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E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Springer Der Fall der linkshändigen Lady

Ein Enola-Holmes-Krimi: Band 2
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-95728-626-0
Verlag: Knesebeck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Enola-Holmes-Krimi: Band 2

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-95728-626-0
Verlag: Knesebeck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Enola versteckt sich in London noch immer vor dem genialsten Detektiv der Welt, ihrem eigenen Bruder Sherlock Holmes, und wartet auf weitere verschlüsselte Nachrichten ihrer Mutter. Als sie zufällig von der verschwundenen Lady Cecily erfährt und in den faszinierenden Kohlzeichnungen der offenbar sehr begabten Künstlerin eine Seelenverwandte erkennt, übernimmt Enola die Ermittlungen. In verschiedenen Verkleidungen auf den dunklen Londoner Straßen unterwegs und immer auf der Hut vor Mördern und Verbrechern, muss Enola die Hinweise entschlüsseln: eine angelehnte Leiter, ein gerissener Verkäufer, politische Flugblätter… Um Lady Cecily zu retten, riskiert Enola mehr als sie sollte – und kommt dabei auch ihrem Bruder unerwartet nahe.

In diesem spannenden Nachfolger des ersten Bands führt Nancy Springer die Leser zurück in das düstere und gefährliche Viktorianische London und setzt die Abenteuer der schlauen Detektivin Enola Holmes fort.

Der Film mit Millie Bobby Brown, Henry Cavill und Helena Bonham Carter war 2020 einer der erfolgreichsten Filme auf Netflix!

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1. Kapitel


Absolut verblüfft und schockiert betrachtete ich die Karte, die mir der Page soeben auf einem Silbertablett gebracht hatte.

»Dr. med. John Watson.« Ich sprach den Namen laut aus, um mir zu versichern, dass ich mich nicht verlesen hatte. Denn ich konnte nicht fassen, dass ausgerechnet er der allererste Klient sein sollte, der das (im Januar 1889) neu eröffnete Büro des einzigen Wissenschaftlichen Perditors – also eines professionellen Finders von vermissten Dingen und Menschen – in ganz London – und sogar der ganzen Welt – aufsuchte.

Dr. John Watson? John war ein gängiger Name, aber Watson? Noch dazu Doktor der Medizin? Es konnte kein Irrtum sein, trotzdem wollte ich es nicht glauben. »Etwa Dr. Watson, Joddy?«

»Woher soll ich das denn wissen, gnädige Frau?«

»Joddy, ich habe es doch nun oft genug gesagt, Sie sollen mich mit Miss Meshle ansprechen. Einfach .« Ich rollte mit den Augen, doch was konnte man schon von einem Jungen erwarten, den seine Mutter Jodhpur genannt hatte (was im Kirchenregister fälschlich »Jodper« geschrieben worden war), weil diese Bezeichnung für Reithosen in ihren Ohren vornehm klang? Schuld war Joddys Ehrfurcht vor meinen Rüschen und Puffärmeln, weshalb er mich »gnädige Frau« nannte. Doch das durfte er nicht, sonst würden die Leute anfangen, Fragen zu stellen. Seine Ehrfurcht wollte ich dem Pagen durchaus nicht austreiben. Immerhin bemerkte er so nicht, dass ich nur ein Mädchen war, kaum älter als er selbst. Nur das »gnädige Frau« sollte er sich endlich verkneifen.

Gefasster und darauf bedacht, ja nicht zu aristokratisch zu klingen, fragte ich ihn: »Sie haben dem Gentleman ausgerichtet, dass Dr. Ragostin nicht im Haus ist?«

»Ja, gnädige Fr… Ich meine, ja, Miss Meshle.«

Das Büro des Wissenschaftlichen Perditors trug den Namen eines gewissen Dr. Leslie T. Ragostin zur Schau. Schließlich können nur Männer Wissenschaftler sein. Allerdings würde »Dr. Ragostin« nie mit seiner Anwesenheit glänzen, da er – als Doktor mit einem Universitätsabschluss – nur in meiner Vorstellung sowie auf den Plaketten und Visitenkarten existierte, die ich bei jeder Gelegenheit in Geschäften, Kiosken, Hörsälen und an Obstständen auslegte.

»Würden Sie Dr. Watson in mein Büro bringen? Ich werde sehen, ob ich ihm weiterhelfen kann.«

Joddy eilte hinaus. Anders als sein Verstand machte zumindest seine äußere Erscheinung Eindruck: mit Borten an Ärmeln und Hosenbeinen, weißen Handschuhen und einem gestreiften Hütchen auf dem Kopf, das verdächtig an eine Miniaturtorte erinnerte. Aber warum auch nicht? Die meisten Uniformen sind absurd.

Sobald er verschwunden war, ließ ich mich auf den Holzstuhl hinter meinem Schreibtisch sinken, weil meine Knie so stark zitterten, dass meine seidenen Unterröcke raschelten. So ging das nicht. Nachdem ich tief durchgeatmet hatte, schloss ich kurz die Augen und rief mir das Gesicht meiner Mutter in Erinnerung. Sobald ich sie vor mir hatte, konnte ich praktisch ihre Stimme hören: »Enola, du kommst sehr gut allein zurecht.«

Diese geistige Übung zeigte die erwünschte Wirkung. Gefasst öffnete ich die Augen, als Joddy Dr. Watson aus dem Wohnzimmer, das als Warteraum diente, auch schon hereingeleitete.

»Dr. Watson. Ich bin Dr. Ragostins Sekretärin, Miss Ivy Meshle.« Ich erhob mich, um meinem Besucher die Hand zu reichen, und stellte fest, dass er genau so war, wie ich anhand seiner Berichte und Aufsätze erwartet hatte: ein stämmiger englischer Gentleman, der zwar nicht reich war, aber eindeutig der gebildeten Schicht angehörte und mit einer gesunden Gesichtsfarbe, freundlichen Augen und einem winzigen Hang zum Übergewicht ausgestattet war.

Ich hoffte, andersherum sah er in mir, was ich zu sein vorgab: eine absolut gewöhnliche, junge arbeitende Frau mit einer übertrieben großen Brosche auf der Front ihres Kleides und ebenso hässlichen, dazu passenden Ringen in den Ohren – überhaupt reich geschmückt mit billigem Tand, welcher die jüngste Mode imitierte (auch nicht weniger absurd als eine Uniform). Ein Mädchen, dessen hübsche Locken nicht gänzlich die eigenen waren, sondern höchst wahrscheinlich von einem bayerischen Bauernmädchen stammten. Eine junge Frau, zwar ehrenwert, jedoch nicht kultiviert. Eine, deren Vater vielleicht ein Sattler oder ein Gastwirt war. Ein Mädchen, das vor allem damit beschäftigt war, sich einen Ehemann zu angeln. Sollte meine Verkleidung mithilfe der bereits erwähnten »Brosche«, außerdem einer eng anliegenden Halskette, übertrieben vielen Schleifen und den allzu offensichtlichen Haarteilen diesen Eindruck erwecken, dann erfüllte sie genau ihren Zweck.

»Erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Meshle.« Dr. Watson hatte selbstverständlich längst den Hut abgenommen. Und ganz wie es sich gehörte, hatte er zunächst seine Handschuhe ausgezogen und sie gemeinsam mit dem Gehstock dem Pagen anvertraut, bevor er meine Hand ergriff und schüttelte.

»Bitte, nehmen Sie Platz.« Ich deutete auf den Sessel. »Rücken Sie ihn gerne nah an den Kamin. Schrecklich kalt draußen, nicht wahr?«

»Grässlich. Noch nie habe ich erlebt, dass die Themse so dick zugefroren ist, dass man darauf Schlittschuh laufen kann.« Beim Reden rieb er die Hände aneinander und hielt sie nah ans Feuer. Trotz aller Bemühungen war der Raum nicht allzu warm und ich beneidete meinen Gast um den bequemen gepolsterten Sessel. Aus irgendeinem Grund hatten mir Kälte und Feuchtigkeit nicht viel ausgemacht, bevor ich nach London gekommen war, wo ich bereits einen Bettler – zumindest seine körperlichen Überreste – gesehen hatte, der am Gehsteig festgefroren war.

Ich setzte mich auf den unbequemen Holzstuhl hinter meinem Schreibtisch, zog den Schal fester um die Schultern, rieb meine eigenen Hände (steif, trotz der gestrickten Handschuhe, aus denen meine Finger herausspitzten) und griff nach Stift und Notizbuch. »Es tut mir so leid, Mr Watson, dass Dr. Ragostin außer Haus ist. Sicherlich wäre er hocherfreut, Sie kennenzulernen. Sie sind doch der Dr. Watson, der mit Mr Sherlock Holmes bekannt ist, oder irre ich mich?«

»Das bin ich.« Höflich, ja sogar bescheiden, blickte er mich dabei an. »Tatsächlich geht es bei meinem Besuch um ihn.«

Mein Herz klopfte auf einmal so heftig, dass ich beinahe Angst bekam, mein Gast könnte es hören. Ich konnte mir nicht länger einreden, ein glücklicher – oder unglücklicher – Zufall hätte diesen Mann zu mir geführt.

In dieses Büro, um den weltweit einzigen professionellen Finder von vermissten Dingen und Menschen aufzusuchen.

Dennoch gab ich mir Mühe, lediglich höflich und wie eine Frau aus der Mittelschicht zu klingen, mit der angebracht dienstbeflissenen Mischung aus Fleiß und Unterwürfigkeit. »Ach ja?« Mit gezücktem Stift fragte ich: »Und um welche Art von Schwierigkeit handelt es sich bei Mr Holmes?«

»Sicherlich werden Sie verstehen, Miss Meshle, dass ich diese Angelegenheit lieber mit Dr. Ragostin persönlich besprechen würde.«

Ich lächelte. »Und Sie, Dr. Watson, werden gewiss verstehen, dass man mich damit betraut hat, alle einleitenden Maßnahmen zu ergreifen, um Dr. Ragostins kostbare Zeit weitestgehend zu schonen. Dr. Leslie Ragostin hat mir seine ausdrückliche Vollmacht erteilt – natürlich nicht, um selbst in Aktion zu treten«, fügte ich hinzu, um das angeborene Misstrauen Frauen gegenüber zu dämpfen. »Doch häufig bin ich für ihn Augen und Ohren. Genau wie Sie für Mr Sherlock Holmes«, ergänzte ich schmeichelnd, ohne es allzu offensichtlich erscheinen zu lassen.

Ohne ihm zu zeigen, wie sehr ich innerlich flehte: .

»Ähm, ja«, sagte Dr. Watson unsicher. »Gewiss.« Er hatte wirklich freundliche Augen, umso mehr wenn er sich Sorgen machte. »Nur bin ich nicht sicher – die Angelegenheit ist etwas delikat … Holmes weiß nämlich nichts von meinem Besuch hier.«

Schlagartig beruhigte sich mein Herz, dafür tat es nun weh.

Scheinbar gelangweilt sagte ich zu Dr. Watson: »Sie können sich auf meine absolute Verschwiegenheit verlassen.«

»Gewiss. Natürlich.« Und als hätte mein schwindendes Interesse ihn, eine gequälte Seele, dazu verleitet, sich mir anzuvertrauen, umklammerte er die Lehnen seines Sessels und begann zu erzählen.

»Zweifellos wissen Sie, dass ich zu Beginn seiner...


Springer, Nancy
Nancy Springer hat bereits über 50 Romane und Krimis für Kinder, Jugendliche und Erwachsene geschrieben. Ihre Bücher wurden in zwölf Sprachen übersetzt und weltweit schon über zwei Millionen Mal verkauft. Nancy Springer lebt mit ihrem Mann in Florida, USA.



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