E-Book, Deutsch, Band 1, 496 Seiten
Reihe: North Falls
Slaughter Dunkle Sühne
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7499-0902-5
Verlag: HarperCollins eBook
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller | Der SPIEGEL-Bestseller #1 der Bestsellerautorin von »Pretty Girls« und Krimireihe um Will Trent | Über 40 Millionen verkaufte Bücher in 120 Ländern
E-Book, Deutsch, Band 1, 496 Seiten
Reihe: North Falls
ISBN: 978-3-7499-0902-5
Verlag: HarperCollins eBook
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Willkommen in North Falls - einer kleinen Stadt, in der jeder jeden kennt. Das glauben zumindest alle.
Bis zum großen Feuerwerk am 4. Juli. Als in dieser Nacht zwei Teenager-Mädchen verschwinden, ist die Stadt in Aufruhr.
Für Deputy Emmy Clifton wird der Fall zur Bewährungsprobe - beruflich und persönlich. Eines der vermissten Mädchen ist die Tochter ihrer besten Freundin, und Emmy weiß, dass sie sie nach Hause bringen muss, um eine alte Schuld zu begleichen.
Doch je tiefer Emmy in die Ermittlungen eintaucht, desto stärker wird ihr bewusst, dass hinter den vertrauten Gesichtern der Kleinstadt dunkle Abgründe lauern. Die beiden verschwundenen Mädchen hüteten Geheimnisse, die niemand ahnte. Doch wer könnte so weit gehen, ein Verbrechen zu begehen? Und welche dunklen Wahrheiten verbirgt North Falls noch?
»Eine herausragende Autorin auf dem Gipfel ihres schriftstellerischen Schaffens. « Peter James
»Die neue Slaughter MUSS man einfach gelesen haben - wie stets.« Harlan Coben
»Karin Slaughter steht für 'Leidenschaft, Intensität und tiefe Menschlichkeit.« Lee Child
»Betreten Sie die Welt der Karin Slaughter. Aber seien Sie gewarnt: Daraus gibt es kein Zurück. « Lisa Gardner
»Eigentlich müssten Karin Slaughters Thriller mit einem Warnhinweis für Leser mit schwachen Nerven versehen sein... « The Guardian
Karin Slaughter ist eine der weltweit berühmtesten Autorinnen und Schöpferin von über 20 -Bestseller-Romanen. Dazu zählen »Cop Town«, der für den Edgar Allan Poe Award nominiert war, sowie die Thriller »Die gute Tochter« und »Pretty Girls«. Ihre Bücher erscheinen in 120 Ländern und haben sich über 40 Millionen Mal verkauft. Ihr internationaler Bestseller »Ein Teil von ihr« ist 2022 als Serie mit Toni Collette auf Platz 1 bei Netflix eingestiegen. Eine Adaption ihrer Bestseller-Serie um den Ermittler Will Trent läuft derzeit erfolgreich auf Disney+, weitere filmische Projekte werden entwickelt. Slaughter setzt sich als Gründerin der Non-Profit-Organisation »Save the Libraries« für den Erhalt und die Förderung von Bibliotheken ein. Die Autorin stammt aus Georgia und lebt in Atlanta. Mehr Informationen zur Autorin gibt es unter www.karinslaughter.com
Weitere Infos & Material
1
Madison Dalrymple lehnte sich an die riesige Eiche und kämpfte gegen die Panik an. Cheyenne war zu spät dran. Mehr als zu spät. So war das nicht geplant gewesen. Sie hatten vereinbart, sich spätestens um acht unter der Eiche im Park zu treffen. Aber jetzt war es zwanzig nach acht, und Cheyenne war nicht erschienen, hatte nicht angerufen oder eine Nachricht geschickt, und sie reagierte auch nicht auf Madisons Anrufe und Nachrichten. Hitze und Angst ließen Madison in Schweiß ausbrechen. Das Shirt klebte ihr am Rücken, und die Shorts bauschten sich im Schritt. Das Tütchen Gras, das sie bei dem alten Perversen gekauft hatte, kochte praktisch in ihrer Hosentasche.
Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, sich im Park zu treffen, aber Madisons Dad hatte ihnen kaum eine andere Wahl gelassen. Er hatte ihr gestern eröffnet, dass die gesamte Familie ihren Geburtstag beim Feuerwerk verbringen werde, so als wäre es eine Überraschung, über die sie sich tatsächlich freuen müsste. Fünfzehn zu werden war keine so große Sache wie sechzehn, aber dass sie mit ihrem Dad, ihrer Stiefmutter und ihrem quengelnden Halbbruder in den Park geschleift wurde, fühlte sich mehr nach Bestrafung an als nach Fete. Überall waren Mücken und Moskitos. Das Essen war widerlich. Die Bowle schmeckte wie Hustensirup. Mindestens zweihundert Menschen hatten sich auf der Wiese verteilt und planschten im See, während sie auf den Beginn des Feuerwerks warteten. Madison hasste jeden Einzelnen von ihnen.
»Mann, Cheyenne«, murmelte sie, während sie den Blick über all die Vokuhilas und Pudeldauerwellen schweifen ließ, »wo bist du nur?«
Wenigstens ging die Sonne endlich unter. Um zehn Uhr vormittags war die Temperatur auf achtunddreißig Grad geklettert. Der See fühlte sich wärmer an als Badewasser. Ihren Sonnenschutz hatte sie schon vor Stunden weggeschwitzt, ihre Haut kochte. Madison sah, wie die Luft über dem Parkplatz oben auf dem Hügel vor Hitze flimmerte. Die Autos standen dicht an dicht, und entlang des Gehsteigs und der Treppe waren Fahrräder abgestellt worden. Jemand hatte die Parkplatzbeleuchtung ausgeschaltet, denn das Feuerwerk sollte bald beginnen. Die ganze Stadt tat so, als wäre der 4. Juli wahnsinnig wichtig, dabei konnte niemand die Verfassung von der Unabhängigkeitserklärung unterscheiden, und wenn das Schulorchester die Nationalhymne spielte, mussten die Leute den Text größtenteils mitsummen.
Der 4. Juli war nur ein Vorwand, um zu viel zu essen und zu trinken und dabei zu vergessen, dass sie alle in diesem stinkenden Scheißhaufen von Stadt festsaßen.
Sie umklammerte ihr Handy. Ihre Stiefmutter hatte bereits zweimal angerufen, weil sie auf der Suche nach ihr war, und tat wieder so, als wären sie alle eine große, glückliche Familie, aber Madison wusste, dass Hannah nur eine Schau abzog. Sie spielte sich auch immer so auf, als wäre sie Madisons richtige Mutter. Oder tat so, als ob sie Madison nicht insgeheim hasste. Schlimmer noch, Madisons Dad führte sich die ganze Zeit so auf, als wäre Madison das Problem. Ihre richtige Mutter, seine Frau, war erst seit acht Jahren tot, und er hätte am liebsten vergessen, dass sie je existiert hatte.
»Scheiße«, fluchte Madison.
Sie würde nicht zulassen, dass Hannah ihr alles kaputt machte. Diesmal nicht. Sie schaute wieder auf ihrem Handy nach, wie spät es war. Cheyenne war um genau sechsundzwanzig Minuten verspätet. Madison holte tief Luft und sagte sich, dass sechsundzwanzig Minuten nur ein Klacks waren. Einmal war Cheyenne eine volle Stunde zu spät dran gewesen, und ein fremder Wagen hatte sie vor Madisons Haus abgesetzt. Nicht einmal ein Mustang oder eine Corvette, sondern ein Kombi mit diesen kleinen Aufklebern von Zeichentrickfiguren am Heck: einer Mom, einem Dad, zwei Kindern und einem Hund. Hannah hatte den Wagen nicht gesehen, aber sie hatte wegen des frischen Knutschflecks an Cheyennes Hals ganz auf vorwurfsvolle Stiefmutter gemacht und die Augen zusammengekniffen, als wollte sie sagen: Was bist du bloß für eine Hure.
»Madison?«
»Was?«, japste Madison. Sie fing zu schwitzen an, als ihr klar wurde, dass es Hannahs beste Freundin seit Urzeiten war, die sie gerade beim Namen gerufen hatte. Dass Emmy Clifton-Lang außerdem zufällig Polizistin war, sorgte für eine zusätzliche Portion Panik.
»Du bist ein bisschen schreckhaft«, sagte Emmy. »Was ist los, Geburtstagskind?«
Madison fing sich und schloss die Hand um das Tütchen Gras in ihrer Tasche. »Alles okay.«
»Du siehst aber nicht so aus. Trinkst du genug Wasser?« Emmy nahm ihren Hut ab. Sie hatte Naturlocken, aber sie trug ihr Haar zu einem unmodernen Dutt hochgesteckt wie eine alte Frau, obwohl sie und Hannah letzten Monat erst ihren dreißigsten Geburtstag gefeiert hatten. »Hier draußen ist es heißer, als man denkt.«
»Ich weiß«, sagte Madison. Hielt Emmy sie für blöd? »Deshalb stehe ich unter einem Baum. Im Schatten. Allein.«
Emmy nahm die Anspielung nicht zur Kenntnis. Sie legte die Hand an den Baum. »Du kennst doch den Spruch, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht?«
Madison verdrehte die Augen. In letzter Zeit bekam sie nichts als unerbetene Ratschläge. »Und?«
»Manchmal glaubt man zu wissen, mit wem man es zu tun hat, und man übersieht die Anzeichen, dass jemand vielleicht alles andere als gut für einen ist.« Emmy zuckte mit den Achseln. »Manchmal sieht man das große Ganze nicht, weil man zu sehr auf Einzelheiten fokussiert ist, weil man Spaß haben will, sich aus dem Haus schleicht und Dinge tut, von denen man weiß, dass man sie besser nicht tun sollte. Dann wird man eines Tages plötzlich mit den Folgen seines Handelns konfrontiert.«
»O Gott«, stöhnte Madison. Sie wusste genau, woher dieser Cheyenne Baker ist ein schlechter Umgang-Vortrag kam. »Sag Hannah, sie soll sich um ihren eigenen Kram kümmern, okay? Sie kann aufhören, Leute vorzuschicken, damit die mit mir reden. Ich verlasse diese blöde Stadt, sobald ich kann.«
»Verstehe«, sagte Emmy. »Bis zum College ist es allerdings noch eine Weile hin. In drei Jahren kann viel passieren.«
»Klar.« Madison hatte nicht die Absicht, ihr die Wahrheit zu sagen: Dass sie und Cheyenne nur noch die nächsten zwei Monate durchhalten mussten, wenn der Plan funktionierte, dann würden sie nach Atlanta ziehen und müssten sich nie wieder mit Leuten herumschlagen, die ihnen sagten, was sie tun sollten.
»Ich kann dich auf dem Mercer-Campus herumführen, wenn du willst«, bot Emmy an. »Es ist wunderschön. Ich war sehr gern dort. Hab wirklich coole Leute kennengelernt.«
Madison rollte wieder mit den Augen. »College interessiert mich nicht, okay?«
»Vielleicht jetzt nicht, aber … Was hältst du davon, nächstes Wochenende, wenn du auf Cole aufpasst, ein bisschen früher zu kommen, dann könnten wir reden …«
»Ich bin zu spät dran.« Madison ließ ihre Stimme eiskalt klingen. »Ich wollte mich schon vor zehn Minuten mit Cheyenne beim SnoBall-Eisstand treffen.«
»Okay, aber hör mir bitte noch eine Sekunde zu.« Emmy hielt ihre Hand, was seltsam war. Dann drückte sie sie. »Ich möchte, dass du weißt – aber eigentlich solltest du es längst wissen –, dass Hannah dich wirklich sehr lieb hat.«
Madisons Herz machte plötzlich Hüpfer. Sie spürte die Wärme von Emmys Hand, die sich um ihre schloss. Unerklärlicherweise hätte sie am liebsten geweint.
»Sie hat dich aufwachsen sehen.« Emmy lächelte. »Wir beide haben dich aufwachsen sehen. Wir lieben dich alle beide.«
Madison schluckte den Kloß in ihrem Hals. »Ja, gut.«
Sie zog ihre Hand fort und ließ Emmy einfach stehen mit ihrem Altweiber-Dutt, ihrem dämlichen Lächeln und ihrem blöden Sohn, der immer noch Zeichentrickfilme für Kinder guckte, obwohl er elf Jahre alt war.
Madison wartete, bis sie die Tribüne erreicht hatte, ehe sie sich mit dem Handrücken über die Nase wischte. Sie schaute noch einmal auf die Uhrzeit in ihrem Telefon. Die Panik setzte wieder ein. Cheyenne war jetzt einunddreißig Minuten zu spät dran. Hatte Madison etwas falsch verstanden? Wollten sie sich am Haus treffen?
Sie schüttelte den Kopf, nein, das stimmte nicht. Sie hatte nichts falsch verstanden. Sie waren den Plan Dutzende Male durchgegangen, sogar den Weg mit der Stoppuhr abgelaufen, dann hatten sie ihre Fahrräder genommen, weil es sicherer erschien, über die Nebenstraßen zu kurven, statt mitten durch die Stadt zu laufen, wo irgendein Wichtigtuer Cheyenne entdecken und ihr Alibi versauen konnte.
Madison konnte es kaum erwarten, Cheyenne zu erzählen, wie sie Emmy ins Gesicht gelogen hatte. Sie waren gar nicht beim SnoBall-Eisstand verabredet, sondern wollten sich unter der Eiche treffen, dann mit den Fahrrädern zu Cheyenne fahren, wo sie sich den Wagen von Cheyennes Dad ausleihen und etwas von seinem Scotch klauen würden, um eine Spritztour durch die Stadt zu unternehmen, während die ganzen Dummköpfe sich das Feuerwerk ansahen. Sie hatte so oft daran gedacht, dass es ihr fast schien, als wäre es bereits passiert: Wie Mr. Bakers brandneuer Jetta mit hundertfünfzig Sachen über die Strecke hinter der Main Street schoss und Madison mit ausgebreiteten Armen im offenen Schiebedach stand, während der Wind ihr Haar peitschte und Rihanna aus den Lautsprechern dröhnte.
Zwei Monate. Daran musste Madison in...