E-Book, Deutsch, 264 Seiten, Format (B × H): 1600 mm x 240 mm, Gewicht: 476 g
Staub Die Blaue Revolution
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-03805-369-9
Verlag: buch & netz
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Warum es für Klimagerechtigkeit eine globale Demokratie braucht. Und wie wir diese schaffen.
E-Book, Deutsch, 264 Seiten, Format (B × H): 1600 mm x 240 mm, Gewicht: 476 g
ISBN: 978-3-03805-369-9
Verlag: buch & netz
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Peter Staub (*1962) ist in der Region Olten aufgewachsen. Seit seinem 18. Altersjahr engagiert er sich fu?r mehr Demokratie, weniger Krieg und fu?r eine nachhaltige, sozial gerechte Welt. Er hat als Dachdecker, Taxichauffeur, Journalist und Gewerkschaftssekretär gearbeitet. Heute leitet er die Abteilung Marketing und Kommunikation einer Organisation fu?r Menschen mit Behinderung. Peter Staub lebt in der Region Biel/Bienne.
Autoren/Hrsg.
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Prolog
Eine andere Welt ist nicht nur möglich. Eine bessere Welt ist machbar. Es ist Zeit, zu handeln.
In den letzten Jahren hat es oft so ausgesehen, als sei es nicht mehr möglich, politische Fortschritte zu machen. In vielen Ländern waren rechtsextreme Parteien im Vormarsch und alte, reaktionäre Männer gaben den Ton an, von den USA über Brasilien und die Türkei bis Australien. Dann tauchte im Herbst 2018 wie aus dem Nichts Greta Thunberg auf. Die junge Frau aus Schweden schaffte es mit ihrem Schulstreik fürs Klima innerhalb weniger Wochen, was in den letzten Jahren weder Umweltorganisationen wie Greenpeace und Aktivist*innen wie Al Gore noch die zahlreichen UNO-Klimakonferenzen erreicht hatten: Plötzlich gingen Millionen von Menschen auf die Strasse, um für eine progressive Klimapolitik zu demonstrieren.
Als sich ab Januar 2020 sich das neue Coronavirus Covid-19 weltweit zu verbreiten begann, war zwei Monate später plötzlich nichts mehr so wie zuvor. Rund um den Globus verfügte ein Land nach dem anderen den Lockdown: Flugzeuge blieben am Boden, Restaurants wurden geschlossen, das öffentliche Leben kam zum Erliegen.
Als in der Schweiz der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» und den Lockdown ausrief, hatte ich bereits seit vier Monaten intensiv an diesem Buch gearbeitet. Unterdessen hat Covid-19 die Welt verändert. Aber die in diesem Buch dargelegten weltweiten Probleme – wie die Klimakrise oder die Millionen Flüchtlinge und die massive Unterernährung von nahezu einer Milliarde Menschen rund um den Globus – existieren weiter. Covid-19 ändert nichts daran, dass wir globale Antworten auf globale Fragen brauchen. Im Gegenteil: Die Coronakrise hat mit aller Deutlichkeit gezeigt, wie eng verbunden wir auf der ganzen Welt sind. Und dass nationale Antworten auf globale Fragen ungeeignet sind, die Probleme tatsächlich zu lösen.
Die Grenzen zu schliessen, war vielleicht psychologisch wichtig und richtig. Mit dieser Symbolpolitik konnten die Regierungen für einen Moment Führungsstärke zeigen und etwas Vertrauen vermitteln. Doch solche Aktionen erinnern eher an mittelalterliche Strategien der Pestbekämpfung, als die Städte die Zugbrücken hochzogen, um die Bevölkerung zu schützen. Allein, gegen das Virus nützten die Grenzschliessungen so wenig wie die Wassergräben gegen die Pest.
Der Mangel an Schutzmasken und Medikamenten, die bis zum Ausbruch der Coronakrise zum grössten Teil in China oder Indien produziert wurden, warfen Fragen nach den Grenzen der wirtschaftlichen Globalisierung, der weltweiten Arbeitsteilung auf. Das ist gut. Denn diese Fragen muss man sich auch im Hinblick auf die Klimakrise stellen: Bei welchen Produkten ist es richtig und wichtig, dass sie lokal oder gar regional hergestellt werden? Bei welchen Artikeln macht es Sinn, dass Teile davon über den ganzen Globus verteilt produziert werden?
Bei der Diskussion über mögliche Antworten stösst man unweigerlich auf die entscheidende Frage: Wer kann diese Fragen überhaupt abschliessend beantworten? Damit sind wir beim Kernthema dieses Buches: Wer ist der Souverän auf dem blauen Planeten? Die amerikanische Regierung? Die G-7? Die G-20? Bisher gibt es keinen definierten globalen Souverän.
In der halbdirekten Demokratie der Schweiz ist die stimmberechtigte Bevölkerung der Souverän. Sie wählt nicht nur das nationale Parlament, also die Legislative. Sie entscheidet auch regelmässig über die entscheidenden Fragen der Politik. Wenn wir in diesem Demokratieverständnis einen globalen Souverän definieren wollen, brauchen wir vorab eine globale Demokratie. Als überzeugter Basisdemokrat behaupte ich, dass wir nur so gewappnet sein werden, um aktuelle und kommende weltweite Krisen intelligent und gerecht zu bewältigen.
Am Anfang dieses Buches steht eine alte Idee: Eine Welt ohne Krieg und Ausbeutung ist möglich. Obwohl man mir schon früh sagte, eine friedliche und gerechte Welt sei eine Utopie und unmöglich zu realisieren, halte ich an meiner Vision fest. Unterdessen sind es rund 40 Jahre, in denen ich mich praktisch und theoretisch damit beschäftige, wie es möglich sein kann, die Welt so zu organisieren, dass wir Armut, Umweltzerstörung und Krieg dauerhaft überwinden können.
Weil ich mich weder von Parteien und Parlamenten noch von der Werbung und der Wirtschaft vereinnahmen liess, ist es mir trotz einiger Schwierigkeiten gelungen, mir den Optimismus aus der Jugendzeit zu erhalten.
Nun steht hier das Wort. «Die Blaue Revolution» legt einen konkreten Plan vor, wie wir gemeinsam den alten Menschheitstraum eines anständigen Lebens für alle realisieren können. Das Buch legt dar, warum wir angesichts des drohenden Klimakollapses keine anständige Alternative haben, als uns zusammenzuraufen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.
Dieses Buch ist auf der einen Seite bloss ein weiterer Schritt auf einem langen Weg, den in den letzten Jahrhunderten zahllose bekannte und unbekannte Frauen und Männer vorgespurt haben. Auf der anderen Seite zeigt es auf, warum es nun höchste Zeit ist, die Vision einer friedlichen Welt in die Tat umzusetzen und wie das das möglich ist.
Um die zu realisieren, wird es eine Vielzahl von Menschen brauchen, die sich unerschrocken engagieren. Die den Mut aufbringen, Grenzen zu überwinden. Grenzen, die real existieren, und Grenzen, die wir nur in unseren Köpfen haben. Menschen, die den Mut haben, für ihre Idee den Kopf hinzuhalten. Egal, ob sie ausgelacht oder ob sie verhöhnt werden.
Die Zeit drängt. Wenn es uns gelingen soll, weltweit eine für alle Menschen gerechte und eine ökologisch nachhaltige Gesellschaft aufzubauen, müssen wir uns beeilen. Denn das Zeitfenster, in dem wir den Klimakollaps noch abwenden können, ist nicht mehr lange offen. Viel länger als zehn Jahre haben wir voraussichtlich nicht mehr, bevor sich das Klima auch ohne unser Zutun weiter erhitzt. Wenn wir unseren Kindern und Kindeskindern eine einigermassen intakte, lebensfreundliche Umwelt hinterlassen wollen, müssen wir jetzt endlich ernsthaft beginnen, die Welt zu verändern.
Wenn die Regenwälder weiter im aktuellen Ausmass und Tempo abgeholzt oder abgebrannt und wenn alle neuen Kohlekraftwerke gebaut werden, die bereits geplant sind, werden wir die sogenannten Kipppunkte allerdings noch früher erreichen, als dies die Klima-Forscher*innen befürchten.
Wenn es uns nicht gelingt, die Klimaerwärmung früh genug zu begrenzen, ist es wahrscheinlich, dass die Menschheit weiter in der Barbarei versinkt, in dem weite Teile der Weltbevölkerung bereits heute leben. Nur wenn es uns gelingt, rechtzeitig eine demokratische Weltgesellschaft zu schaffen, können wir verhindern, dass am Ende alle gegen alle ums Überleben kämpfen.
Dass es innerhalb des herrschenden Systems möglich ist, den Klimakollaps abzuwenden, war schon immer unwahrscheinlich. Heute ist es praktisch unmöglich. Obwohl sich fast alle Staaten im Pariser Abkommen von 2015 weltweit verpflichteten, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, passierte faktisch nichts. Es gibt nach wie vor keine allgemein bekannte , die einen Weg aufzeigt, wie es der Weltgemeinschaft gelingen soll, mit der grössten Herausforderung zurechtzukommen, mit der es die Menschheit je zu tun hatte.
Noch aber haben wir die Möglichkeit, dieses System grundlegend zu verändern. Dafür brauchen wir einen überzeugenden Plan. Und wir müssen uns geschickt organisieren. Dann kann es nicht nur gelingen, die Klimaerwärmung zu stoppen, sondern wir schaffen es gleichzeitig auch, die Welt für alle Menschen zu einem besseren Ort zu machen.
Die Menschen werden ihre Gewohnheiten allerdings nur dann ändern, wenn es uns gelingt, ihnen realistische Hoffnung auf ein besseres Leben zu machen. Nur wenn sie daran glauben, dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen, werden sie sich mit uns auf den Weg machen. Deshalb brauchen wir neben dem Ziel und einem Plan auch einen demokratischen Prozess, an dem alle teilnehmen können, die guten Willens sind. Einen Prozess, in den sich alle aktiv einbringen können. Kurz, wir brauchen eine vielfältige, basisdemokratische Graswurzelbewegung, um die zu einem Erfolg zu machen. Nur wenn wir die Theorie mit einer lebendigen Praxis verbinden, werden sich die engagierten Menschen als Gewinner*innen fühlen.
Dass die Menschen im globalen Norden materiellen Ballast abwerfen müssen, ist im Sinn der Klimagerechtigkeit unausweichlich, da sind sich die Klimajugend und die Umwelt-Expert*innen einig. Die materiellen Einschränkungen werden uns leichter fallen, wenn sie gerecht geregelt sind. Und wenn wir gleichzeitig das solidarische Zusammenleben neu entdecken.
Dass wir angesichts der Klimakrise die Welt neu denken müssen, ist keine neue Erkenntnis. Einer der populärsten politischen Denker der Gegenwart ist der israelische Historiker Yuval Noah Harari, der mit seinem Buch «Eine kurze Geschichte der Menschheit» global bekannt wurde.
Harari sagte in einem Interview, dass das aktuelle politische System die Fähigkeit verloren habe, «sinnvolle Visionen für die Zukunft zu entwerfen». Während sich die Welt extrem schnell verändere, habe niemand eine Idee, wo wir in 30 Jahren stehen werden. Dass die fortschrittlichen Parteien in Westeuropa und Nordamerika ihren Wähler*innen keine vernünftige Vision mehr glaubhaft machen konnten, ist eine der Ursachen für ihren Krebsgang. Wobei allerdings die konservativen Parteien erst recht keine Zukunft haben, da die Zeit für nationale Lösungen definitiv vorbei ist: «Die drei grössten globalen Probleme lassen sich nur durch weltweite Kooperation lösen: Klimawandel, nukleare Bedrohung und...