E-Book, Deutsch, 204 Seiten
Sternberg Nachtexpress
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-4833-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 204 Seiten
ISBN: 978-3-7534-4833-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein junger Obdachloser wir schwer misshandelt im Nachtexpress aufgefunden und liegt seitdem im Koma. In derselben Nacht verschwindet die Essener Schülerin Bella spurlos. Als Ermittlerin Toni Blauvogel gebeten wird, das Mädchen zu suchen, weiß sie zunächst nicht, wo sie anfangen soll. Bellas drei Freundinnen halten mit etwas hinter dem Berg, da ist sie sich sicher. Doch erst ein Schulaufsatz, den Bella geschrieben hat, bringt Toni auf die richtige Spur, Bellas Verschwinden und der Fall des misshandelten Mannes im Nachtexpress haben nämlich einiges miteinander zu tun. Nach »Ruhrschnellweg« (WAZ: Ein packender Krimi von hier, dessen Tempo und Spannung sich der Leser kaum entziehen kann...) und »Insolvenzgeld« ist dies der dritte Fall mit der verschrobenen Essener Ermittlerin wider Willen Toni Blauvogel. Neuauflage der gleichnamigen Originalausgabe (2010)
Ursula Sternberg, geboren in Duisburg, arbeitet hauptberuflich als Anwendungsentwicklerin, lebt in Essen und ist tief mit der Region verwurzelt. Sie liebt Katzen, Natur, Bewegung an der frischen Luft, Kochen und gutes Essen. Neben dem Schreiben malt sie, überwiegend in Öl, und hat an mehreren Gruppenausstellungen teilgenommen. www.krimis-und-kunst.de Veröffentlichungen: Romane: »Variationen der Wahrheit oder Von Liebe, Käse und anderen Dingen«, Kriminalroman, Assoverlag Oberhausen, 2007 »Ruhrbeben«, Kriminalroman und Ökothriller, BoD 2021, Originalausgabe Emons , 2014 Ruhrgebiets-Krimiserie: »Ruhrschnellweg«, erster Band, Assoverlag Oberhausen, 2007 »Insolvenzgeld«, zweiter Band, Assoverlag Oberhausen, 2009 »Nachtexpress«, dritter Band, BoD 2021, Originalausgabe Emons 2010 »Innenhafen«, vierter Band, BoD 2021, Originalausgabe Emons 2012 Kurzgeschichten: »Abschied«, erschienen in »Schachbordelle«, 35 Erotische Gedichte und Geschichten zum Menantes-Preis 2012, Hg. Jens-F. Dwars, Quartus Verlag 2012 »Countdown«, erschienen in »Killer, Kerzen, Currywurst«, Kriminelle Weihnachtsgeschichten aus dem Ruhrgebiet, Hg. Almuth Heuner, Prolibris Verlag 2017 »Sieben«, erschienen in »Zechen, Zoff und Zuckerwerk«, Kriminelle Weihnachtsgeschichten aus dem Ruhrgebiet, Hg. Almuth Heuner, Prolibris Verlag 2018 »Sieben« wurde für den Friedrich Glauser Preis 2019 nominiert.
Autoren/Hrsg.
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EINS
Im ersten Moment wusste ich nicht, wo ich war. Wieso war es so fürchterlich dunkel? RWE-Pimmel abgefackelt? Oder Stromausfall und deshalb keine Lichter mehr, die aus dem Turm in mein Schlafzimmer leuchteten? Dann fiel es mir wieder ein. Umzug. Adlerhorst gegen Erdhöhle. Mein neues Zuhause. Ich spitzte die Ohren. Spionierte die unbekannten Geräusche aus. Lauschte dem Atem des Hauses, in dem ich nun wohnte. Aber ich hörte nichts. Absolut nichts. Kein Wasserrauschen durch schlecht abgedämmte Rohre, das das Aufstehen irgendwelcher Frühschichtler oder Frühaufsteher aus Überzeugung begleitete. Kein Motorgeräusch. Keine entfernten Stimmen, obwohl wir doch mitten in der Stadt waren. Unnatürlich war das, eine solche Stille. Ein Giftanschlag, dem die Anwohner dieses Viertels zum Opfer gefallen waren? Eine Epidemie, die alle dahingerafft hatte? Der Kühlschrank in der Küche sprang an. Dankbar lauschte ich dem monotonen Brummen. Ein vertrautes Geräusch, auch wenn mir der Kühlschrank lauter zu sein schien als in meinem Domizil am Isenbergplatz. Ehemaliges Domizil, verbesserte ich mich. Wahrscheinlich aufgewühlt durch das Geschaukel. Hieß es nicht, man müsse einen Kühlschrank erst mal mindestens einen halben Tag lang stehen lassen nach einem Transport, ohne ihn einzuschalten? Damit sich die Kühlflüssigkeit beruhigen kann, die durchgeschockelte? Natürlich hatte ich nicht gewartet und sinnierte nun darüber nach, ob ich ihn wohl damit kaputt gemacht hatte. Der Kühlschrank schüttelte sich heftig und das Brummen hörte auf. Die merkwürdige Stille hatte mich wieder im Griff. Grabesstille. Totenstille. »Sei nicht albern«, sagte ich laut. Meine Stimme hallte unnatürlich in dem noch weitgehend leeren Raum. »Du hast schon oft in diesem Haus übernacht, direkt in der Wohnung nebenan.« Aber nicht ohne Max, sagte meine innere Stimme. Und die Terrassentür steht offen. Was, wenn jetzt einer vom Garten aus einfach in mein Zimmer kommt? Jetzt reicht es aber, Blauvogel! Du hast über sechs Jahre in einem Haus geschlafen, in dem sich ansonsten nur Anwalts- und Arztpraxen befinden. Da warst du wirklich allein. Hier nicht! Aber da habe ich ganz oben gewohnt. Unten war die Haustür immer abgeschlossen. Und eine offene Balkontür im fünften Stock macht gar nichts! Max liegt direkt nebenan. Ohr an Ohr sozusagen. Nur eine Wand ist dazwischen, versuchte ich meine innere Stimme zu beruhigen. Warum habe ich ihn bloß weggeschickt, ich dumme Kuh, ausgerechnet in der ersten Nacht, jammerte sie weiter. Damit von vorneherein klar ist, dass es getrennte Wohnungen bleiben, Dummerchen. Genau. Blöde Prinzipienreiterei! Ein Rascheln in der Ecke ließ mich hochfahren. Ich spähte angestrengt ins Dunkel. Dann hörte ich das leise Tappen von Pfoten auf den Holzdielen und lache erleichtert. »Bonnie? Clyde?«, fragte ich in die Dunkelheit hinein. Ein leises Maunzen. Also Bonnie. Sie war in allem so viel zarter als ihr Bruder. Ich war gerührt, dass sie mich gleich in meiner ersten Nacht besuchte, so, als sei es ganz selbstverständlich, dass ich nun hier wohnte. »Bonnielein, Süße«, lockte ich und klopfte einladend mit der Hand aufs Bett. Sie kam bereitwillig. Knetete eine Weile mit spitzen Milchtritten die Bettdecke und schmiegte sich schließlich schnurrend an meinen Bauch. Nichts ist so beruhigend wie leises Katzenschnurren, dachte ich zufrieden. Kurz darauf schlief ich wieder ein. Das frühe Tageslicht offenbarte den Nebel. Deshalb war es so beklemmend still gewesen in der Nacht. Fahles Licht versackte in milchigen Schwaden, die um die knorrige kleine Weide waberten. Die Backsteinmauer, die den Garten vom Nachbargrundstück trennte, war schon nicht mehr zu sehen. Dafür tauchte Max in der offenen Terrassentür auf, die Tageszeitung in der rechten Hand. »Oh, ein Zeitungsbote in unziemlicher Kleidung. Für wen halten Sie mich!«, hauchte ich. Max warf die Zeitung neben das Bett und schleuderte seine Pantoffeln mit gekonntem Dreh von seinen Füßen. »Rennst du immer im Schlafanzug durch den Garten?«, fragte ich amüsiert. »Nur wenn die Nachbarwohnung von schrägen blauen Vögeln bewohnt wird. Ich wollte dir bloß die Zeitung bringen und mich verabschieden.« Er warf auch den Schlafanzug auf den Boden. »Brrrr«, machte er und schüttelte sich, während er schnell unter meine Decke kroch. »Wieso denn das?«, fragte ich überrascht. Dann fiel es mir wieder ein. »Ach ja, richtig, der Herr verkrümelt sich ja lieber gleich mehrere Tage auf die Messe nach Hannover, als hier mit Hand anzulegen.« Ich meinte es nicht ernst. Ich wusste selbst, dass Max sich auf der CeBIT nicht nur über technische Neuerungen auf dem Sicherheitstechniksektor informieren wollte, sondern dass sein neuer Geschäftspartner ihn dort diversen Kunden vorstellen würde. »Genau!« Seine Stimme klang verdächtig fröhlich. »Ist das nicht ein gutes Timing?« »Kleiner Hacker«, murmelte ich zärtlich. »Und jetzt sogar völlig legal!« Max hatte sich ein halbes Jahr zuvor als System- und Netzwerkexperte mit der Idee selbstständig gemacht, Sicherheitslücken in fremden Netzwerken ausfindig zu machen. Darin war er wirklich gut. Ich wusste es aus eigener Erfahrung, denn als ich selbst einen Hacker benötigt hatte, war Max mir empfohlen worden. So hatten wir uns vor anderthalb Jahren kennengelernt. »Ein genialer Schachzug, nicht wahr?« Damit schob er mir seine kalte Hand zwischen die noch schlafwarmen Schenkel. »Nimm demnächst lieber den Schlüssel zu meiner Wohnung, anstatt halb nackt durch den Garten zu hopsen«, knurrte ich. Eine Stunde später saß ich in der Küche auf meinem Barhocker neben einem Stapel Kisten und versuchte, die Zeitung zu lesen. Auf der Arbeitsfläche aus Buchenholz hatte ich mir einen halben Meter erkämpft, Platz genug für den Becher mit Kaffee und ein paar trockene Kekse. Ich schlug die Beine übereinander und bemühte mich um eine entspannte Position. Dazu jedoch fehlte mein Stehtisch, auf den man sich so schön gemütlich stützen konnte. Der war noch nicht aufgebaut, und wenn ich es mir ernsthaft überlegte, wusste ich auch gar nicht, wo der überhaupt hinpassen würde. Es gab viel zu tun. Vorher aber wollte ich in Ruhe Kaffee trinken. Und Zeitung lesen. Auch wenn es unbequem war. Ich las einige Artikel aus dem Hauptblatt und überflog schließlich den Regionalteil. An einer eher kleinen Nachricht blieb ich hängen. »Schwerverletzter im Nachtexpress«, las ich. In der Nacht zum Sonntag wurde ein junger Mann schwer verletzt im NE5 aufgefunden. Der Mann wurde in die Notaufnahme des Alfried Krupp Krankenhauses in Steele gebracht. Er hatte über drei Promille Alkohol im Blut und liegt seitdem im Koma. Da sein Körper zahlreiche Trittverletzungen aufwies, schalteten die Ärzte die Polizei ein. Der ca. 25-jährige Mann konnte bislang nicht identifiziert werden. Die Hintergründe der Tat liegen ebenfalls im Dunkeln, die Polizei geht jedoch davon aus, dass der Mann von mehreren Tätern attackiert wurde, die noch auf ihn eintraten, als er bereits wehrlos am Boden lag. Der Busfahrer des NE5 erlitt einen Schock und wurde ebenfalls ins Krankenhaus eingewiesen. Solche Meldungen regten mich auf. Mehrere gegen einen. Und dann noch draufhauen, wenn einer schon am Boden liegt. Seine Wut an denen auslassen, die sich nicht wehren können. Angewidert legte ich die Zeitung beiseite und nahm den letzten Schluck Kaffee. Clyde riss mich aus meinen trüben Gedanken. Er betrat die Küche mit hoch erhobenem Schwanz, stieß eine Reihe von Tönen unterschiedlichster Couleur aus und strich begrüßend um den Barhocker, auf dem ich saß. »Auch schön, dich zu sehen.« Ich beugte mich zu ihm hinunter und kraulte seinen schwarzen Pelz. Dann griff ich wieder zur Zeitung. Clyde steuerte zielgerichtet auf das Fenster zu, witterte einmal prüfend und tänzelte zu mir zurück. Sein Ton wurde energisch. Er hockte sich auf die Hinterbeine, reckte sich zu ganzer Länge an meinem Hocker hoch und legte mir auffordernd eine Pfote ans Bein. »He, Max hat euch adoptiert, nicht ich!«, protestierte ich. Das stimmte. Allerdings hatte Max auch darauf spekuliert, mir mit den beiden Kätzchen den Umzug in die frei werdende Nachbarwohnung in dem Mietshaus schmackhaft zu machen, in dem er wohnte. Sein Kalkül war aufgegangen. »Du hast bestimmt schon dein Frühstück gehabt.« Clyde schien das anders zu sehen. Erneut legte er seine Pfote auf mein Bein, dieses Mal mit deutlich ausgefahrenen Krallen. »So was nennt man räuberische Erpressung unter Androhung von Gewalt«, teilte ich ihm mit. »Aber sie fruchtet nicht. Ich habe nichts im Haus. Siehst doch selbst, was hier los ist. Gerade erst eingezogen, verstehst du? Mit anderen Worten: Bei mir ist nichts zu holen. Absolut nichts. Nada. Niente!« Der Kater ließ von meinem Bein ab und trippelte wieder in Richtung...