Spalt | Das Institut | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 168 Seiten

Spalt Das Institut

Roman
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7076-0674-4
Verlag: Czernin Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 168 Seiten

ISBN: 978-3-7076-0674-4
Verlag: Czernin Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In ihrem neuen Roman erzählt die vielseitige Künstlerin Lisa Spalt metaphorisch von einer Welt, in der Poesie als Instrument einer Diktatur missbraucht wird. Doch 'Das Institut' überrascht Leserinnen und Leser mit einem poetischen Angriff und einem ironischen wie gefinkelten Spiel mit der Sprache. Wir befinden uns in der weltumspannenden Stadt Lands. Sie wird von Diktator Cramp, einer alle befallenden Zuckung, beherrscht. Dieser äfft die Poesie unverschämt nach und stiehlt ihre Methoden, erfindet Figuren und Realitäten. Nur noch das 'Institut für poetische Alltagsverbesserung' (IPA) kann eingreifen - mit einem einfachen Trick: Es öffnet der Welt seine Tore, damit es alle von innen und in all seiner fröhlichen Peinlichkeit bewundern können. Die Diktatur wird - so der Plan - das Institut dabei imitieren und unversehens selbst die Hosen runterlassen.

Lisa Spalt, geboren 1970 in Hohenems. Lebt in Linz. Arbeiten zum Handeln in Sprache und Bildern. Bücher, zuletzt: 'Die zwei Henriettas' (2017), 'Ameisendelirium' (2015), 'Dings. Ein Gebrauchsgegenstand' (2012). Viele Gemeinschaftsprojekte, u. a. als Personifikation des Instituts für poetische Alltagsverbesserung.

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ZWEI
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Schon während der Fahrt von Cluj nach Oradea begann das Institut, sich mit »Äußerungen« vor mich zu stellen. Ich sollte mich »outen«, hieß es, damit ich mich endlich »austauschen« könne. Mir waren diese Rufe nach »Identitäten«, die mir in gewisser Weise verkaufbar erschienen, weil man sie mit anderen gleichsetzen konnte, zuwider. Damals jedoch wusste ich, dass ich, gerade um solches »Handeln« unterbrechen zu können, so effizient wie möglich »erscheinen« musste. Einige Leute willigten beim Auftritt des Instituts in Oradea denn auch sofort ein, sich an meine Stelle zu versetzen. Ich dachte zunächst, sie täuschten sich »in mir«. Sie erschienen mir irgendwie »verrückt«. Ich musste jedenfalls zugeben, dass sie an meiner »Vorstellung« mitwirkten. Nur verstand ich nicht, was sich in dieser gerade »abspielte«. 25
Dann tauchten die ersten verleumderischen Medienberichte auf. Ihren Behauptungen nach lieferte das Institut mit seinem »Spiel« oder »Wackeln in den Gelenken der Sprache« unter dem Label sinnmashine® Dialoge, die das Gespräch zwischen ideologischen Gegnerinnen emotional neutralisierten, sogenannte Unbedenkliche Standarddialoge (USDs). Es hieß, es werde dabei vom IPA auf der Basis der »fortschrittlichsten Grundannahmen« operiert. Das Institut »vertrete« daher die Meinung, es gehe in offiziellen politischen Diskussionen ausschließlich darum, wie man sich darstelle respektive wie man »etwas« darstelle. Man sollte daher bei dieser Art von Gesprächen nie improvisieren. »Ausgewiesene« Expertinnen des IPA müssten dafür gewonnen werden, Instant-Gespräche auszuarbeiten, bei denen alle Beteiligten Hauptrollen spielen könnten. Man wollte mich, hieß es, schleunigst »draußen« haben, die Rede war gar vom »Felde«. Ich sollte aus dem Zentrum der Stadt Lands verdrängt, aber auch »zum Dienst herangezogen« werden, meine »Äußerungen« wirkten »nicht von ungefähr zerrissen«. Schließlich wurde ich aufgefordert, jeden Satz der von mir hergestellten Gespräche so zu formulieren, dass alle Gegnerinnen ihre eigenen Ansichten darin wiederfänden. Man meinte, so könne man Gipfel-Gespräche zu aller Zufriedenheit gemeinschaftlich zur Aufführung bringen. Es sollte mit meiner Hilfe möglich werden, dass alle politischen Gegnerinnen als Siegerinnen vom Platz gingen und die perfekte Harmonie hergestellt werde, ohne dass irgendjemand seine Überzeugung »verraten« müsse. Fest stand: Niemand sollte in einer Zeit wie der »herrschenden« seine Meinung »vertreten«. Diese Leute wollten ihre »Ansichten« für sich behalten, niemand wusste, wie sie »gedacht« waren. Das machte die »Hörigen« schlicht »verrückt«. 26
Beliebtester Gegenstand des öffentlichen Interesses, das nach Jahren der Automatisierung des Denkens nach den lieblichen Spielen der Erdichtung hungerte, dabei aber ahnungslos »abgespeist« wurde, waren in jener Zeit die von Cramp veranstalteten Debattierwettbewerbe. Bei diesen argumentierten »große Persönlichkeiten« im Outfit von japanischen Schülerinnen zu einem vorher ausgemachten Thema. Die zu vertretenden Positionen wurden vor den Bewerben verlost, alle »Bewerberinnen«, die offizielle Meinungen an die Bürgerin bringen wollten, trugen braune, knapp oberhalb der Knie endende Faltenröcke, welche sie ebenso harmlos erscheinen ließen wie die weißen Blusen. Diese aber waren heimlich »gestärkt« worden, und alle anderen »Auftritte« wurden von den erlaubten sowieso nach kurzem Geplänkel »geschlagen«. Man sprach nicht von ungefähr von der »Tracht« und den sich mit den weißen Baumwoll-Hemden »spießenden« braunen Schurwoll-Krawatten. Nach den »Spielen« durfte die Gewinnerin dann einen in der Provinz China »hergestellten« und in einem Vorgang des »Übersetzens« hierher transferierten Pokal7 mit nach Hause nehmen. Meistens »gewann« allerdings Cramp. Sein »Kredit« wurde jeden Tag größer. Jedes Mal wurden die »Vorkommnisse« außerdem »viral« über die sozialen Medien »übertragen«, damit den Weltbürgerinnen von Lands »alles« immer sofort am eigenen Leib »verraten« werden konnte. Die Landserinnen bezahlten dafür. 27
Eine Expertinnengruppe, an die in der Weltstadt Lands damals viele glaubten, sodass sie den meisten zu existieren schien, war die der Grammatikerinnen. Diese wurde direkt von Cramp ausgebildet, der seinerseits die »Schule der gebrochenen Syntax« vertrat. Alle Einwohnerinnen von Lands kannten daher spätestens im Alter von vierzehn ihre Kategorien von Subjekt und Objekt. Allgemein aber pflegte man zu denken, so ähnlich wie ein Objekt zu sein. Ja, ab und an hat eine darauf hingewiesen, dass es doch, wo so viele Objekte seien, auch etwas geben müsse, das einem Subjekt gleichsehe. Man fand aber unter den Bürgerinnen der Weltstadt keine, die diese Rolle übernehmen wollten. Von Zeit zu Zeit beschwerte sich jemand darüber, dass es im Land nur um dritte und vierte Fälle gehe, dass es nur darum gehe, wem gegeben werde, wem etwas angetan werde, dass man stets nur darüber debattieren könne, wen man opfern oder anklagen wolle. Manche fanden, das sei grammatikalisch langweilig. Aber für solche Überlegungen war in den Köpfen der meisten Landserinnen kein Platz. Man steckte den Bewohnerinnen der Weltstadt gleich zu Beginn alle Viere der Verantwortung durch die Stäbe der Gitterbetten, und da steckten sie nun. Nichtsdestotrotz waren sie in ihrer Sprache »Leute, die etwas darstellten«, und daher ganz einfache erste Fälle. Sie hätten aufhören können zu »handeln«, diese Hoffnung hegte ich.8 28
Eines Tages geschah die »Sache mit dem Licht«. Ich hatte lange im Dunkel der »Ahnungslosigkeit« gelebt, wie es »schien«, so war mir nicht aufgefallen, wie viel um mich herum bereits »los« war. Von einem Moment an aber wurde ich eine Beute der Paranoia, die allenthalben um sich gegriffen hatte und die sich irgendwie von den Wortbestandteilen »pará« für »über hinaus« und dem englischen »annoyance« für »Langeweile« oder »Belästigung« herleitete. Ich erblickte an diesem Tag jedenfalls das mir bisher so vertraute »Licht der Welt«, doch von einer Sekunde auf die andere glaubte ich, es als das Böse schlechthin zu erkennen. Es »schien« mir »nämlich« nicht mehr »eins« zu sein. Es »schien« mir, dass dieses Licht ein Zusammenhängendes zu sein nur vorgab. Eine einzige Gestalt benutzend, flossen ständig neue Lichtwellen oder -teilchen aus den Neonröhren des Labors heraus, ein ganzes trojanisches Heer war das, welches den Raum bevölkerte und mit den Jahren überfüllte, während es an den Gegenständen immer neue, freundlich wirkende Hinweise auf vermeintliche Zwecke anbrachte. Mir kam vor, dass es sich »einschaltete«, wo immer ich war, doch wusste ich nicht, was es mir damit »bedeuten« wollte. Ich dachte, irgendwann werde es womöglich einen Moment geben, in dem sich mein Leben als etwas herausstellen werde, das auf dieselbe Weise unheimlich war wie jenes Strahlen. Verebbte es, wenn ich es ausschaltete, gab es bei Licht so etwas wie ein Fade-out? Oder verschwand es im selben Moment, in dem ich die »Quelle des Stroms« unterbrach, auch aus den Ecken meiner Arbeitsstätte? Gab es zwischen dem Licht, das eben aus der Lampe strömte, und jenem, das gerade in der Ecke lag, eine Verbindung? Ich hatte mit einem Mal den Eindruck, die »Sache mit dem Licht« sei eine Art bösartige Metapher, die ich im Moment nicht fassen könne, doch meinte ich zu wissen, dass sich hinter den Dingen etwas verbergen müsse, da ich sie nicht »wirklich beleuchten« konnte, dass die ganze Welt im »überzogenen«, filmartigen Sinn zu verstehen sei. Sie erschien mir, kurz gesagt, als Schicht oder Licht über etwas, zu dem ich jederzeit unversehens durchbrechen konnte. Strom oder Übertragung: Ich sah mich nun als »Leitung« des Instituts. Und tatsächlich: Ich war, wie ich später erst verstand, »angesteckt« worden. 29
Meine »Visionen« oder »Sichtungen« nahmen in der Folge aufgrund einer von mir zu der Zeit noch nicht erkannten »Rationalisierung«, die den nahezu armeeartigen, weil immer zahlreicheren »Auftritten« meiner Images geschuldet war, zu. In einer meiner Visionen schien es mir bewiesen, dass die mit zwei silbern schimmernden Augenhöhlen versehenen Erdnussschalen, die ich jeden Abend vor dem Fernseher aufbrach, sich über eine bestimmte Art von »Geschichte machender« Interpretation in Kameras verwandeln ließen. Nach ihrer Aktivierung durch das Fallen in den...



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