E-Book, Deutsch, Band 2, 617 Seiten
Reihe: Die Courtney-Saga
Smith Das Grollen des Donners
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98952-310-4
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Courtney-Saga 2: Die Courtneys - Stürme der Zeit | »Ein meisterhafter Geschichtenerzähler!« Times
E-Book, Deutsch, Band 2, 617 Seiten
Reihe: Die Courtney-Saga
ISBN: 978-3-98952-310-4
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Wilbur Smith (1933-2021) wurde in Zentralafrika geboren und gehört zu den erfolgreichsten Schriftstellern der Gegenwart. Der Debütroman seiner Jahrhunderte umspannenden Südafrika-Saga um die Familie Courtney, begründete seinen Welterfolg als Schriftsteller. Seitdem hat er über 50 Romane geschrieben, die allesamt Bestseller wurden, und in denen er seine Erfahrungen aus verschiedenen Expeditionen in die ganze Welt verarbeitete. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt. Wilbur Smith starb 2021 in Kapstadt im Kreise seiner Familie. Die Website des Autors: www.wilbursmithbooks.com/ Der Autor bei Facebook: www.facebook.com/WilburSmith/ Der Autor auf Instagram: www.instagram.com/thewilbursmith/ Die große Courtney-Saga des Autors um die gleichnamige südafrikanische Familie erscheint bei dotbooks im eBook. Der Reihenauftakt »Das Brüllen des Löwen« ist auch als Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich. Die große Ägypten-Saga über den Eunuchen Taita ist bei dotbooks als eBook erhältlich. Der Reihenauftakt »Die Tage des Pharao« ist auch als Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich. Außerdem bei dotbooks erschienen der Abenteuerroman »Der Sonnenvogel« sowie die Action-Thriller »Greed - Der Ruf des Goldes«, »Blood Diamond - Tödliche Jagd«, »Black Sun - Die Kongo-Operation«, »Das Elfenbein-Kartell« und »Atlas - Die Stunde der Entscheidung«. Weitere Bände in Vorbereitung.
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Kapitel 1
Die vierjährige Reise in unwegsamer Wildnis hatte die Wagen arg mitgenommen. Viele der Radspeichen und Disselbooms waren durch grünes heimisches Holz ersetzt worden; bei den Planen sah man vor lauter Flicken kaum mehr etwas von der ursprünglichen Leinwand; und die Gespanne waren von je achtzehn Ochsen auf je zehn geschrumpft, denn Raubtiere und Krankheit hatten ihre Reihen gelichtet. Dennoch beförderte die erschöpfte kleine Karawane die Stoßzähne von fünfhundert Elefanten; zehn Tonnen Elfenbein; die »Ernte« von Sean Courtneys Gewehr; Elfenbein, das er in fast fünfzehntausend Goldsovereigns verwandeln würde, sobald er in Pretoria eintraf.
Wieder einmal war Sean ein reicher Mann. Er trug verschmutzte, ausgebeulte, grob geflickte Kleider; seine Stiefel waren fast durchgelaufen und mit ungegerbtem Büffelleder notdürftig besohlt; ein gewaltiger, ungepflegter Bart verdeckte seine halbe Brust, und eine dichte Mähne schwarzen Haars ringelte sich am Hals, war knapp über dem Kragen mit einer stumpfen Schere abgeschnipselt worden. Übrigens war Sean nicht nur reich an Elfenbein, er war es auch an Gold; letzteres wartete auf ihn in den Tresoren der Volkskaas Bank von Pretoria.
Auf einer Erhebung neben der Straße zügelte er sein Pferd und blickte zu seinen schwerfällig heranzockelnden Wagen zurück. Es ist jetzt Zeit für die Farm, dachte er voll Befriedigung. Er war siebenunddreißig, kein junger Mann mehr; wirklich Zeit, die Farm zu kaufen. Sean wußte genau, welche er haben wollte, und er wußte genau, wo er das Wohnhaus errichten würde – am Rand der Landstufe, so daß er abends auf der breiten Veranda sitzen und über die Ebene zum Tugela River schauen konnte, in die blaue Ferne.
»Morgen früh werden wir in Pretoria ankommen.«
Die Stimme riß Sean aus seinem Traum; er drehte sich halb im Sattel um und schaute zu dem Zulu hinab, der neben dem Pferd hockte. »Es war eine gute Jagd, Mbejane.«
»Nkosi, wir haben viele Elefanten erlegt.« Mbejane nickte, und Sean bemerkte zum ersten Mal die Silbersträhnen in der wolligen Haarkappe des Schwarzen. Auch kein junger Mann mehr.
»Wir haben viele lange Märsche gemacht«, fuhr Sean fort, als denke er laut. »Der Mensch kriegt den Treck satt. Es kommt eine Zeit, wo er sich danach sehnt, zwei Nächte hintereinander am selben Ort zu schlafen.«
»Und seine Frauen singen zu hören, wenn sie auf den Feldern arbeiten.« Mbejane spann den Faden weiter: »Und zuzuschauen, wie seine Rinder bei Einbruch der Dämmerung in den Kral kommen, von seinen Söhnen getrieben.«
»Diese Zeit ist für uns beide da, mein Freund. Wir kehren heim nach Ladyburg.«
Als Mbejane aufstand, rasselten die Speere an seinem Schild aus ungegerbtem Fell; Muskeln spielten unter dem samtigen Schwarz seiner Haut, er hob den Kopf zu Sean und lächelte. Es war ein Strahlen, dieses Lächeln, ein Blitzen der weißen Zähne. Sean mußte es einfach erwidern. Die beiden grinsten einander an wie zwei kleine Jungen nach einem gelungenen Streich.
»Wenn wir die Ochsen an diesem letzten Tag tüchtig treiben, können wir Pretoria noch heute erreichen, Nkosi.«
»Machen wir den Versuch.« Sean winkte ihm aufmunternd zu und lenkte sein Pferd im Schritt den Abhang hinunter, auf kürzestem Weg zur Wagenkolonne.
Die Gefährte bewegten sich im weißen, blendenden Licht des afrikanischen Morgens langsam auf Sean und Mbejane zu. Plötzlich entstand am hinteren Ende der Kolonne ein Tumult, der sich rasch nach vorn fortsetzte; die Hunde kläfften, und die Diener feuerten den jungen Reiter an, der an ihnen vorbei zur Spitze jagte. Er hatte sich im Sattel vorgebeugt, spornte sein Pony mit Faust und Fersen an, der Hut hing ihm am Lederband im Nacken, und sein schwarzes Haar wehte von dem raschen Ritt.
»Dieses Junge brüllt lauter als der Löwe, der es gezeugt hat«, brummte Mbejane, aber sein Gesicht verriet große Zuneigung, als er beobachtete, wie der Reiter beim führenden Wagen sein Pony aus vollem Lauf zum Stehen brachte.
»Und er verdirbt das Maul eines jeden Tieres, das er reitet.« Seans Stimme klang ebenfalls brummig, doch seine Augen glänzten, als er sah, wie sein Sohn einen toten braunen Springbock vom Sattelknopf schnitt und neben dem Wagen auf die Straße fallen ließ. Zwei der Ochsentreiber beeilten sich, das Tier aufzuheben. Dirk Courtney gab seinem Pony die Fersen und galoppierte zu Sean und Mbejane, die am Straßenrand warteten.
»Nur einer?« fragte Sean, als Dirk vor ihm sein Pony zügelte und hielt.
»O nein. Ich habe drei erwischt – drei mit drei Schüssen. Die Gewehrboys bringen die anderen.« Lässig, als sei es ganz natürlich, daß er mit neun Jahren das Fleisch für die ganze Gesellschaft herbeischaffte, lehnte sich Dirk im Sattel zurück; die Zügel hielt er mit der Linken, die Rechte hatte er, in getreuer Imitation des Vaters, leger auf die Hüfte gelegt.
Mit strengem Blick, um Stolz und Liebe zu verbergen, musterte Sean seinen Sohn. Die Schönheit des Jungengesichts war fast unanständig; diese unschuldigen Augen und diese makellose Haut hätten einem Mädchen gehören sollen. Die Sonne warf rötliche Lichter auf die dichten dunklen Locken, lange schwarze Wimpern säumten die auseinanderstehenden Augen, und die Brauen bildeten eine feine Linie. Dirks Augen waren Smaragde, seine Haut war Gold, und er hatte Rubine im Haar – ein von einem Goldschmied geschaffenes Gesicht. Der Mund allerdings – Sean empfand leises Unbehagen – war zu groß, hatte zu breite, weiche Lippen. Allzuoft sah es aus, als wollte der Junge gleich schmollen oder quengeln.
»Wir trecken heute den ganzen Tag durch, Dirk. Kein Outspan, bis wir in Pretoria sind. Reite zurück und sage es den Treibern.«
»Schick doch Mbejane. Er tut nichts.«
»Ich habe dich beauftragt.«
»Zum Teufel, Dad! Ich habe heute schon genug getan.«
»Reite, verdammt noch mal!« brüllte Sean mit unnötiger Heftigkeit.
»Ich bin gerade erst zurückgekommen, es ist nicht fair, daß...«, hob Dirk an.
Sean jedoch schnitt ihm das Wort ab. »Wenn ich dich auffordere, etwas zu tun, kommst du mir jedesmal mit einer ganzen Reihe von Argumenten. Tu jetzt, was ich dir sage.« Die beiden maßen einander mit Blicken; Sean schaute durchdringend, Dirk unmutig, schmollend. Der Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen erfüllte Sean mit Entsetzen. Es würde also wieder zu einer jener Willensproben kommen, die zwischen ihnen immer häufiger stattfanden. Würde diese genauso enden wie die anderen? Würde er, Sean, von neuem unterliegen und den Sjambok benützen müssen? Wann hatte er es das letzte Mal getan? Vor zwei Wochen, als er Dirk wegen einer Lappalie im Zusammenhang mit der Versorgung des Ponys getadelt hatte. Dirk hatte schmollend dagestanden, bis Sean mit seiner Predigt fertig gewesen war, und sich dann zu den Wagen getrollt. Sean hatte die Sache als erledigt betrachtet und mit Mbejane geplaudert. Plötzlich war in der Wagenburg lautes Schmerzensgewinsel ertönt, und Sean war rasch hingelaufen.
Mitten im Geviert der Wagen hatte Dirk gestanden, das Gesicht noch dunkel vor Wut, und zu seinen Füßen hatte der winzige Körper eines Welpen gelegen, ein wimmerndes Bündel, dessen Brustkorb von Dirks Tritt eingedrückt war.
Vor Zorn hatte Sean den Jungen geschlagen. Immerhin hatte er trotz des elenden Zorns ein Tauende benutzt und nicht den grausamen Sjambok aus Flußpferdhaut, der sich nach vorn verjüngte. Dann hatte er Dirk in den Wohnwagen geschickt.
Mittags hatte er Dirk holen lassen und eine Entschuldigung verlangt – und Dirk, die Lippen zusammengepreßt, das Kinn vorgeschoben, die Augen trocken, hatte die Entschuldigung verweigert.
Sean hatte ihn wieder geschlagen, mit dem Tau, diesmal nicht im Affekt, sondern kaltblütig. Dirk war nicht zusammengebrochen.
In seiner Verzweiflung hatte Sean dann zum Sjambok gegriffen. Zehn zischende Schläge lang, die mit einem bösen Schnalzen auf Dirks Kehrseite klatschten, war der Junge stumm geblieben. Sein Körper hatte sich bei jedem Hieb leicht aufgebäumt, doch kein Wort war über seine Lippen gekommen. Sean war übel gewesen vor Scham und Schuldgefühl; Schweiß war ihm in die Augen geronnen, als er mechanisch den Sjambok geschwungen hatte, die Finger um den Griff geklammert, im Mund den schleimigen Speichel des Selbsthasses.
Als Dirk endlich schrie, hatte Sean den Sjambok fallen lassen, sich keuchend an die Wagenwand gelehnt und mühsam gegen die Übelkeit angekämpft, die ihm sauer in die Kehle hochstieg.
Dirk hatte geschrien und geschrien. Sean hatte ihn aufgehoben und an die Brust gepreßt.
»Es tut mir leid, Pa! Es tut mir leid. Ich werde es nie wieder tun, das verspreche ich dir. Ich liebe dich, ich liebe dich am meisten von allen – und ich werde es nie mehr tun«, hatte Dirk geschluchzt, während sie einander umschlungen hielten.
Danach hatte tagelang keiner der Diener Sean angelächelt oder auch nur mit ihm gesprochen, es sei denn, um einen Befehl zu bestätigen. Jeder der Diener, Mbejane eingerechnet, hätte bedenkenlos gestohlen, betrogen und gelogen, um Dirk Courtney zu verschaffen, was er haben wollte, und zwar genau in dem Moment, in dem er es haben wollte. Sie haßten jeden, auch Sean, der Dirk etwas verweigerte.
Die Auseinandersetzung lag zwei Wochen zurück. Und jetzt, fragte sich Sean, als er den unschönen Mund betrachtete; müssen wir jetzt alles noch einmal durchexerzieren?
Plötzlich lächelte Dirk. Es war einer dieser Stimmungswechsel, die Sean stets verwirrten, denn wenn Dirk lächelte, stimmte sein Mund. Dann war er unwiderstehlich.
»Ich reite zurück, Dad.« Fröhlich, als gehe er freiwillig, trieb Dirk sein Pony an und trabte zu den Wagen zurück.
»Frecher kleiner...




