E-Book, Deutsch, Band 2, 265 Seiten
Reihe: Toni Blauvogel
Sternberg Insolvenzgeld
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7392-4543-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 2, 265 Seiten
Reihe: Toni Blauvogel
ISBN: 978-3-7392-4543-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eigentlich hat Toni Blauvogel in diesem drückend heißen Sommer gar keine Lust auf Detektivarbeit. Matt und gereizt taumelt sie durch den Tag, sie ist immer noch arbeitslos, und dass ihre neue Liebe ein paar Tage verreist ist, hebt ihre Stimmung auch nicht gerade. Da wird ein toter Mann aus dem Baldeneysee gefischt. "Er sah aus wie Heinz Erhardt. Rundes Gesicht unter nach hinten gekämmten schütteren Haaren. Große Brille aus dunklem Horn. Ich betrachtete das Foto, registrierte den üppigen Mund in diesem fast mongoloid wirkenden Mondgesicht, die leicht verschmitzt aussehenden Augen dieses Mannes" Schnell wird klar, dass der Tote in Radlerkleidung Insolvenzverwalter war und alles andere als eine reine Weste hatte. Toni folgt seiner Spur bis nach Oberhausen und steckt bald mitten im tiefsten Wirtschaftskrimi. Nach "Ruhrschnellweg" (WAZ: Ein packender Krimi 'von hier', dessen Tempo und Spannung sich der Leser kaum entziehen kann) schockt Ursula Sternberg ihre unkonventionelle Ermittlerin Toni Blauvogel erneut in die Niederungen der schmutzigen Geschäfte.
Über die Autorin Ursula Sternberg studierte in ihrer Heimatstadt Duisburg Kunst und Geschichte und wechselte später nach Essen und in die IT-Branche. Sowohl ihre Romanserie um die Privatermittlerin Toni Blauvogel als auch ihre neueren Krimis spielen im Ruhrgebiet und befassen sich mit aktuellen brisanten Themen wie Fracking, Korruption und Immobilienspekulation. Was sonst? Ölmalerei, lecker kochen, essen und trinken, gute Geschichten lesen und hören, viel Bewegung an der frischen Luft, Freunde und zuletzt, aber ganz sicher nicht als letztes der Stubentiger. Erschienene Titel Die Serie um Toni Blauvogel Ruhrschnellweg, assoverlag, Oberhausen, 2007 Insolvenzgeld, assoverlag, Oberhausen, 2009 Nachtexpress, BoD, Norderstedt, 2022 in einer überarbeiteten Neuauflage der Erstausgabe emons, Köln, 2010 Innenhafen, BoD, Norderstedt, 2022 in einer überarbeiteten Neuauflage der Erstausgabe emons, Köln, 2012 Kriminalromane Variationen der Wahrheit oder von Liebe, Käse und anderen Dingen, assoverlag, Oberhausen, 2007 Ruhrbeben, BoD, Norderstedt, 2022 in einer überarbeiteten Neuauflage der Erstausgabe emons, Köln, 2014 Kurzgeschichten Sieben, in: Zechen, Zoff und Zuckerwerk, Prolibris, 2018 Sieben war nominiert für den Friedrich-Glauser-Preis 2019 in der Sparte Kurzkrimi Countdown, in: Killer, Kerzen, Currywurst, Prolibris, 2016
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Sechs
Augustus Monk hielt Wort. Bereits um neun Uhr rief er mich an und bat mich zu sich nach Hause zu einem Treffen mit seiner Tochter. Ich war nach dem kurzen Gang von der Isenbergstraße zu dem schönen Stadthaus am Ende der von-Seeckt-Straße bereits von Kopf bis Fuß mit einem zarten Schweißfilm bedeckt. Es schien wieder ein mörderischer Tag zu werden. Augustus Monk wirkte gänzlich unberührt von den Temperaturen. Der gleiche flauschig wollene Pullunder in undefinierbaren Brauntönen, der an ein Tierfell erinnerte, umhüllte wieder seinen mageren Körper. „Meine Tochter Justina“, stellte er vor. „Vater, du erlaubst“, sagte sie. Ohne eine Antwort abzuwarten öffnete Justina die Tür zum Garten. Dann nahm sie das karierte Plaid von der Couch und breitete es ihrem Vater über die Beine. „So, damit du keinen Zug bekommst. Aber solange die Sonne noch nicht auf der Terrassentür steht, könnte ein bisschen frische Luft wirklich nicht schaden.“ Sie drehte sich zu mir um und taxierte mich abschätzend. Ich taxierte zurück. Ebenfalls abschätzend. Ende dreißig. Typ dunkles Schmalchen. Kein Gramm Fett am durchgestylten Körper. Nicht einfach zierlicher Statur, sondern eher das Ergebnis eines eisernen Programms gegen sich selbst. Viel Sport, noch viel mehr Disziplin. Ebenmäßiges, ovales Gesicht, sorgfältig zurechtgemacht. Unzufriedener Zug um einen schön geschwungenen Mund. Mäkelige Zicke, schoss es mir durch den Kopf. Aber ich musste vorsichtig sein mit solchen schnellen Urteilen. Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte ich schon mal jemanden sehr falsch eingeschätzt, weil ich ihn spontan nicht gemocht hatte. Ich hoffte nur, mein Gegenüber war klug genug, auf ähnliche Erfahrungen zurückgreifen zu können. Denn dass sie mich ebenfalls nicht leiden konnte, verriet mir ihr Blick. „Hallo Frau Blauvogel“, sagte sie und setzte ein geschäftsmäßiges Lächeln auf. Ein Profi, erkannte ich. Und damit eine Chance. „Ihr Vater hat Ihnen erzählt, worum es geht“, konstatierte ich also. „Ja.“ Sie lächelte immer noch. „Und keine Bange, die Sache mit der Bezahlung ist ebenfalls geklärt“. „Ach was“, sagte ich überrascht. „Und was heißt das?“ „Na ja, Nachbarschaftshilfe halt“, mischte sich Augustus Monk ein. Er zwinkerte mir zu. „Ist doch wohl selbstverständlich, oder?“ „Was wollen Sie jetzt tun?“ Damit wandte ich mich an Justina, die Tochter. „Telefonieren“, sagte sie, um Freundlichkeit bemüht. „Die Unterlagen einsehen. Und dann meine“ – hmmm, räusperte sie sich knapp – „neue Mandantin schnellstmöglich aus ihrer misslichen Lage befreien.“ Damit griff sie nach ihrer Aktentasche und reichte mir die schmale Hand. „Da bin ich aber froh“, sagte ich aufrichtig. „Wirklich froh!“ Und das war ich. Auch wenn ich sie nach wie vor nicht mochte. Wir sahen ihr hinterher, als sie den Raum verließ. „Keine Sorge, Kindchen.“ Herr Monk zwinkerte mir erneut zu. „Sie sollten sie mal vor Gericht sehen. Sie kann was, meine Tochter. Und sie hat Ja gesagt. Meine Tochter hält Wort. Das hat sie schon immer getan.“ „Und was machen wir jetzt?“ „In ein, zwei Tagen wird Justina mehr wissen. Solange müssen wir uns gedulden.“ Das allerdings würde ich nicht tun. Also beschloss ich, meine Kontakte spielen zu lassen. Bereits auf dem Heimweg suchte ich die Nummer auf dem Handy und rief an. Ich hatte Glück. Sie waren zurück. Zum Laufen war es mir zu heiß, mein Auto hatte ich seit Monaten kaum noch benutzt und auch jetzt verspürte ich keine Lust, in die Backofenglut zu steigen, die in der Blechkiste herrschen würde. Also nahm ich das Fahrrad. Überrascht stellte ich fest, dass sich durchaus so etwas wie Fahrtwind einstellte, der die Anstrengung des Strampelns erträglich machte. Ich schlängelte mich im Zickzack durch die Teile Rüttenscheids, die ich das Namensviertel nannte, weil die Straßen Vornamen trugen wie Anna, Cäcilie, Julius, Rosa... Erreichte das Polizeipräsidium, passierte Haumannpark und Rückseite des Klinikums und folgte schließlich der Sommerburgstraße in Richtung Margaretenhöhe. Fünf Minuten später hatte ich Bauer Barkow mit seinem schönen Biergarten erreichte. Ich kam zu spät. Früher war ich selten zu spät gekommen. Nicht nie, aber selten. Ich war immer bemüht, pünktlich zu sein. Weil ich selbst nicht gerne wartete. Und weil ich fand, dass es nicht fair war, andere warten zu lassen. Eine rücksichtslose Verfügung über anderer Leute Zeit. Jetzt aber kam ich zu spät. Wieder mal. Seltsamerweise schien die Tendenz, zu spät zu kommen, proportional zu der Länge der Zeit zuzunehmen, die ich jetzt nicht mehr arbeitete. So, als hätte die Arbeitslosigkeit mein Verhältnis zur Zeit grundlegend verändert. Einerseits empfand ich diese Veränderung als gesund. Nicht mehr so zu hetzen, nicht dauernd am Rennen. Andererseits ärgerte ich mich darüber. Denn es gab keinen vernünftigen Grund, nicht pünktlich zu sein. Allerdings schien meine Unpünktlichkeit nicht weiter zu stören. Die beiden sahen geradezu unverschämt gut aus. Verändert. Das dicke honigfarbene Haar, das Bea sonst immer in einen strengen Zopf bannte, war locker am Hinterkopf zusammengefasst, ein paar Strähnen zipfelten keck in alle Richtungen. Sie sah pfiffig damit aus, wirkte entspannt und ausgeruht. Noch verblüffender war die Verwandlung, die mit Schütte vor sich gegangen war. Sein Haar war nicht mehr sorgfältig nach hinten gegelt, sondern fiel ihm in vereinzelten Strähnen in die Stirn, und an Stelle der eckigen, goldgefassten Brille trug er ein geschwungenes dunkleres Gestell. Beides stand ihm. Am auffälligsten war jedoch etwas ganz anderes. Da war dieses Leuchten, irgendwie von innen heraus. Mit jeder Pore Zufriedenheit verströmen. Oder Glück. Wahnsinn, was so eine Verliebtheit ausmachen kann, dachte ich anerkennend. Ich ließ mich auf den freien Stuhl plumpsen. „Hi“, sagte ich, griff mir je eine Hand von den beiden und drückte sie kurz. „Mensch, seht ihr gut aus!“ „Mir geht’s auch gut“, lachte Bea. „War ein richtig schöner Urlaub.“ Mit funkelndem Blick lächelte sie Schütte an. „Du bist ja richtig braun geworden, Reinhold“, sagte ich zu Schütte. „Dauernd am Strand rumgelungert?“ „Nee, das ist nichts für mich. Schwimmen ja, aber nicht Sonne anbeten. Ich brauche Bewegung. Wir haben wunderschöne Wanderungen gemacht. Mallorca ist ne richtig tolle Insel, von den paar Teutonengrills mal abgesehen.“ Eine Weile erzählten sie mir von ihren Urlaubserlebnissen. „Und bei dir“, fragte Bea dann. „Hat sich was getan?“ „Absolute Flaute“, winkte ich ab. „Jetzt in den Sommerferien wird kaum noch eine Stelle ausgeschrieben. Dafür trudeln die Außenstände ein. Leider nur Absagen. Und das, obwohl ich mich nur auf Anzeigen beworben habe, auf die mein so genanntes Profil mit mindestens achtzig Prozent zutrifft.“ „Und das Arbeitsamt? Haben die dir keine Gespräche vermittelt?“ Bea nahm einen großen Schluck Bier, während sie mich nachdenklich betrachtete. Eine Schaumkrone zierte ihre Oberlippe, als sie das Glas absetzte. „Liebe Frau Blauvogel, ich kann leider absolut nichts für Sie tun“, imitierte ich meine Arbeitsberaterin. „Am Aufbau, am Stil Ihrer Bewerbungen ist nichts auszusetzen. Sie machen nichts falsch. Sie haben sehr gute Zeugnisse und sehr gute Qualifikationen. Vielleicht ein wenig zu gut, in Ihrem Alter.“ „Wieso zu gut?“, fragte Schütte. „Ein ‚zu gut’ kann es doch gar nicht geben.“ „Doch, kann es schon“, seufzte ich. „Bei diesen Qualifikationen könnte ich als Berater vermutlich relativ schnell einen Job kriegen.“ „Wo ist dann das Problem?“ „Das Problem ist, dass ich das nicht machen möchte.“ Ich stocherte in den Resten meines Salates herum. „Also, einen Job in der Beratung annehmen. Die Globalisierung schlägt hier voll zu. Überall werden Projekte angenommen, europaweit, weltweit. Gerade mit einem Beraterjob in der EDV-Branche ist heutzutage massive Reisetätigkeit verbunden, häufig auch lange Auslandsaufenthalte.“ Ich tunkte ein Stück Weißbrot in die Reste der Salatsauce und schob es mir in den Mund. „Und“, fragte Bea. „Ich habe nichts dagegen, ab und an mal von Berufs wegen reisen zu müssen“, sagte ich langsam. „Aber im Regelfall will ich abends nach Hause kommen. Heim in meine Wohnung, zu meinen Freunden, zum Qi Gong, zum Atelier oder zu meinen stillen Abenden auf meinem Balkon. Ich wäre kreuzunglücklich mit einem Leben, das sich größtenteils in Hotelzimmern abspielt. Und deshalb ist der Beraterjob für mich heutzutage weniger geeignet denn je, obwohl ich mich sehr gut dafür eignen würde, vom Wissen und der Erfahrung her. Ich muss mich also auf Sachen bewerben, die gar nicht dieses breite Spektrum an Qualifikationen erfordern.“ „Und das ist ein Problem?“ „Ja. Und da hebt jetzt auch noch mein Alter sein schäbiges Köpfchen. Die Chefs, die jemanden suchen, sind in der Regel jünger als ich. Und damit haben viele ein Problem. Aber lassen wir das Thema besser, ich kriege sonst nur wieder schlechte Laune. Ich wollte euch wegen etwas anderem sprechen.“ „Um was geht’s denn?“, fragte Schütte neugierig. „Es geht um den Fall Schöffler.“ Leise pfiff Schütte durch die Zähne. „Schon davon gehört. Was hast du denn damit zu tun?“ Mit kurzen Worten erzählte ich die...