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Stähli | Angewandte Traumapädagogik | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 245 Seiten

Stähli Angewandte Traumapädagogik

Ein Praxisbuch
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-497-61977-1
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Praxisbuch

E-Book, Deutsch, 245 Seiten

ISBN: 978-3-497-61977-1
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Buch ermutigt und befähigt zur traumasensiblen Arbeit. Der erste Teil vermittelt theoretisches Verständnis über Trauma, basierend auf dem aktuellen Wissensstand der Psychotraumatologie, Neurobiologie und Psychologie. Das vom Autor entwickelte Traumapädagogische Anwendungsmodell (TAM) wird verständlich erklärt und bildet eine Brücke zur Praxis. Der zweite und der dritte Teil gehen auf die Anwendung im Alltag ein. Neben bekannteren Konzepten wie 'Der gute Grund', 'Partizipation' oder 'Transparenz' werden auch traumapädagogische Ansätze für häufige und besonders große Herausforderungen wie Gegenübertragungen, getriggerte Zustände oder der Umgang mit Konsequenzen vertieft. Dabei arbeitet das Praxisbuch mit zwei durchgängigen Fallbeispielen.

Olaf Stähli, Hirzel (CH), ist Psychologe und Supervisor und arbeitet seit bald 30 Jahren in unterschiedlichen Funktionen in der ambulanten und stationären Kinder- und Jugendarbeit. Er bietet Weiterbildung, Fachberatung und Coaching für Fachpersonen und Organisationen in sozialen Berufsfeldern an.
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Zielgruppe


Pädagogische Fachkräfte und Sozialarbeiter:innen, die mit traumatisierten Menschen arbeiten, sowie interessierte Laien (z. B. Pflege- und Adoptiveltern)

Weitere Infos & Material


Inhalt
Vorwort . 9
Einführung 10
Traumapädagogischer Lernprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Fachpersonen und betroffene Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Traumapädagogik und traumasensible Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Anleitungen und Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Illustrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Kayla und Elias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Teil 1 - Wissenskompetenz . 20
1 Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
1.1 Neurobiologie und Psychologie des Traumas . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2 Psychotraumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.1 Verlauf und Diagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.2 Dissoziation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.3 Verarbeitungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.4 Unter- und Überregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.5 Trigger und kritische Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3 Traumapädagogisches Anwendungsmodell (TAM) . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
3.1 Farbverteilung im TAM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
3.2 Abgrenzung TAM von Stresskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.3 Typische Symptome von Traumafolgestörungen . . . . . . . . . . . . . 59
3.4 Missverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4 Das Wesen der Traumapädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.1 Abgrenzung zur Traumatherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.2 Beziehungsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
4.3 Geschenke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.4 Empathisches Verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
4.5 Vom Reflex zur Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.6 Traumapädagogische Haltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
4.7 Paradoxe Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
4.8 Pädagogik des Hinzufügens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
4.9 Traumapädagogik auf struktureller Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
4.10 Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht . . . . . . . 81
5 Übertragung und Gegenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
5.1 Übertragungsphänomene erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
5.2 Umgang mit Gegenübertragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
5.3 Externe Reflexionsgefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
6 Traumatisiert oder nicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
6.1 Traumapädagogische Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
6.2 Hinterfrage die Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
Teil 2 - Handlungskompetenz . 97
7 Der gute Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
7.1 Unterschied in de


Teil 1 – Wissenskompetenz


Trauma und seine neurobiologischen Auswirkungen zu verstehen, ermöglicht Fachpersonen und Laien, von Trauma betroffene Kinder, Jugendliche und Erwachsene nachhaltiger zu unterstützen. Dieses Verstehen bildet die Grundlage, um im Leben und der Entwicklung der betroffenen Menschen einen wesentlichen Unterschied zu machen – sei dies bei der Arbeit, im Familienleben oder im Freundeskreis.

1 Trauma


In der Psychologie steht Trauma für eine psychische oder seelische Verletzung. Der Begriff der traumatischen Hysterie wurde Ende des 19. Jahrhunderts in die Psychologie eingeführt (Freud / Breuer 1895). Im Nachgang des Vietnamkriegs und der therapeutischen Arbeit mit schwer psychisch belasteten amerikanischen Veteranen entstand die Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) (van der Kolk 2014).

Ein Trauma wird durch eine traumatische Situation verursacht. Ein psychisches Trauma kommt zustande, wenn ein Mensch ein bedrohliches Ereignis nicht von sich aus bewältigen kann und er sich z. B. durch Flucht oder Kampf nicht selbst erfolgreich schützen kann. Ein Trauma wird somit auch zu einem Diskrepanz-Erlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und individuellen Bewältigungsmöglichkeiten (Herman 2022).

Eine traumatische Situation ist immer von überwältigenden Gefühlen wie Angst, Horror, Hilflosigkeit und Ohnmacht begleitet (World Health Organization 2022) und ist von totalem Verlust der Kontrolle, des Vertrauens in sich und in andere geprägt. Man weiß sich nicht zu schützen, und auch andere Menschen sind nicht in der Lage oder präsent genug, um Schutz zu gewähren. Jegliches Gefühl von Sicherheit, Zuversicht, Hoffnung und Geborgenheit wird bei einem traumatischen Erlebnis zutiefst zerrüttet (Herman 2022; Fischer / Riedesser 2023).

Eine traumatische Erfahrung wird im Moment des Erlebens bei jedem Menschen überwältigende Gefühle auslösen. Ob die traumatische Erfahrung aber zu einer Traumatisierung mit nachhaltigen Lebensqualitätseinbußen und Folgestörungen führt oder keine Auswirkung hat, hängt jedoch von den Umständen vor, während und insbesondere nach der traumatischen Erfahrung ab (Gahleitner 2021; Dreiner 2013).

Umstände vor der traumatischen Erfahrung haben einen Einfluss auf eigene Ressourcen und Bewältigungsmöglichkeiten während und insbesondere nach der traumatischen Situation. Risikofaktoren sind familiäre Vorbelastungen, frühere Belastungserfahrungen und bereits erlebte Traumatisierungen sowie Entwicklungsstörungen oder Beeinträchtigungen. Der wichtigste Faktor ist die innere Sicherheit der betroffenen Person. Große innere Sicherheit begünstigt eine Verarbeitung der traumatischen Erfahrung (van der Kolk 2014; Herman 2022). Die innere Sicherheit wird insbesondere durch die Bindungserfahrungen geprägt. Je geglückter frühe Bindungserfahrungen sind, desto stärker entwickelt sich innere Sicherheit (Bowlby 1988).

Die Umstände während der traumatischen Erfahrung wiederum unterscheiden sich darin, ob die traumatische Erfahrung durch äußere Ereignisse (Erdbeben, Unfall, Einbruch) oder durch Menschen im direkten Kontakt (man-made) absichtlich oder wider besseres Wissen verursacht wurden (Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung). Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist die Anzahl und Häufigkeit traumatischer Erlebnisse. Dabei spielen sowohl die Kumulation (das Ansammeln) mehrerer unterschiedlicher traumatischer Ereignisse als auch wiederkehrende traumatische Erfahrungen wie auch wiederkehrende retraumatisierende Erfahrungen eine Rolle. (Beide wiederkehrende Formen werden sequenzielle Traumatisierungen genannt). Einmalige und nicht-menschengemachte Traumata bergen ein geringeres Risiko für eine Traumafolgestörung, während kumulierte und sequenzielle sowie von Menschen (man-made) verursachte Traumata das Risiko einer Traumafolgestörung erhöhen (Terr 1991; Gahleitner 2021; Scherwath / Friedrich 2020; Zimmermann 2017a).

Der allerwichtigste Faktor sind jedoch die Umstände nach der traumatischen Erfahrung. Herman (2022) hebt die Wichtigkeit hervor, dass die betroffene Person auf eine oder mehrere Menschen zurückgreifen kann, die eine tragfähige Beziehung bieten können und so die Verarbeitung der traumatischen Erfahrung beträchtlich begünstigen können. Dies bedingt, dass die unterstützenden Menschen er- und anerkennen, dass der betroffenen Person ein schweres Leid widerfahren ist und dass sie die schweren und überfordernden Gefühle der betroffenen Person mittragen, sprich selbst einen genügend konstruktiven Umgang damit finden. Die Beziehungsqualität zum sozialen Umfeld und – bei Kindern – die Bindungsqualität zu den wichtigsten Bezugspersonen hat somit einen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung einer Traumafolgestörung nach einer traumatischen Situation.

BEISPIEL

Elias

Elias erlebte bereits während der Schwangerschaft den Stress eines Drogenentzugs seiner Mutter und den Stress, den die Gewalt gegen sie in ihr auslöste. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass Elias vor seiner Geburt bereits mehrere traumatische Erfahrungen durchlebte. Nach der Geburt war er mit seinem Drogenentzug auf der Intensivstation einer erneuten traumatisierenden Überforderung ausgesetzt.

Seine Mutter, die selbst unter einer schweren Traumafolgestörung litt, war nicht fähig, zu erkennen und anzuerkennen, was für ein unermessliches Leid der kleine Elias bereits mit sich trug. Sie war auch nicht in der Lage, seine dadurch ausgelöste emotionale Heftigkeit, sein existentielles Schreien und häufiges Erbrechen zu verstehen und für ihn unterstützend da zu sein. In ihrer Überforderung ließ sie Elias stattdessen schreiend liegen. Manchmal trug sie ihn herum, ohne sich jedoch emotional mit ihm zu verbinden und sich auf ihn einzulassen. Das Personal im Mutter-Kind-Wohnen konnte dieses Defizit nur begrenzt auffangen, so dass bei Elias keine Erholung eintrat und sich eine frühe Traumafolgestörung entwickelte. Später kamen viele weitere traumatische Erlebnisse hinzu, als die Mutter wieder der Sucht verfiel, Gewalt erlebte und Elias schwer vernachlässigt wurde.

Nach der obigen Typisierung erlebte Elias kumulative und sequenzielle Man-made-Traumatisierungen. Zum Teil wurden diese böswillig und absichtlich durch Menschen (Gewalt gegen die Mutter) und zum Teil wider besseres Wissen (schwere Vernachlässigung) verursacht. Dem Verhalten der Mutter lag keine Böswilligkeit zugrunde, sondern Drogenkonsum, Beschaffungs- oder Entzugsstress führten zur Vernachlässigung.

Da das Stressempfinden sich im dritten Schwangerschaftstrimester ausbildet (Ruffaner-Hanson et al. 2022), kann wie im Falle von Elias bereits das ungeborene Kind traumatischen Stress erfahren (Levine / Kline 2005). Erschwerend kommt bei Elias hinzu, dass kleine Kinder das Erlebte mental noch nicht einordnen können, da sich das Verständnis für die Welt erst bildet. Bei Traumatisierungen durch Bezugspersonen verinnerlichen diese Kinder in der Folge negative und verzerrte Bilder von sich und der Welt. Sie neigen sodann z. B. zur Überzeugung, nicht liebenswert oder schlecht zu sein, und können nicht verstehen, was passierte und immer noch mit ihnen passiert. Oder anders gesagt: Je jünger ein Kind traumatisiert wird, desto eher beeinflussen kumulative und sequenzielle Traumatisierungen das Selbstbild und die psychische Entwicklung des Kindes (Scherwath / Friedrich 2020).

Neurobiologisch lässt sich das wie folgt erklären: Ein Kind besitzt bis zum zweiten Lebensjahr am meisten neuronale Verbindungen (Nerven) im Gehirn. Nach diesem Zeitpunkt werden diese wieder zurückgebaut, so dass bis zum Ende der Adoleszenz nur noch die wichtigsten Verbindungen vorhanden sind (Hüther 2013). Alles, was nicht gebraucht wird, hat sich zurückgebildet (Huttenlocher 1979). Bei einer kumulativen Traumatisierung in der frühen Kindheit werden sodann andere neuronale Strukturen im Gehirn gestärkt und entwickelt als bei einem Kind, das sicher aufwachsen kann (Zilberstein 2022). Da das Gehirn so plastisch und veränderungsfähig ist, haben aber auch Menschen mit einer frühen und kumulativen Traumatisierung in ihrem Leben noch viele Möglichkeiten, gelungene, konstruktive und heilende Entwicklungen zu erfahren und zu verinnerlichen (Peckham 2023; Teicher et al. 2016).

BEISPIEL

Kayla

Kayla erlebte die erste traumatische Situation mit vier Jahren. Davor konnte sie sich im normalen Rahmen entwickeln. Die Eltern merkten jedoch nicht, dass ihre Tochter ab ihrem fünften Lebensjahr missbraucht wurde, und waren nicht in der Lage zu erkennen, dass ihr großes Leid widerfuhr. Der autoritäre Erziehungsstil führte zusätzlich dazu, dass...


Olaf Stähli, Hirzel (CH), ist Psychologe und Supervisor und arbeitet seit bald 30 Jahren in unterschiedlichen Funktionen in der ambulanten und stationären Kinder- und Jugendarbeit. Er bietet Weiterbildung, Fachberatung und Coaching für Fachpersonen und Organisationen in sozialen Berufsfeldern an.



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