E-Book, Deutsch, Band 2, 352 Seiten
Reihe: Miss Mystery
St John Miss Mystery – Der Tanz der Schlange
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7336-5205-0
Verlag: Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Band 2
E-Book, Deutsch, Band 2, 352 Seiten
Reihe: Miss Mystery
ISBN: 978-3-7336-5205-0
Verlag: Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lauren St John ist inmitten von Pferden, Katzen, Hunden und mit einer zahmen Giraffe auf einer Farm in Simbabwe, Afrika, aufgewachsen. Im Alter von siebzehn Jahren arbeitete sie ein Jahr lang als Tierarzthelferin, bevor sie Sport- und Musikjournalistin wurde. Heute lebt Lauren St John in London, England. Sie liebt Tiere und ist eine bekennende Pferdenärrin. Wenn sie gerade nicht schreibt oder Leoparden rettet, bedient sie ihren überhaupt-nicht-verwöhnten Bengalkater Max. Miss Mystery - Der Schrei des Papageis: - Nominiert für den CrimeFest Award 2019
Weitere Infos & Material
1 Nachbeben
»Hältst du es wirklich für eine gute Idee?«, fragte Kat Wolf.
»Definitiv«, schnaufte Hanna Fox und ging unbeirrt weiter den Küstenweg hinauf. »Sonst bekomme ich das mysteriöse Traumhaus, von dem du mir schon so viel erzählt hast, nie zu sehen. Hast du nicht gesagt, dass man nur über diesen steilen Weg hinaufkommt?«
»Ja, aber –«
Kat schnappte entsetzt nach Luft, als Hanna an der gefährlichsten Stelle plötzlich stolperte – dem Abschnitt des Anstiegs, wo das Geländer zu Ende war und man direkt am Klippenrand stand. Da es hier nichts zum Festhalten gab, brauchte man nur auszurutschen oder zu stolpern, und schon stürzte man kopfüber in sein Verderben. Als Kat einen Satz machte, um ihre beste Freundin festzuhalten, konnte sie einen flüchtigen Blick auf die Wellen erhaschen, die tief unter ihnen schäumend an den Fuß der Klippen donnerten. Ihr wurde fast schwindelig.
»Wir können doch auch nächste oder übernächste Woche hinaufgehen«, schlug sie vor und zog Hanna unsanft auf die sichere Seite des Pfads, was ihr allerdings ein paar Kratzer des Brombeergestrüpps einbrachte. »Wir haben die ganzen Sommerferien noch vor uns. Und Avalon Heights läuft uns nicht weg.«
Ihre amerikanische Freundin putzte sich die Gischtspritzer von der Brille, bevor sie darauf antwortete. Hanna war vor dreieinhalb Monaten von ihrem Rennpferd Charming Outlaw abgeworfen worden, was ihr zwei Beinbrüche eingebracht hatte. Deshalb war sie noch immer etwas schwach auf den Beinen und ermüdete leicht. Doch obwohl ihr Herz so heftig schlug, dass es ihr beinahe aus der Brust hüpfte, und obwohl sämtliche Muskeln in ihren untrainierten Beinen schmerzten, wollte sie keineswegs aufgeben.
Als die beiden Mädchen ihren ersten Fall lösten, hatte Hanna zu Hause auf dem Sofa herumsitzen müssen, im Paradise House, in dem sie mit ihrem Paläontologen-Vater und ihrer englischen Haushälterin Nettie wohnte. Ihre Mutter war schon vor Jahren gestorben.
Kat war damals nach Bluebell Bay gezogen, weil ihre Mutter die Tierarztpraxis in diesem idyllischen Städtchen an der Südküste Englands übernommen hatte. Um ihr Taschengeld aufzubessern, hatte Kat sofort eine Tiersitteragentur gegründet, woraufhin Hannas Vater sie angeheuert hatte, um Charming Outlaw auszureiten, solange seine Tochter krankheitsbedingt ans Haus gefesselt war.
Kat und Hanna hatten sich schnell angefreundet und waren inzwischen fast unzertrennlich.
Auch Kats zweiter Tiersitterauftrag hatte nicht lange auf sich warten lassen. Sie sollte sich in Avalon Heights um einen Amazonenpapagei kümmern, dessen Besitzer für einige Zeit verreisen wollte. Hanna konnte sich noch bestens erinnern, wie Kat ihr ihren ersten Besuch in dem einsam auf den Klippen gelegenen Haus beschrieben hatte. Sie war bei kaltem Nebelwetter den glitschigen Küstenweg hinaufgegangen, hatte eine offen stehende Haustür vorgefunden und einen verängstigten, kauderwelschenden Papagei im Inneren. Von Ramón, seinem Besitzer, weit und breit keine Spur. Und weil eine Menge seltsamer Umstände zusammenkamen, war Kat schnell davon überzeugt, dass der Besitzer des Papageis einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein musste. Da sie in dem Städtchen sonst noch niemanden kannte, hatte sie es nur Hanna erzählen können, die spontan versprochen hatte, ihr bei der Aufklärung dieses mysteriösen Falls zu helfen. Das war der Beginn eines Abenteuers gewesen, das die beiden Mädchen beinahe Kopf und Kragen gekostet hätte.
An diesem Tag aber war der Himmel herrlich blau und wolkenlos. Die Julisonne schien angenehm warm auf sie herab. Trotzdem jagte Hanna ein kalter Schauer über den Rücken, als sie nun den Kopf hob und zu dem futuristisch aussehenden Haus hinaufblickte, das nur aus Stahl und Glas zu bestehen schien und dessen Sonnenterrasse wie ein riesiger Kiefer auf den Ozean hinausragte.
»Erde an Hanna. Sollen wir umkehren?«, fragte Kat.
»Warum? Hast du Schiss?«
»Was?! Natürlich nicht! Du etwa?«
Hanna grinste. »Heute nicht. Alles, was du mir damals von Avalon Heights erzählt hast, fand ich so gruslig, dass ich es im Leben nicht betreten wollte. Aber meine Angst ist wie weggeblasen. Ich bin total gespannt und kann kaum erwarten zu sehen, ob es wirklich so aussieht, wie ich es mir immer vorgestellt habe.«
Beherzt nahm sie das letzte steile Wegstück in Angriff, obwohl sie bei jedem Schritt die Zähne zusammenbeißen musste. Aber sie war fest entschlossen, nicht zu jammern. Kat blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.
Eine Minute später standen die beiden Freundinnen auf den Stufen, die zur Haustür von Avalon Heights führten. Ein Schild mit der Aufschrift schaukelte quietschend und einsam im Wind.
Kat drückte auf die Türklingel.
Hanna starrte sie an. »Hey, hast du nicht gesagt, das Haus steht leer?«
»Tut es auch. Die Immobilienmaklerin war gestern in unserer Tierklinik, um Welpenfutter zu kaufen. Und sie hat zu meiner Mum gesagt, es sei nicht einfach, den richtigen Mieter zu finden. Ich wollte nur überprüfen, ob nicht doch jemand hier ist. Vielleicht hat die Agentur ja eine Putzfrau oder einen Handwerker hochgeschickt.«
Sie läutete ein zweites Mal.
Doch Hanna hatte plötzlich Bedenken. »Was, wenn wir erwischt werden? Meinst du, dann werden wir verhaftet?«
»Kann ich mir nicht vorstellen.« Kat tippte den Zugangscode ein. »Es ist nichts mehr da, was das Haus geheim oder speziell gemacht hat. Aber es ist immer noch Privateigentum. Deshalb könnten wir Ärger kriegen wegen unerlaubten Betretens oder so. Wir müssen also schnell sein. Nur kurz rein und wieder raus. Und denk daran, ja nichts anzufassen!«
Stirnrunzelnd starrte sie auf das Türschloss und versuchte es mit anderen Zahlenkombinationen.
Ein scharfer Windstoß ließ Hanna erneut frösteln. Warum um alles in der Welt hatte sie zu Kat gesagt, sie würde vor Neugier sterben, wenn sie nicht endlich einen Blick in das Haus werfen könne, das in ihrem letzten mysteriösen Fall eine so wichtige Rolle gespielt hatte? Im Moment aber wünschte sie sich nur noch eins: zu Hause im Paradise House auf dem Sofa zu liegen. Aus der Nähe betrachtet, hatte Avalon Heights etwas Kaltes, Abweisendes.
»Du, ich hab es mir anders überlegt. Gehen wir!«
Stahlriegel schnappten zurück. Die schwere Tür schwang auf. Kat verschwand im Inneren. Hanna blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Sie zog ebenfalls ihre Sneaker aus und stellte sie im Flur neben die von Kat.
Kaum hatte sie sich wieder aufgerichtet, war alle Nervosität auf einen Schlag vergessen. Vergessen war auch der Gedanke, dass es noch lange nicht okay war, den Türcode zu benutzen, nur weil der frühere Bewohner ihn Kat damals verraten hatte. Vergessen war alles andere außer diesem umwerfenden Haus mit der riesigen Glasfront und dem atemberaubenden Ausblick. Das schimmernde indigoblaue Meer schien sich in einer sonnenbeschienenen Welle ins Haus zu ergießen.
»Oh, Kat, das ist ja noch toller, als ich es mir vorgestellt hatte! Mein absolutes Traumhaus hoch zehn! Ich würde noch heute hier einziehen, wenn es ginge. Sieh dir dieses Heimkino an und – herrje, ist das ein Fitnessraum? Hey, was ist los?«
Kat stand am Fuß der Stahltreppe und starrte nach oben. Ihr sommersprossiges Gesicht wirkte verstört. Sie legte sich einen Finger an die Lippen und flüsterte:
, raunte Hanna zurück.
Hanna hatte nur das gedämpfte Rauschen der Wellen gehört. Jetzt, wo sie hier war, fand sie das Haus kein bisschen furchteinflößend mehr. »War vielleicht ein Vogel auf dem Dach oder ein Wasserrohr«, meinte sie, nun wieder in normaler Lautstärke. »Das kann passieren in Häusern, die eine Zeitlang leer stehen. Jetzt sei kein Angsthase, Kat, und zeig mir alles!«
Sie wirbelte durch das riesige Wohnzimmer, schlaksig wie ein neugeborenes Fohlen.
Kat blickte noch einmal die Treppe hoch, beschloss dann aber, dass sie sich bestimmt verhört hatte. In ihren Socken rutschte sie über das Parkett zu ihrer Freundin an der Glasfront, kam kurz vor ihr zum Stehen und machte eine theatralische Verbeugung. Hanna tänzelte vor ihr her in die Küche und trällerte dabei fröhlich vor sich hin.
»Achtung!«, rief Kat lachend und machte einen Satz, um eine Vase zu retten, die Hanna um ein Haar umgeworfen hätte. »Wenn wir etwas kaputtmachen, könnten wir es nur schwer erklären.«
Sie spähte unter die Küchentheke. »Erinnerst du dich daran, dass ich hier eine Aktenmappe im Army-Stil gefunden habe? Ich bin mir sicher, dass sie aus irgendeinem Geheimfach fiel. Ich habe sie immer noch, weißt du. Aber es war nichts Interessantes drin, nur ein paar alte –«
Plötzlich gab es einen Knall. Kat richtete sich so ruckartig auf, dass sie sich beinahe den Kopf angeschlagen hätte. »Mensch, Hanna! Was hast du jetzt wieder angestellt?«
Auf einem Regal, auf dem mehrere Dinosaurierbecher in einer Reihe standen, klaffte plötzlich eine Lücke. lag in Scherben auf dem Boden. Hanna rief verdutzt: »Ich war’s nicht, Ehrenwort! Ich war nicht mal in der Nähe!«
»Aha, dann war’s wohl ein Geist – willst du das behaupten?«
»Vermutlich derselbe Geist, den du oben stöhnen und ächzen gehört hast«, entgegnete Hanna. »Ehrlich, Kat, ich stand schon hier, als der T-Rex plötzlich einen Satz machte, als hätte er ’nen...




