschaft nahm kaum Notiz von dem neuen Tischgenossen. Ein Kellner brachte einen Stuhl herbei, Hauptmann von Foucar schob sich neben den Landsberger Husar. Ihm gegenüber saß Frau Rheinthaler, eine junge Dame von etwa sechs- oder siebenundzwanzig Jahren in einem raffiniert einfachen hellen Kleide, das alle Vorzüge ihrer ein wenig üppigen Figur zur Geltung brachte. Aus einem schmalen, mit Venetianerspitzen besetzten Ausschnitte hob sich ein prachtvoller Hals, darüber ein klassisch schönes Gesicht ... große, dunkle Augen, deren Iris leicht bläulich schimmerte, eine gerade, feine Nase mit beweglichen Flügeln und unter einer wahren Flut dunkelblonden Haares ein paar rosige kleine Ohren. Alles ein wenig zurechtgemacht. Unter den großen Augen ein leichter Strich, die Lippen und Ohrläppchen ein bißchen zu rot, aber das Ganze von frappierender Wirkung. Eins jener Gesichter, nach denen man sich unwillkürlich umsah, wenn man ihnen in der Menge der gleichgültigen begegnete.
Frau Rheinthaler hob in komischem Zorn die Hummergabel gegen den Landsberger Husar: »Sie Bösewicht! Müssen Sie denn immer gleich verraten, daß ich früher einmal beim Theater war?« Der neben ihr sitzende Gatte, ein hagerer Herr mit starker Hakennase und eingefallener Brust, führte hüstelnd die knochige Hand zum Munde: »Sei friedlich, liebe Josepha, in fünf Minuten hättest Du es dem Herrn Hauptmann da drüben ganz von selbst erzählt.« Und zu Herrn von Foucar gewendet, fragte er: »Sind Sie Theaterhabitué? Nicht ... na, dann muß ich noch einmal vorstellen ...« Er wies leicht auf die Gattin: »Pepi Hohenthal, vor einigen Jahren die entzückendste Dame de chez Maxim, die es je gegeben hat. Als ich ihr mit Selbstmord drohte, wenn sie ihre himmlischen Fußgelenke noch fernerhin jedem Laffen zur Bewunderung preisgäbe, der vier Mark fünfzig Entree bezahlte, hatte sie Mitleid und heiratete mich. Ihr Interesse am Theater beschränkt sich jetzt nur noch auf einige Gastspiele in der Proszeniumsloge bei den Premieren. Da wartet sie, bis die frühere Kollegin auftritt, sich nach dem Herzen greift und vor Aerger gelb und grün wird.« Er hob sein Glas mit eisgekühlter Erdbeerbowle und trank der Gattin lächelnd zu.
Die Umsitzenden brachen in Lachen aus, Herrn von Foucar wurde es ein wenig unbehaglich zumute, an eine solche Unterhaltung war er nicht gewöhnt. Sein Nachbar aber stieß ihn unter dem Tisch mit dem Fuß an und raunte ihm zu: »Bloß keine verwunderten Augen machen, sind in ihrer Art ganz famose Leutchen und führen das gastfreieste Haus im ganzen Westen ...« Er nickte dazu. Was ging es ihn an? Heute hatte er diese Menschen kennen gelernt, morgen sah er sie nicht mehr.
Die Unterhaltung am Tische wurde allgemein, man erörterte die Ereignisse des Renntages, und Gaston von Foucar erfuhr, daß Herr Rheinthaler dem Sport nicht nur als Zuschauer huldigte, sondern Besitzer eines namhaften Stalles war. Zwei seiner Pferde hatten an der Hauptkonkurrenz des Tages teilgenommen, das eine als Schrittmacher, das andere als erklärter Sieger, beide aber hätten durch die Schuld der Jockeis unter den Unplacierten geendet. Der Landsberger Husar erklärte seinem Gegenüber eifrig, welche Fehler zu dem Verluste des Rennens geführt hätten, Frau Rheinthaler schob ihren Teller zur Seite und legte die schönen Arme auf den Tisch.
»Sie sind wohl fremd in Berlin, Herr Hauptmann?«
Gaston verneigte sich leicht. »Wie man's nehmen will, gnädige Frau. Ich bin schon einige Jahre hier. Zuerst auf Akademie, jetzt im Generalstab. Aber ich habe mich nicht viel um Anschluß bemüht. Ich hatte nämlich immer reichlich zu arbeiten.«
»Interessieren Sie sich für den Sport?«
»Natürlich! Jeder Kavallerist muß sich dafür interessieren. Die Hindernisrennen sind gewissermaßen die letzte hohe Schule für unsere Reiteroffiziere. Aus den auf dem grünen Rasen gewonnenen Erfahrungen ...«
Frau Rheinthaler schnitt ihm mit einer geringschätzigen Handbewegung die Rede ab.
»Ah was! Wegen der Wetten reiten doch bloß die meisten von Ihnen, und nachher wird gespielt. Manchmal, wenn ich schon wieder aufsteh', sitzen sie noch mit meinem Mann zusammen im Herrenzimmer. Schrecklich – er ruiniert sich dabei. Nicht mit dem Geld. Da kann er verspielen, so viel er will, aber mit der Gesundheit hält er's nicht aus. Er hat einen schlimmen Herzfehler, und seine Lungen sind angegriffen. Der Doktor meint, jeden Tag könnt's eine Katastrophe geben, wenn er's so weiter treibt, er aber lacht bloß dazu. Er allein müßt doch am besten wissen, was ihm gut wär ... Und wenn er mal zusammengeklappt ist, eine halbe Wochen zu Bett liegen muß, geht's hinterher um so ärger los. Auf alle Rennplätze schleppt er mich, nicht nur in Deutschland, und die Nächte sitzt er mit den Karten in der Hand. Ich aber ... für mich ist das alles entsetzlich. Bei den Rennen langweil ich mich zum Sterben, versteh partout nicht,...




